Vor zwei Jahren präsentierte das Kunsthaus Zürich unter dem Titel «Im Lichte Hollands» Werke von Pieter Claesz, der die holländische Stillleben-Malerei wie kaum ein anderer geprägt hat. Sozusagen als Fortsetzung sind nun in den historischen Sammlungsräumen die besten Werke seines Sohnes, des holländischen Landschaftsmalers Nicolaes Berchem, unter dem Titel «Im Lichte Italiens» zu sehen. Zugleich ist es die erste Retrospektive des (neben Jacob van Ruisdael) bedeutendsten Landschaftsmalers der Blütezeit Hollands. Die Ausstellung mit 45 Gemälden, einem Dutzend Zeichnungen und 20 Radierungen ist in Zusammenarbeit von Konservator Christian Klemm mit dem Frans Hals Museum in Haarlem entstanden.



Künstlerische Begabung geerbt



Nicolaes Berchem (1622–1683), benannt nach der Ortschaft Berchem, aus der sein Vater Pieter Claesz stammte, stand in seiner Meisterschaft seinem Vater in nichts nach. Von ihm hat er wohl einerseits die aussergewöhnliche Begabung zur künstlerischen Gestaltung geerbt und andererseits die Grundprinzipien des Malerhandwerks gelernt. Doch unterschiedlicher könnte das Werk von Vater und Sohn nicht sein: Statt sich wie sein Vater sorgfältig gruppierten Weingläsern, Silberbechern, Zinntellern und ihren Reflexen zu widmen, malte Berchem im oft dunstigen, wolkenverhangenen Holland ferne, nie gesehene Ideallandschaften, die eher in Italien anzusiedeln sind: Der strahlendblaue Himmel, die goldene Sonne, liebliche Hügel (im Gegensatz zur gänzlich flachen Region, aus welcher der Künstler stammte) lassen den Eindruck einer vollkommenen Natur aufkommen.

Fantasie allein reicht jedoch nicht aus, um Gemälde zu schaffen, die den Betrachter in eine ideale Landschaft entführen. Inspiration für seine Fantasielandschaften fand Berchem in der Hirtenwelt des Alten Testaments, die den Holländern vertrauter war als das Arkadien der antiken und zeitgenössischen Poeten. In seinen religiösen und mythologischen Gemälden lernte Berchem, ausdrucksvolle Figurengruppen zu gestalten, welche er schliesslich auch in die Staffage seiner pastoralen Bilder einbrachte: Als Hirten und Reisende, die zusammen mit lebendig komponierten Tieren eine liebliche Landschaft bevölkern.

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Anleihen bei Malerkollegen



Obwohl das Thema der weltlichen Idylle im Zentrum seines Lebenswerks stand, schuf der Künstler ein äusserst vielseitiges Œuvre. Das beweisen seine zahlreichen religiösen, mythologischen und allegorischen Darstellungen, die mediterranen Häfen, seine Winter- und Nachtbilder. Wie auch Rubens war Berchem ein Meister darin, sich traditionelle Elemente und Erfindungen von Malerkollegen anzueignen und weiterzuentwickeln. Sein Talent lag weniger in der Innovation als in der vollendeten Gestaltung. Als er seine Karriere begann, hatte die erste Generation der holländischen Landschaftsmaler die tonale Vereinheitlichung des Raumes in schlichten und natürlich wirkenden Kompositionen erreicht. Doch diese rasch und flüssig gemalten Flussufer und Lichtungen erhielten ihre schwebende Stimmung durch den Verzicht auf klare Farben, auf Sonnenlicht und Plastizität. Berchem lernte jedoch die wärmere Atmosphäre und dichtere malerische Behandlung kennen, wie sie kurz zuvor Claude Lorrain und seine Kollegen in Rom entwickelt hatten. Die panoramahaften weiten Blicke und die energische Lichtführung sind Neuheiten, die er seinem Malerkollegen Jan Asselijn verdankt, der 1647 aus Südeuropa nach Amsterdam kam.

Reine Fantasiekompositionen



Am deutlichsten entfaltet sich Berchems Gestaltungskraft in seinen späten Hafenbildern, ein seit Jan Brueghel beliebtes Thema in Holland. Es sind reine Fantasiekompositionen – sogenannte Capricci – in denen sich märchenhafte Orientalen, theatralisch aufgemachte Spielleute und modisch gekleidete Damen und Kavaliere vor einer mediterranen Kulisse ein höchst unwirkliches Stelldichein geben. Das Traumland Arkadien wird dadurch quasi in eine modernere Zeit verlegt. Dadurch lieferte Berchem eine der wichtigsten Vorstufen für die Fêtes-galantes und Tête-à-têtes des französischen Rokokos bei Watteau und Boucher. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde Berchem als tonangebender Künstler im 18. Jh. von allen holländischen Malern am meisten geschätzt. Im 19 Jh. geriet seine Kunst jedoch in Misskredit, da sie nicht mehr der damals vorherrschenden patriotischen Vorstellung der holländischen Schule entsprach. Es fehle ihr an «vérité», lautete das (Vor-)Urteil, das sich erstaunlich hartnäckig hielt. Die jetzige Ausstellung hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, den Besuchern die Bedeutung von Berchems Kunst und die Schönheit seiner Malerei erneut vor Augen zu führen.

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Kunsthaus Zürich, bis 19.8.2007.