Mit dem Gotthard-Basistunnel ist das Kernstück der Neat vollendet - damit über sie auch wirklich Waren und Güter schneller von Nord nach Süd transportiert werden können, stehen Deutschland und Italien in den kommenden Jahren noch vor grossen Herausforderungen. Gerade der südliche Nachbar formuliert dabei ehrgeizige Ziele.

Im Bahnverkehr hat sich in Italien in den vergangenen Jahren eine regelrechte «Zweiklassengesellschaft» entwickelt: Fahrgäste der hochmodernen Freccia Rossa Schnellzüge rasen auf speziellen Trassen mit bis zu 300 Stundenkilometern durch das Land.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Zeithorizont 2020

Im Regional- und Güterverkehr gibt es dagegen noch viel zu tun. Dies hat auch Auswirkungen auf den Ausbau des Rhein-Alpen-Korridors, dessen Herzstück der Gotthard-Basistunnel ist. Mit ihm soll der Warentransport zwischen Nordsee und dem Mittelmeer künftig schneller und kostengünstiger ablaufen - Schnittstelle ist dabei die Schweiz.

Bis Ende 2020 sollen die drei grossen italienischen Zufahrtsstrecken zur Neat in der Schweiz vollständig angepasst sein, wie eine Sprecherin des italienischen Verkehrsministeriums mitteilte. Die Arbeiten orientieren sich damit an der für Dezember 2020 geplanten Eröffnung des Ceneri-Basistunnels zwischen Bellinzona und Lugano.

Bis dahin seien auch noch auf Schweizer Seite umfangreiche Arbeiten nötig, so dass der sogenannte «Vier-Meter-Korridor» fertiggestellt werden könne, sagte SBB-Sprecherin Roberta Trevisan auf Anfrage. Dieser sei nötig, damit Sattelauflieger mit Eckhöhe von vier Metern auf die Bahn verladen werden können.

Schweiz griff finanziell unter die Arme

Für die Schweiz von Bedeutung sind dabei die Simplonstrecke von Mailand via Domodossola, der Hauptverbindungsstrang zur Gotthard-Achse von Mailand über Chiasso und die Strecke Novara - Luino, die am Lago Maggiore entlang führt. Für sie hatten die Schweiz und Italien 2014 in Bern vereinbart, dass die Schweiz an ihren südlichen Nachbarn einen A-fonds-perdu-Beitrag von 120 Millionen Euro leistet.

Seien diese Arbeiten erst einmal ausgeführt, dann können laut dem Verkehrsministerium 390 statt wie bislang 290 Züge täglich auf diesen Linien verkehren. Bereits heute werden 65 Prozent des Waren- und Güteraustauschs zwischen der Schweiz und Italien über die Schiene abgewickelt. Im Inland werden diese Anteile noch nicht erreicht - die Regierung Renzi habe sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2021 rund die Hälfte alle Güter über die Schiene transportiert werde, so die Ministeriumssprecherin.

Apennin statt Alpen

Der sogenannte «Terzo Valico» ist eine Grossbaustelle, die für Italien eine ähnlich Bedeutung hat, wie für die Schweiz der Gotthard-Basistunnel. Für insgesamt 6,2 Milliarden Euro wird derzeit ein 37 Kilometer Tunnel durch den nördlichen Apennin gebaut - die Fertigstellung ist für 2021 terminiert.

Damit sollen der Güterverkehr zwischen Mailand und Genua beschleunigt und die Fahrzeiten für Passagiere verkürzt werden - wichtig ist das Projekt ausserdem für die ligurischen Häfen. Andernfalls könnten sie gar gegenüber Häfen wie Antwerpen und Rotterdam ins Hintertreffen zu geraten.

Verzug beim nördlichen Nachbarn

Auf deutscher Seite wird der Ausbau der Neat-Zulaufstrecke noch nahezu zwanzig Jahre dauern. Laut den Projektverantwortlichen der Deutschen Bahn kann der Aus- und Neubau der rund 182 Kilometer langen Rheintalstrecke Karlsruhe-Basel nicht vor 2035 abgeschlossen werden.

Das Milliardenprojekt, zu dessen Realisierung sich Deutschland 1996 in einem Staatsvertrag mit der Schweiz verpflichtet hatte, ist immer wieder in Verzug geraten. Durch Widerstand in der Bevölkerung ebenso wie durch fehlende finanzielle Mittel.

Dennoch herrscht heute beim Bundesamt für Verkehr (BAV) Zuversicht. Grund ist der Beschluss des Deutschen Bundestags im Januar, den Vierspurausbau mitsamt den von der Bevölkerung geforderten Lärmschutz- und Umfahrungslösungen fortzusetzen.

Dieser Entscheid zeigt laut BAV, dass Deutschland seine Verpflichtungen umsetzen wolle. Gleicher Ansicht sind die Projektverantwortlichen der Deutschen Bahn. Es gebe nun keine grossen Probleme mehr, sagte ein Sprecher der DB Netz AG. Die Entscheide seien gefallen und würden von der Region mitgetragen.

Rheintalbahn als wirtschaftliche Lebensader

Ein 3,1 Kilometer langes Teilstück der Rheintalbahn liegt auf Schweizer Territorium. Die Strecke zwischen der Landesgrenze und dem Badischen Bahnhof in Basel soll für 272 Millionen Euro ausgebaut werden. Nötig sind unter anderem drei neue Brücken. Gegen dieses eben erst aufgelegte Projekt sind laut dem BAV 34 Einsprachen eingegangen.

In die Rheintalbahn sollen insgesamt neun Milliarden Euro investiert werden. Sie ist eine der meist befahren Strecken Europas und für den Güterverkehr die Hauptachse zwischen den grossen Containerhäfen im Norden sowie der Schweiz und Italien. Von den 182 Kilometern ist der Ausbau indes bisher erst über Teilstrecken von rund 60 Kilometern realisiert.

Fixe Jahreszahlen für den Vollausbau der Zulaufstrecken gibt es indes laut dem BAV nicht. Vertragsgemäss muss jedoch der Ausbau mit der Verkehrsnachfrage Schritt halten. Das BAV geht davon aus, dass die Kapazitäten auf der Rheintalbahn vorerst ausreichen.

(sda/ccr)