Die Wirtschaftszahlen würden deutlich zeigen, dass die Schweiz bisher enorm profitiert habe, sagte Karrer am Dienstag an der Mitgliederversammlung der Handelskammer Deutschland-Schweiz in Zürich. 56 Prozent der Schweizer Exporte gingen in die EU, 75 Prozent der Schweizer Importe stammten aus der EU. «Wir haben eine Million Grenzübertritte jeden Tag. Bayern hat für uns die Bedeutung wie Amerika und wie Japan, Baden-Württemberg wie Amerika.» Der Binnenmarkt der EU sei wirtschaftlich enorm wichtig für die Schweiz, sagte Karrer: «Die EU hat für uns schon geographisch, kulturell und geschichtlich eine ganz andere Bedeutung als Asien oder Amerika.»

Bilateraler Weg notwendig

Karrer plädierte weiterhin für den bilateralen Weg der Schweiz. «Aber der hat die ganz grosse Schwierigkeit durch das Ritzen der Personenfreizügigkeit» nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar. Es stelle sich die Frage, ob es eine Brücke zur EU gebe, beispielsweise mit Ventilklauseln oder Schutzklauseln eine Lösung zu finden, zu der auch die EU ja sagen könnte.

Jetzt gehe es darum, die Masseneinwanderungsinitiative adäquat umzusetzen, sagte Karrer. Adäquat heisse, im Interesse der Gesamtwirtschaft und der Regionen der Schweiz. «Wir sind für eine Aufnahme von Gesprächen mit der EU über alle Themen. Das gegenseitige Interesse ist sehr hoch, dass man nach Lösungen sucht», sagte Karrer. Er befürworte die jüngst begonnen Verhandlungen der Schweiz über ein Rahmenabkommen mit der EU.

Handelskammer besorgt

Der Präsident der Handelskammer Deutschland-Schweiz, Eric Sarasin, sagte: «Ich bin sehr besorgt über das Abstimmungsergebnis vom 9. Februar. Es steht die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU und damit der gesamten bilateralen Abkommen 1 im Raum.» Im Kontakt mit den Unternehmen spüre die Handelskammer, dass die Verunsicherung bei deutschen und schweizerischen Firmen gross sei, welche Regeln und welches Integrationsniveau zwischen der Schweiz und der EU zu erwarten seien.

Es gebe Befürchtungen über Personalknappheit. Die Rekrutierungsmöglichkeit im Ausland sei bisher einer der grossen Standortvorteile der Schweiz gewesen. Auch Fragen über die Zukunft des offenen Marktzugangs würden die Unternehmen stellen. Diese Phase der Unsicherheit habe Auswirkungen auf Investitionen der Unternehmen in der Schweiz, sagte Sarasin.

Es steht viel auf dem Spiel

«Es steht viel auf dem Spiel für Deutschland und die Schweiz.» Hier arbeiteten zwei der wettbewerbsfähigsten Volkswirtschaften der Welt tagtäglich eng zusammen. «Der ungehinderte gegenseitige Zugang zu den Märkten sowie der reibungslose Austausch von Gütern, Arbeitskräften und Kapital muss auch in Zukunft unbedingt gesichert bleiben, wenn wir diese Positionen halten wollen», sagte Sarasin. Es bleibe zu hoffen, dass bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative eine wirtschaftsfreundliche Lösung für beide Seiten, die Schweiz und die EU, gefunden werde. «Es ist nicht im Interesse beider Seiten, auf das Integrationsniveau von 1999 zurückzukehren», sagte Sarasin. Damals seien die Volkswirtschaften der Schweiz und Deutschlands noch viel weniger eng verflochten gewesen.

(sda/ccr)

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