Auf dem Podium beisst sich Thomas Meyer tapfer durch. Das Wort «Profitabilität» geht ihm nur stockend über die Lippen. Immer wieder ringt der frischgebackene ETH-Absolvent nach Worten. «Ich weiss gar nicht, ob wir das zeigen sollen», sagt er und blickt verstohlen in die Runde. Derweil fiebert sein Team, bestehend aus drei Studenten und einer Studentin, vom Rand der Bühne aus mit.

 
Zwei zu eins für die ETH
Bei der «Battle of the Brains» messen sich je zwei Studententeams der ETH Zürich und der Universität St. Gallen (HSG). Eine Jury, bestehend aus Wirtschaftsführern, beurteilt, wie gut die Teams eine Fallstudie der Harvard Business School innerhalb von 24 Stunden gelöst und anschliessend präsentiert haben. Organisiert wird der Anlass vom Beratungsunternehmen Monitor in Kooperation mit BILANZ. Anfang Juni fand der Anlass bereits zum dritten Mal und wiederum in Ebnat-Kappel statt. Nach den nunmehr drei Durchgängen führt die ETH gegen die HSG mit zwei zu eins.

Vor einem so hochkarätigen Publikum können selbst arrivierte Manager kaum je auftreten. Peter Merian (Bank Sarasin), Herbert Scheidt (Vontobel) oder Jürg Bucher (PostFinance) sind nur drei der CEOs aus der insgesamt zehnköpfigen Jury. Sie entscheiden darüber, wer den Wettkampf «Battle of the Brains» gewinnt, also eine Fallstudie der Harvard Business School innerhalb von 24 Stunden am besten gelöst hat. Je zwei Studententeams der ETH Zürich und der Universität St. Gallen (HSG) stehen im Ring. Die Aufgabe: Für einen amerikanischen Wertpapier-Broker war eine Vertriebsstrategie aufzubauen.

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Nach der Präsentation der erarbeiteten Lösung wird jede Gruppe von der Jury mit kritischen Fragen geprüft. Dabei kommt Thomas Meyer mehrmals ins Rotieren: «Nein, wie schnell wir die Massnahmen implementieren würden, haben wir nicht angeschaut», muss er auf eine entsprechende Frage von Hanspeter Quadri, dem Chef der Swisscom-Division Enterprise Solutions, zugeben. Dass er so hart in die Mangel genommen würde, habe er nicht erwartet, gibt Informatik-Absolvent Meyer nach überstandenem Vortrag zu. «Gleichzeitig hat mich beeindruckt, wie die Konzernchefs jedes Detail unserer Präsentation messerscharf analysiert haben.»

Zur Bestimmung des Siegerteams zieht sich die Jury zurück. Minutiös werden Plus- und Minuspunkte jeder Präsentation aufgelistet und intensiv diskutiert. Gefragt bei den Topmanagern sind nicht brillante Visionen. Gute Noten erhält stattdessen, wer eine klare und nüchterne Analyse abgeliefert hat. Pierin Vincenz, CEO der Raiffeisen-Gruppe, sagt: «Hier zeigt sich, wie weit die Studenten gelernt haben, unternehmerisch zu denken.»

 
Die Veranstalter
Das Beratungsunternehmen Monitor ist aus der Harvard Business School entstanden. Der Mitbegründer und weltbekannte Strategieprofessor Michael Porter ist noch heute aktiver Partner. Das Unternehmen hat sich vor allem in der Strategieberatung einen Namen gemacht und beschäftigt über tausend Berater in 25 verschiedenen Filialen auf der ganzen Welt. Seit sieben Jahren ist Monitor auch in Zürich stationiert. Informationen unter www.monitor.com (Tel. 01 389 71 11).

In den Augen der Jury hat das Team ETH 1 mit seinem Referenten Thomas Meyer die Anforderungen am besten erfüllt. Zwar wirkte dessen Präsentation unprätentiös. Doch gerade dieser ehrliche, bescheidene Auftritt – Unsicherheiten wurden nicht kaschiert – findet in der Jury Anklang. Vontobel-Chef Herbert Scheidt lobt: «Die Gruppe hat die kreativste Lösung erarbeitet und diese zudem mit konsistenten Zahlen untermauert.»

Das Ziel der «Battle of the Brains» ist es, den Studenten einen möglichst realistischen Einblick in die Praxis der Unternehmensberatung zu geben. Carsten Henkel, Organisator der Veranstaltung und Schweiz-Chef der internationalen Strategieberatung Monitor Group, erklärt: «Führen heisst, sich für eine bestimmte Richtung zu entscheiden.» Oder, wie es der Monitor-Mitbegründer und Harvard-Professor Michael Porter einst formulierte: «Strategy is about choices» («Strategie beinhaltet, eine Wahl zu treffen»).

Das Echo der Studenten auf die Veranstaltung fällt sehr positiv aus: «Ich habe selten in so kurzer Zeit so viel gelernt», sagt der angehende Ökonom Alexander Alscher vom Team HSG 1.

Nach der dritten Auflage dieses von der Monitor Group in Kooperation mit der BILANZ durchgeführten Wettkampfs der Hirne liegt die ETH Zürich mit zwei zu eins in Führung. Beim ersten Anlass 2002 gewann die HSG, worauf die ETH im letzten Jahr ausglich und nun erstmals in Führung gegangen ist. «Die Studenten der ETH haben ihre Stärken eher in der Analyse», so Henkel, «umgekehrt bringen diejenigen von der HSG oft das bessere konzeptionelle Verständnis mit.»

Beim Lösen der Fallstudie lernen die Teilnehmer zusätzlich, unter Zeitdruck im Team zusammenzuarbeiten – eine Kompetenz, die sie an den Hochschulen kaum je trainieren können. Vor allem jedoch bietet die Veranstaltung den Studenten die erstklassige Chance, direkt mit den CEOs ins Gespräch zu kommen. «Das Aufspüren von jungen, engagierten Talenten halte ich für eine meiner wichtigsten Aufgaben», erklärt Raiffeisen-Banker Pierin Vincenz. Entsprechend werden nach der Preisverleihung fleissig Visitenkarten ausgetauscht.

Auf welche Eigenschaften achten die Topmanager bei der Personalwahl? Vontobel-CEO Scheidt erwartet ein hohes Engagement sowie charakterliche Standfestigkeit: «Neben dem fachlichen Wissen lege ich Wert auf Offenheit, Ehrlichkeit und das, was man im weitesten Sinn als Commonsense bezeichnet.» Hanspeter Quadri von der Swisscom nennt die Teamfähigkeit und den unternehmerischen Spirit als wichtige Voraussetzungen: «Eigenständige Köpfe sind mir lieber als pflegeleichte Ja-Sager.» Monitor-Chef Henkel bestätigt: «Die meisten Führungskräfte bevorzugen Mitarbeiter, die den Mut haben, einen eigenen Standpunkt zu vertreten.» Genauso sei es seine wichtigste Aufgabe als Unternehmensberater, dem Auftraggeber als Sparringpartner zu dienen und seine Strategie kritisch zu hinterfragen.

Diesem Profil entspricht Thomas Meyer, der Referent des Siegerteams ETH 1, noch viel stärker, als sich dies allein auf Grund der Fallstudien-Präsentation vermuten liesse. Im anschliessenden Gespräch mit den Jurymitgliedern erzählt er nämlich, dass er bereits eine eigene Firma mit dem Namen Lift.tv gegründet hat. Zusammen mit einem Partner plant Meyer die Realisierung eines Touchscreens für Information und Werbung, der in Transportmitteln installiert werden soll. Im Rahmen eines Studienprojekts konnte Meyer im letzten Dezember zwei Aufzüge in einem Geschäftsgebäude in der chinesischen Stadt Nanjing mit dem Display bestücken. Der Versuch war ein Erfolg, nun laufen Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten.

Neben Thomas Meyer und seinem Team sollten auch die andern Gruppen bei der «Battle of the Brains» als Gewinner aus der Arena steigen können. Deshalb haben die Organisatoren für die vier Gruppen vier verschiedene Preise vorgesehen: neben dem Gesamtpreis (ETH 1) die Preise für die beste Präsentation (ETH 2), das beste Teamwork (HSG 2) sowie die kreativste Lösung. Doch plötzlich steht die Jury vor einem Dilemma: Da sie diesen vierten Preis für die kreativste Lösung ebenfalls an das Team ETH 1 vergeben will, müsste HSG 1 leer ausgehen. Spontan erklärt sich deshalb in der Jury Raiffeisen-Chef und HSG-Absolvent Vincenz bereit, einen zusätzlichen Preis – den Junior-Preis – zu stiften. Tatsächlich sind die Teilnehmer von HSG 1 im Schnitt deutlich jünger als bei den übrigen Gruppen. Wie die übrigen vier, von den Jurymitgliedern gesponserten Preise ist auch der Junior-Preis grosszügig dotiert. So zaubert Vincenz für die fünf Mitglieder des Teams HSG 1 kurzerhand Fonds-Anteile im Wert von je 400 Franken aus dem Hut.