September 2003, Schweizer Botschaft, Berlin: Vier Dutzend Topbanker von Schweizer Geldhäusern haben sich zum Ende ihres Deutschlandausflugs zu einem Apéro beim Botschafter eingefunden. Die Stimmung ist gedrückt. Die Gespräche drehen sich um ein Thema: Deutschlands endlose Bemühungen, den Finanzmarkt gegen die drückende ausländische Konkurrenz abzuschotten. Einer der Gäste berichtet, das Bundesfinanzministerium arbeite an einem Gesetz, das es den Schweizer Banken untersage, ihre Kunden in Deutschland zu betreuen. Ein anderer will gehört haben, lediglich die Akquisition von Neukunden werde ver-boten. Die Gerüchteküche brodelt, niemand weiss etwas Genaues.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Da setzt André Schaller, Wirtschaftsrat der Schweizer Botschaft, der Aufregung ein Ende: «Meine Herren, wir haben mehrmals bei den deutschen Behörden interveniert und bekamen die Zusage, dass es zu keinen Restriktionen kommen wird.» Sofort ist die Stimmung gelöst, alles applaudiert, man wendet sich wieder dem Champagner und den Häppchen zu.

Kurz darauf klinkt sich im Arbeitszimmer der Botschaft einer der Bankiers ins Internet ein, um auf der Homepage der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) einen kurzen Blick auf die aktuellen Meldungen zu werfen. Je mehr sich der Zürcher in ein just aufgeschaltetes Merkblatt vertieft, desto länger wird sein Gesicht. Nachdem er sich wieder gefasst hat, kehrt er zu den anderen zurück. Seine Erläuterungen zum eben Gelesenen lassen die Emotionen erneut hochgehen. Denn gemäss diesem Merkblatt ist es Schweizer Banken ab sofort verboten, von der Schweiz aus in Deutschland Kunden zu akquirieren, dort Offshore-Finanzgeschäfte zu betreiben, Roadshows zu veranstalten und anderes mehr (siehe «Höhere Barrieren»). Die Empörung schlägt hohe Wogen; schliesslich ist Deutschland für die Schweizer Finanzbranche der wichtigste Markt. Laut Schätzungen der Branche schlummert deutsches Privatvermögen von 400 Milliarden Euro auf ausländischen Konten, davon ein guter Teil bei Schweizer Geldhäusern.

Wenige Wochen später hat sich die Aufregung gelegt. Nicht zuletzt eine Folge davon, dass kaum ein Bankier das fast kryptisch verfasste Merkblatt versteht. Sogar Juristen liegen sich darüber in den Haaren, was denn das komplizierte Regelwerk tatsächlich für Folgen nach sich ziehe. So liess sich die Basler Kantonalbank (BKB) von deutschen Anwälten ein Gutachten erstellen. Aus diesem Papier schliesst BKB-CEO Werner Sigg, dass «unsere Tätigkeit in keinerlei Art und Weise behindert wird». Andere Institute ignorieren das unliebsame Thema und setzen auf den Faktor Zeit. «Wir beobachten zuerst die Entwicklungen in Deutschland und werden dann reagieren», heisst es bei der Bank Sarasin.

Auch bei den Grossbanken hat man die Mitarbeiter bislang nicht zu mehr Vorsicht im Deutschlandgeschäft angehalten. Die UBS-Verantwortlichen gehen davon aus, dass sich ihre Angestellten beim Verteilen von Werbeunterlagen und beim Durchführen von Veranstaltungen «im gültigen rechtlichen Rahmen bewegen». Die Branche ist krampfhaft darum bemüht, die Problematik unter dem Deckel zu halten und ja nicht die deutsche Seite zu verärgern. Viel lieber hofft man auf einen glimpflichen Ausgang, im Geheimen gar auf einen Rückzieher Deutschlands.

Das ist Wunschdenken. Zwar begründet die BaFin ihre harte Gangart damit, «Lücken im Anlegerschutz zu schliessen». Fraglos ein hochlöbliches Anliegen. Nur geht es der allmächtigen Aufsichtsbehörde um weit mehr; sie will die in Deutschland aktiven Finanzunternehmen aus Drittländern nun ebenfalls ihrer Aufsicht unterstellen. Dies ärgert vor allem schweizerische Bankkreise. Denn damit signalisiert der Nachbar, die Schweizer Bankenaufsicht sei ungenügend. «Unser Finanzplatz wird diskriminiert. Schweizer Banken sind mindestens so gut reguliert wie deutsche Institute», ärgert sich Hanspeter Hess, Pressesprecher vom Verband Schweizerischer Kantonalbanken. Auch Bundespräsident Joseph Deiss, der in dieser Sache bei seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Clement vorstellig wurde, betont die «Gleichwertigkeit der Aufsicht in Deutschland und in der Schweiz» (siehe Interview).

Joseph Deiss, Bundespräsident und Volkswirtschaftsminister
«Der Marktzutritt könnte beeinträchtigt werden»


Bundespräsident und Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss über die Verschärfung der deutschen Bestimmungen bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen.


BILANZ: Herr Bundespräsident, wie weit sind Sie respektive das Volkswirtschaftsdepartement in die neue Regelung für grenzüberschreitende Finanzgeschäfte involviert?


Joseph Deiss: Das Thema wurde anlässlich des letzten Dreiländertreffens der Wirtschaftsminister aus Deutschland, Österreich und der Schweiz im Oktober 2003 zwischen mir und dem deutschen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement angesprochen. Die Federführung für das Dossier liegt grundsätzlich beim Finanzdepartement, dem die Aufsicht über die schweizerischen Finanzdienstleister zukommt. Die diversen betroffenen Departemente und Dienststellen des Bundes koordinieren sich aber über die Vornahme allfälliger Schritte.


Auf welcher Stufe läuft das Lobbying?


Lobbying betreibt der Bund nicht. Es geht für uns primär darum, Informationen über die genaueren Modalitäten einer solchen Regelung zu erhalten. Die Anwendbarkeit respektive Auswirkungen dieser deutschen Massnahmen auf die Schweiz sind noch unklar. Sie können jedoch potenziell die Dienstleistungserbringung und somit den Marktzutritt aus der Schweiz nach Deutschland beeinträchtigen.


Wurden der Schweiz von deutscher Seite Zusagen gemacht, wonach unser Land einen Ausnahmestatus erhält?


Gespräche der Bundesbehörden mit den zuständigen deutschen Behörden sind im Gang. Das weitere Vorgehen wird vom Ausgang dieser Gespräche sowie von weiteren Abklärungen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der deutschen Praxisänderung abhängen. Im Allgemeinen wird von deutscher Seite angeführt, dass die geplanten Massnahmen sich nicht gegen die Schweiz richten, sondern der Tätigkeit unseriöser Operateure von Offshore-Finanzplätzen entgegenwirken sollen, zu denen die Schweiz nicht gehört.


Als wie gerechtfertigt erachten Sie die Verschärfung der Regelung?


Deutschland begründet die geänderte Praxis mit dem Anlegerschutz und damit, dass Bank- und Finanzinstitute ausserhalb des EWR, die ihre Dienste über Internet oder Telefon anbieten, faktisch in ihrem Heimatstaat keiner Aufsicht unterliegen. Jedem Staat steht es grundsätzlich frei, die Konsumenten auf seinem Territorium gegen unlautere Finanzdienstleistungsanbieter sowohl aus dem In- wie auch aus dem Ausland zu schützen.


Ist das Aufsichtswesen in der Schweiz derart schlecht, dass Deutschland eine Verschärfung verlangen kann für Schweizer Institute, die dort sind?


Die Schweiz hat eine gut funktionierende und international anerkannte Finanzplatzregulierung und -aufsicht. Die Schweizer Regeln entsprechen den hohen internationalen Standards. Als Mitglied des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht und anderer internationaler Gremien gestaltet die Schweiz diese Standards aktiv mit. Ein allfälliger Vergleich mit Offshore-Standorten wäre deshalb verfehlt. Entsprechend ist unseres Erachtens von der Gleichwertigkeit der Aufsicht in Deutschland und in der Schweiz auszugehen.

Schweizer Institute werden im deutschen Wettbewerb also bewusst behindert. Mit einem Ziel, wie man in der Branche überzeugt ist: das Schweizer Bankgeheimnis endlich zu knacken. In Deutschland jedenfalls wird das eigene Bankgeheimnis laufend ausgehöhlt. So wurde 2003 ein Gesetz durchgeboxt, wonach der Staat direkten Zugriff auf gewisse Informationen bei deutschen Banken hat. Nun fallen auch in Deutschland tätige Schweizer Institute unter dieses Gesetz. Zwar können die Behörden bislang «nur» auf die Kontonummer und den Verfügungsberechtigten zugreifen. Doch bei einer Ermittlung, beispielsweise bei Verdacht auf Steuerbetrug, müssen Schweizer Banken mehr Informationen offen legen als bisher.

Ebenfalls der Fiskus zieht stattliche Vorteile aus der Verschärfung der Regeln. Da alle Bankgeschäfte künftig in deutschen Filialen verbucht werden müssen, fallen dort auch die Erträge an und nicht mehr primär am Hauptsitz der ausländischen Institute. Die öffentliche Hand freuts, kann sie dadurch doch zusätzliche Steuermillionen einstreichen. Als Nebeneffekt erhofft sich das Finanzministerium von der totalen Kontrolle ausländischer Banken durch die deutsche Aufsicht eine abschreckende Wirkung auf die Kapitalflucht.

Auch der Schutz der eigenen Banken ist mit im Spiel. Jan Marwede, ehemals Geschäftsführer des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland, erinnert sich: «Die Branchenverbände der deutschen Banken machten sich im letzten Jahr stark und argumentierten gegenüber den Behörden, dass es Schweizer Banken in Deutschland genauso schwierig haben sollen, wie es deutsche Banken im Ausland haben.» Sogar das Bundesministerium der Finanzen legt die wahren Beweggründe in einem Papier offen: «Ziel ist es, … den deutschen Kapitalmarkt auch im Verhältnis zu seiner internationalen Konkurrenz zu stärken.»

Einer der wenigen, der die Gefahren der neuen Vorschriften erkannt hat, ist der ehemalige Botschafter Thomas Borer. Lautstark warnt der heutige Wirtschaftsberater und Lobbyist vor der Behäbigkeit heimischer Bankiers und deren aufgesetztem Zweckoptimismus. Bei einem Vortrag im letzten Dezember verteilte er vor 300 Zuhörern kräftig Seitenhiebe gegen die deutschen Behörden – sowie gegen die Vertreter der Schweizer Banken, welche die Entwicklungen in Deutschland gänzlich verschlafen hätten. «Unter dem Vorwand des Anlegerschutzes will Deutschland die Schweiz im Finanzgeschäft auf unfaire Weise behindern. Dieser Kampfansage unseres Nachbarn kann noch weitaus Schlimmeres folgen.» Am Ende seiner Ausführungen klatschten die Zuhörer – mehr aus Freundlichkeit als aus echter Betroffenheit.

Dabei ist Borer gut dokumentiert. Im Sold einer Zürcher Privatbank hat er ein umfangreiches Dossier erstellt über die möglichen Auswirkungen der neuen Regelungen des deutschen BaFin. Zudem erstellte der Ex-Botschafter zwei «Masterpläne für Schweizer Banken». Darin zeigt er minutiös auf, wie über Lobbying die Entscheidungen deutscher Spitzenpolitiker beeinflusst werden können, umfangreiche Namenliste inklusive. Kostenpunkt der Billigvariante: 200 000 Franken. Dennoch stossen seine Lobbyingpläne nicht auf Gegenliebe. Thomas Borer, der auf das eine oder andere Mandat spekuliert hat, bleibt Ersatzspieler im Match gegen die Deutschen.

In der Branche schickt man lieber eigene Spieler in den Angriff: die erste Garde der Eidgenössischen Bankenkommission, der Bankiervereinigung und des Finanz- sowie des Volkswirtschaftsdepartements. Allerorten wird fleissig Zuversicht demonstriert. Gemäss Alexander Karrer, Leiter der Abteilung Internationales bei der Eidgenössischen Finanzverwaltung, haben die Deutschen Gesprächspartner versichert, dass diese Regelung nicht gegen die Schweizer Banken gerichtet sei. Auch Urs Roth, Geschäftsführer der Schweizer Bankiervereinigung, setzt auf gutnachbarschaftliche Beziehungen. Und hat dabei vergessen, dass die Bankiervereinigung mit ihren Interventionsversuchen abgeblitzt war. Tage vor Veröffentlichung des Merkblattes stattete Roth den deutschen Behörden einen Besuch ab. «Wir erhielten eine Zusage, dass gegenüber der Schweiz eine Ausnahme gemacht wird.» Bei den deutschen Behörden allerdings weiss niemand von diesem Freibrief. «Eine pauschale Ausnahmeregelung für einen Staat haben wir nie zugesagt, ja diese wäre gar nicht möglich», so Oliver Struck, Pressesprecher beim BaFin.

Unter den Bankiers gibt es jedoch auch einige, die den Ernst der Lage erkannt haben. «Wie bei den Flugverkehrsverhandlungen mit Deutschland ist auch hier für uns der Worst Case eingetroffen», so Niklaus Siegrist, Geschäftsleitungsmitglied der AIG Private Bank. Gerade für dieses Geldhaus bedeutet das Verbot, von der Schweiz aus mit deutschen Vermittlern zusammenzuarbeiten, eine arge Behinderung. Denn die AIG verkauft seit 15 Jahren in Deutschland ihre Fonds und Sparpläne über 120 Vermittlerorganisationen und Strukturvertriebe. Mittlerweile verwalten die Zürcher 800 Millionen Franken Vermögen deutscher Kunden. 300 Konten werden jeden Monat im Durchschnitt eröffnet, in Spitzenzeiten sogar 1300. «Wenn wir diese Vorgaben so tolerieren, werden wir Ertragsausfälle haben», folgert Siegrist.

Auch bei der Basler Privatbank Baumann spricht man Klartext: «Dass wir als grenznahe Bank nicht mehr mit deutschen Vermögensverwaltern zusammenarbeiten dürfen, sehen wir als protektionistische Massnahme unserer nördlichen Nachbarn an», so Geschäftsführer Matthias Preiswerk. Hans Fischer, Leiter Private Banking der Zürcher Kantonalbank, doppelt nach: «Mittelfristig wird uns dadurch das Geschäft enorm erschwert. Diese Regelungen sind wettbewerbsbehindernd, unfair und unverhältnismässig. Sie sollen wohl primär dazu dienen, die ungeliebte Konkurrenz aus dem deutschen Markt zu werfen.»

Die Neuregelung des BaFin trifft nicht nur Schweizer Finanzinstitute, sondern auch die Schweizer Töchter von deutschen Banken. «Wir haben zwar eine deutsche Muttergesellschaft, werden in Deutschland allerdings als Schweizer Bank behandelt», meint denn auch Herbert Mattle, Geschäftsführer der Deka (Swiss) Privatbank in Zürich. Ein Umstand, der zu einer absurden Situation führt: Wer als deutsche Bank von der Schweiz aus weiterhin Kunden jenseits des Rheins aktiv betreuen will, müsste demnach in seinem Mutterland eine Niederlassung eröffnen. Dominique Franz, der Pressesprecher der Dresdner Bank (Schweiz): «Das macht für uns doch keinen Sinn. Sonst würden wir ja unser Mutterhaus in Deutschland konkurrenzieren.»

Die BaFin-Bestimmungen
Höhere Barrieren


Die deutsche Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat im September 2003 in einem Merkblatt die Regeln bei grenzüberschreitenden Bankgeschäften und Finanzdienstleistungen deutlich verschärft. Neu benötigen Banken und Finanzdienstleister aus Drittstaaten – damit sind Länder ausserhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes gemeint, also auch die Schweiz – für Geschäfte in Deutschland eine so genannte Erlaubnispflicht. Diese Bewilligung erhält jedoch nur, wer seine Dienstleistungen im Land über eine Zweigstelle oder Niederlassung erbringt, also die Geschäfte in der deutschen Filiale verbucht.


Grössere Schweizer Banken sind zwar in Deutschland traditionell mit Tochterfirmen vertreten; dennoch werden sie von der neuen Regelung stark tangiert. Beim Private Banking, der Paradedisziplin helvetischer Geldhäuser, werden deutsche Kunden seit Jahrzehnten aus der Schweiz heraus betreut, doch diese Offshore-Geschäfte sind nun verboten. Finanzinstitute dürfen künftig von der Schweiz aus nicht einmal mehr im Nachbarland Kunden akquirieren, Roadshows veranstalten oder nur schon simple Präsentationen machen. Sogar wenn potenzielle deutsche Kunden aus dem Ausland über den Postweg, mittels Fax oder E-Mail angesprochen werden, spricht die BaFin von einer Erlaubnispflicht. Praktisch verunmöglicht sind damit Internet- und Telefon-Banking, falls der Anbieter diese Aktivitäten nicht von einer Zweigstelle in Deutschland aus steuert. Eine Bewilligung benötigen überdies die Schweizer Tochtergesellschaften von deutschen Banken.


Keine Erlaubnispflicht besteht dagegen, wenn deutsche Kunden aus eigener Initiative die Dienste ausländischer Anbieter nachfragen; das nennt sich passive Dienstleistungsfreiheit. Auch können sich Anbieter aus Nicht-EWR-Staaten für Interbankengeschäfte und Geschäfte mit institutionellen Anlegern unter gewissen Umständen von der Erlaubnispflicht freistellen lassen. Nur: Wie solche Umstände beschaffen sein müssen, darüber zerbrechen sich Bankjuristen den Kopf.

Den deutschen Banken in der Schweiz bleibt nichts anderes übrig, als beim BaFin eine so genannte Freistellung zu beantragen. Wie gross die Chancen für eine Bewilligung sind, auch ohne Niederlassung in Deutschland dort weiterhin Privatkunden zu akquirieren, wagt niemand laut zu sagen. Wie man auch sonst bei den Auslandbanken darauf erpicht ist, ja nicht zu kräftig auf den Putz zu hauen. «Wir wollen nicht noch in ein Wespennest stechen und möglicherweise die deutsche Aufsichtsbehörde unnötig auf uns aufmerksam machen», begründet ein Bankier eines der führenden deutschen Finanzinstitute in der Schweiz die branchenweite Zugeknöpftheit. Erst wem Anonymität zugesichert wird, lässt seinem Unmut freien Lauf, spricht von Schikane, Abschottung, Vetternwirtschaft.

Verstimmung lösen die Weisungen des BaFin auch in anderen Zweigen der Finanzwirtschaft aus, so bei den Vermögensverwaltern. Denn diese unterliegen im deutschen Markt denselben Regeln wie die Banken. Für Jean-Pierre Zuber, Präsident des Verbands Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV), ist dies nicht nachvollziehbar. Schliesslich verfügten die Schweizer Vermögensverwalter über «eines der besten Regulationssysteme in ganz Europa». Doch darum gehe es den Deutschen ja gar nicht, argwöhnt Zuber: «Das BaFin bezweckt nichts anderes, als das zu Schweizer Vermögensverwaltern abgewanderte Geschäft wieder nach Deutschland zurückzuholen. Das ist die Realität.»

Die Realität für die Vermögensverwalter selbst ist, dass sich jene mit einem umfangreichen deutschen Kundenstamm bald einmal eine Lösung einfallen lassen müssen, wollen sie ihre Klientel weiterhin vor Ort betreuen. Allerdings sind gerade kleinere Vermögens- verwalter mit dem komplexen Merkblatt rasch überfordert. Also wird zugewartet. So auch bei der Milesi Asset Management aus Basel. Gegenwärtig würden alle Möglichkeiten abgeklärt, heisst es zwar. Doch nach einiger Zeit meint Dominik Caviezel, einer von drei Milesi-Beschäftigten, etwas resigniert: «Auch die anderen in der Branche wissen nicht, wie es weitergeht.»

Jörg Alfons Rudolf von der Firma Rhein Investors dagegen kann sich solches Zuwarten nicht leisten. Denn jeder zweite Kunde des Basler Zehnmannbetriebs besitzt einen Pass mit goldenem Adler. Bereits vor einigen Monaten wurde einer deutschen Bank ein entsprechender Auftrag erteilt; die Präsentation der Lösung sollte in den nächsten Wochen erfolgen. Für die neuen Regelungen des BaFin hat der Basler klare Worte: «Diese Massnahmen tragen unverkennbar protektionistische Züge, ja sind letztendlich nichts als Schikane.»

Wie es in Deutschland nun regulatorisch weitergehen soll, weiss niemand. Allerdings lassen sich solch einschneidende Massnahmen wie jene des BaFin nicht einfach in einem Merkblatt festlegen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden diese Regeln in ein neues Kreditwesengesetz eingebettet. Juristen gehen davon aus, dass dies innerhalb der nächsten zwei Jahre passieren wird. Der Schweiz verbleibt also nur wenig Zeit, ihren Einfluss doch noch geltend zu machen, «falls nötig mit Druck», wie ein Politiker rät. «Eine Möglichkeit ist, das Zinsbesteuerungsabkommen nicht zu unterschreiben.» Freiwillig jedenfalls wird unser Nachbar das Regelwerk nicht lockern.

Wie rigoros ein allfälliges Gesetz ausfallen wird, hängt nicht zuletzt vom Ausgang der deutschen Steueramnestie ab. Laut dem Beschluss der Bundesregierung bleiben Steuersünder straffrei, wenn sie bis Ende März 2005 ihr Kapital nach Deutschland zurückholen und die Fluchtgelder nachträglich beim Fiskus deklarieren. Die Bundesregierung hoffte ursprünglich auf einen Kapitalrückfluss von 100 Milliarden Euro, inzwischen ist die Zuversicht auf 20 Milliarden geschmolzen.

Experten allerdings prognostizieren der Steueramnestie wenig Erfolg. Damit würden die Hardliner, die für einen totalen Schutz des eigenen Finanzmarktes eintreten, Auftrieb erhalten. Die Schweiz gehört also so oder so zu den Verlierern: Wird die Steueramnestie zum Erfolg, fliessen zig Milliarden an Schwarzgeld aus Schweizer Banktresoren ab. Floppt die Amnestie, wählt Deutschland in Sachen Finanzmarkt die harten Bandagen, was schweizerischen Finanzhäusern Kopfschmerzen verursachen wird.