Der G7-Gipfel, der nur knapp am Fiasko vorbeigeschlittert war, stellt den Wert der westlichen Wertegemeinschaft in Frage. Die Einschätzung von US-Präsident Donald Trump, wonach der Gipfel «grossartig» gewesen sei, täuscht wohl kaum jemanden.

Das Bemerkenswerte an Trumps Feststellung, der G7-Gipfel sei ein «grossartig produktives Treffen» mit «grossartigen Leuten» und «grossartigen Fortschritten» gewesen, ist, dass es wie Realsatire wirkt. Denn das zweitägige Treffen in Taormina hat die Verbündeten eher gespalten als zusammengeschweisst. Fortschritte gab es keine. Schon Trumps Zusammentreffen mit seinen Nato-Partnern stellte einen Test dar für die Militärallianz.

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Sinnfrage stellen

Die über Jahrzehnte gewachsene, nicht kritikfreie, aber solidarische Militärallianz erlebt so etwas wie einen Angriff aus dem Inneren, aber sie wird weiter kämpfen. Denn ihre Einsätze, samt dem 2001 bisher einmalig ausgerufenen Bündnisfall für das attackierte Amerika, sind real.

Anders ist es beim G7-Gipfel. Der Zweck dieses zweiten grossen Gesprächsforums des Westens wird nach der inhaltsarmen Sitzung auf Sizilien muss in Frage gestellt werden.

Egoismus als einziger Wert

Zwei Gipfel, zwei Premieren mit Trump und der westlichen Wertegemeinschaft droht die Spaltung. Nachdem aus der G8 die G7 ohne Russland wurde, droht jetzt G0. Denn wenn es «Sechs gegen Einen» steht, wie Diplomaten am Rande des Gipfels über das Ringen des dürren, sechsseitigen Abschlussdokuments sagten, stellt sich die Sinnfrage.

Vor allem, wenn die «Einen» die USA sind. Trump selbst kümmere das nicht, heisst es später aus Teilnehmerkreisen. Er sei nicht an Werte gebunden wie sein Vorgänger Barack Obama, dafür aber sehr viel egoistischer.

Verklärung der Flüchtlingskrise

Trump orientiert sich beim zweitägigen G7-Treffen ohne Rücksicht auf Verluste an US-Interessen. Der Kampf gegen den Terror ist auch hier sein Hauptthema. Dazu gibt es die einzige separate Gipfel-Erklärung.

Das Anliegen der italienischen Gastgeber, auch zur Flüchtlingskrise klar und ausführlich Stellung zu beziehen, torpediert der US-Präsident dagegen. Trump erklärt sich nur mit zwei Absätzen unter der stark verklärenden Überschrift «Menschliche Mobilität» in der Abschlusserklärung einverstanden.

Klimapolitik auf Kippe

Beim Klimaschutz kann die G7 nur die Uneinigkeit feststellen. Möglicherweise steigen die USA aus dem mühsam verhandelten Abkommen von Paris aus. Trump verkündet nach dem Gipfel auf Twitter, er werde nächste Woche seine Entscheidung bekannt geben.

Wie frustrierend muss es sein, wenn nach vielen Jahren endlich ein Abkommen steht, das alle Nationen unterschreiben. Und dann will der wichtigste Vertragspartner und zweitgrösste Klimasünder nicht mehr mitmachen und man fängt mit den Erklärungen von vorne an.

Schwierige Themen

Immerhin, Trump habe den Argumenten den anderen sechs zugehört, berichten Teilnehmer. Und Bundeskanzlerin Merkel steht bereit, mit einzelnen US-Bundesstaaten, die am Klimaschutz interessiert sind, ins Geschäft zu kommen.

Trotz der Appelle von Hilfsorganisationen machen die sieben reichen Industrienationen auch keine konkreten neuen Finanzzusagen für den Kampf gegen den Hunger in Afrika. Sie zeigen sich nur «tief besorgt» über die Ernährungskrisen.

Viel Aufwand – wenig Ertrag

Wenn ein internationales Gremium so wenig Neues, Weitergehendes, Klärendes bei einem solchen Treffen zustande bringt, erscheint der Aufwand zu gross. Die Enttäuschungen sind es auch.

Zu gigantisch sind dann die nötigen Summen und Sicherheitsmassnahmen für die Staats- und Regierungschefs der USA, von Kanada, Japan, Italien, Grossbritannien, Frankreich und Deutschland, die immer irgendwo an einem malerischen Ort abgeriegelt tagen – damit es wenigstens schöne Fotos gibt.

Gipfel light

Um mal miteinander zu reden – das ist seit Jahren das Hauptargument der Veranstalter für solche Gipfel – kann man es auch so anpacken wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, als Trumps Vorgänger Barack Obama im vorigen Jahr zwei Mal nach Deutschland kam.

Sie hat einfach ihre Kollegen in Grossbritannien, Italien, Frankreich und Spanien – angerufen und gefragt, ob sie dazu kommen wollen. Sie flogen ohne Delegationen ein, sprachen vertraulich und flogen wieder ab. Das geht auch.

Alles für Putin

Ob das allerdings auch künftig so selbstverständlich mit London sein wird, darf bezweifelt werden. Denn Grossbritannien tritt aus der Europäischen Union aus. Vertrauen geht verloren. Die USA erscheinen nicht mehr als Anker. Der Westen bröckelt.

Für Putin, der jede Unruhe in Nato und EU auskostet, kann es nicht besser laufen. Er, der 2014 nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim aus dem exklusiven G8-Club verbannt wurde, ist jetzt der einzige Gewinner der Gipfel.

Die nächste Bewährungsprobe folgt in sechs Wochen. Dann findet der G20-Gipfel unter deutscher Ratspräsidentschaft in Hamburg statt. Da kommen sie dann alle zusammen: Trump, Putin, die EU, China, Brasilien und die anderen.

(sda/jfr)