Von der Grossbank bis zur Finanzboutique haben Banken die vermögenden Privatkunden entdeckt. Mit einem Vermögen ab 250000 bis 500000 Fr. gehört man bei zahlreichen Instituten zu den «Affluents» und ab 1 bis 2 Mio Fr. zum Private-Banking-Segment. Allein in der Schweiz gibt es 175000 Vermögensmillionäre, denen persönliche Beratung, bester Service, Sicherheit und Diskretion versprochen werden. Die Kunden haben die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl von Banken oder Vermögensverwaltern, die sie noch so gerne mit offenen Armen empfangen.
Wie Umfragen zeigen, sind die meisten Kunden mit ihrer Bank insgesamt zufrieden. Dennoch drängt sich von Zeit zu Zeit eine Neubeurteilung auf, zum Beispiel wenn man durch eine Erbschaft oder den Bezug von Pensionskassengeldern ins Private-Banking-Segment «aufsteigt», wenn der Betreuer wechselt oder die Qualität der Beratung nicht mehr überzeugt. Dann stellt sich die Frage, wie die neue Bank am besten ausgewählt wird.
Als Erstes empfiehlt sich eine Bestandesaufnahme der Gründe für einen Wechsel. Liegt es an der Bank als Organisation? Ist sie zu gross oder zu klein, zu unpersönlich oder stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht? Liegt es an der Beziehung zu den Beratern, etwa weil sie zu unerfahren wirken, zu wenig aktiv sind oder einfach nicht auf der gleichen Wellenlänge liegen?
Grossbank oder kleiner Vermögensverwalter?
Je nach Schlussfolgerung reicht vielleicht schon die Intervention bei der Bank oder ein Beraterwechsel aus, um die Beziehung zu verbessern. Andernfalls stellt sich je nach neuem Anforderungsprofil die Frage nach dem Wechsel zu einem ähnlichen Bankentyp oder einer anderen Art Bank. Die Wahl des Instituts hängt auch davon ab, welche Vermögenswerte zur Neudisposition stehen. Handelt es sich dabei um das Gesamtvermögen oder soll ein Teil als Diversifikation bei einer Zweit- oder Drittbank angelegt werden?
Im nächsten Schritt werden die Anforderungen an die neue Bank aufgelistet: Die Standortfrage ist als Erstes zu klären. Dass die Vermögensverwaltungsbank gleich um die Ecke liegen muss, ist im Zeitalter von Internet und ausgeklügelter Telekommunikation immer weniger entscheidend.
Alle Private-Banking-Kunden sollten sich im Klaren sein, ob sie eine Dienstleistungspalette benötigen, die über das eigentliche Private Banking hinausgeht. So können Unternehmer bei Grossbanken gleichzeitig komplexe Handelsfinanzierungen abwickeln lassen, Services des Investment Banking in Anspruch nehmen oder kommerzielle Kredite aufnehmen.
Eine globale Präsenz der Bank zahlt sich vor allem für die Kunden aus, die ein internationales Netzwerk auch wirklich in Anspruch nehmen. Grossbanken zeichnen sich dadurch aus, dass sie zu jedem Thema Spezialisten beschäftigen und eigene Produkte in einer grossen Vielfalt anbieten.
Andernfalls sind sie bei einem kleineren oder mittelgrossen Private-Banking-Institut besser aufgehoben, das sich nur auf das Kerngeschäft der Beratung in Vermögens- und Steuerfragen konzentriert und unabhängig vom Anbieter die geeignetsten Produkte auswählt. Der Vorteil kleinerer Banken liegt in der grösseren Unabhängigkeit bei der Produktwahl und der Kontinuität im Kunden-Berater-Verhältnis. Auch die etwas intimere Atmosphäre und die grössere Flexibilität einer Privatbank sind für viele Kunden wichtige Aspekte einer Bankbeziehung.
Damit ist nichts über die Qualität der Dienstleistung gesagt. Offensichtlich sind Privat- wie auch Grossbanken sehr erfolgreich in der Betreuung grosser Privatvermögen. Auch in der Vermögensverwaltung gilt das Gesetz, dass Masse Anziehungskraft ausübt. Denn es kann ja nicht falsch sein, den Marktführer zu wählen, da offensichtlich viele andere auch dieser Meinung sind. Darunter sind vielfach sehr Vermögende, die aus Prinzip nur mit grossen Partnern zusammenarbeiten und auch die gesamte Beratungs- und Dienstleistungspalette beanspruchen. Doch Masse allein bürgt bekanntlich nicht für Qualität.
Wenn der Anforderungskatalog steht, beginnt die Grobselektion. Hier stösst man erfahrungsgemäss erstmals an Grenzen. Wie soll man Unbekanntes beurteilen? Zum Beispiel, indem man eine Zeitlang die Bankwerbung bewusster verfolgt. Welcher Auftritt, welche Botschaften sind ansprechend?
Ein Blick ins Internet unter den Such-Stichworten Privatbank oder Private Banking gibt einen Eindruck vom Marktauftritt verschiedener Banken. Mit einigen Namen verbindet man automatisch positive Werte, von anderen hat man vielleicht noch nie gehört. Börsenkotierte Banken haben erfahrungsgemäss eine höhere Publizität. Über diese Banken wird mehr geschrieben, man kann sich also leichter eine Meinung bilden. Verschiedene Zeitungen veröffentlichen auch Vergleiche über die Qualität der Dienstleistungen verschiedener Banken.
Als Nächstes werden Freunde und Bekannte als «Experten» zugezogen. Interessant sind vor allem Bekannte mit ähnlichen Bedürfnissen, denen man ein gutes Urteilsvermögen attestiert. Sie können wertvolle persönliche Erfahrungen zum Service, der Beratungsqualität und zu den Kosten einer Bank beisteuern. Vielleicht ist jemand bereits Kunde bei einer der Banken auf der Auswahlliste. Empfehlen die Bekannten eine Bank uneingeschränkt weiter oder den eigenen Berater oder beides? Trifft Letzteres zu und passt die Bank ins Anforderungsprofil, kommt sie ebenfalls in die nähere Wahl.
Ab hier steht man als zukünftiger Kunde im Mittelpunkt. Aus der Liste sollten nicht mehr als drei Banken ausgewählt werden, die man persönlich testen will. Sollte darunter nicht die Richtige sein, kann man die Suche immer noch ausweiten. Entweder richtet man sich direkt an eine Ansprechperson, deren Namen man aus dem Freundeskreis kennt, oder man vereinbart telefonisch einen Termin für eine Erstberatung.
Beim ersten Besuch der Bank gilt es, auf den Empfang zu achten. Was strahlt die Bank aus: Gediegene Eleganz, moderne Funktionalität oder jahrhundertealte Tradition? Fühlt man sich wohl, entspricht diese Ambiance dem eigenen Stil, und hat man sich das Institut so vorgestellt? Hat sich eine angenehme Überraschung eingestellt?
Auch der erste Eindruck der Beraterin oder des Beraters ist wichtig: Wenn sie nicht auf Anhieb sympathisch wirken, hat sich die Sache erledigt. Auch die beste Lösung wird hier nicht überzeugen. Auf das Bauchgefühl zu vertrauen, ist nicht die schlechteste Alternative.
Im Gespräch sollten die Berater die Bedürfnisse des Anlegers umfassend abklären: Das berufliche und private Umfeld, Verpflichtungen und Einkommen, die gesamte Vermögens- und Steuersituation, die Vorsorge-, Versicherungs- und Nachlassplanung, die Risikoneigung und -fähigkeit, die Renditevorstellungen und den Anlagehorizont.
Anleger müssen selbstkritisch sein
Alle Kunden sollten sich im Vorfeld auf solche Fragen vorbereiten. Es gilt, selbstkritisch zu sein, besonders bei der Risikoneigung: Viele Anleger überschätzen sich und möchten eigentlich gar keine Verluste riskieren. Wichtig ist die Frage, wie viel eigenes Wissen die Investoren mitbringen und welche Zeit sie für die Vermögensverwaltung aufwenden können und wollen. Je nachdem kann man sich beraten lassen und die Anlageentscheide selbst treffen oder die gesamte Vermögensbewirtschaftung an die Bank delegieren.
Den präsentierten Lösungsvorschlag sollten die Anleger nicht nur verstehen: Er muss auch überzeugen. Die Beratung sollte dem Wissensstand in Anlagefragen entsprechen, und die Unterlagen müssen klar und verständlich sein. Eine gute Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass auch komplexe Zusammenhänge und Prozesse einfach dargestellt werden. Die Kunden sollten auch Unterlagen zur Performance von Musterportfolios und Fonds verlangen, um die Qualität des Asset Management beurteilen zu können. Selbstverständlich sollten sie auch darüber orientiert werden, welche Kosten anfallen und ob sie transparent dargelegt sind.
Regelmässige Kontrolle
Das Vorgehen nach einer Checkliste erleichtert den Vergleich. Eine gute Beraterbank muss 80 bis 100% der Kriterien erfüllen. Entscheidend ist, dass die Beratung insgesamt einen kompetenten Eindruck hinterlässt.
Dies ist ein guter Start. Aber die Vermögensanlage ist kein Sprint, sondern eine Langstreckendisziplin. Vertrauen ist deshalb gut, Kontrolle besser. Ein regelmässiges Reporting und der Online-Zugriff auf die Konten und Depots gehören heute zum Standardservice einer Bank. Mit Vorteil halten die Investoren die Anzahl der Betreuungskontakte pro Jahr schriftlich fest. So bleiben sie ständig auf dem Laufenden, können gegebenenfalls auf Veränderungen reagieren und erleben keine Überraschungen.
Ernst Näf, Mitglied der Geschäftsleitung, Leiter Private Clients, Verwaltungs- und Privatbank Aktiengesellschaft, Vaduz.
Checkliste zur Bankwahl
Anforderungen an die Bank
- Grösse, Typ
- Offene Produktarchitektur
- Dienstleistungspalette
- Internationalität
- Image, Bekanntheit
Referenzen einholen
- Internet
- Empfehlungen von Freunden undBekannten
- Performance von Fonds und Musterportfolios
Persönlicher Eindruck
- Marktauftritt
- Stil der Bank
Beratung
- Beratermandat oder Verwaltungsmandat
- Kompetenz und Erfahrung
- Wellenlänge mit Beratern
- Unterlagen
- Überzeugender Lösungsvorschlag
- Transparente und konkurrenzfähige Kosten