Die Nase immer vorn, flexibel und offen für Neues, lautet das Leitmotiv der Berlinger & Co. AG. Dank Erfindergeist ist es der einstigen Weberei und Färberei gelungen, sich rechtzeitig vom textilen Bereich zu trennen und sich auf neue Geschäftsfelder vorzuwagen. Jüngstes Produkt sind Dopingkontroll-Fläschchen für Urin- und Blutproben von Sportlern. Das von Berlinger entwickelte Dopingkontrollsystem scheint auf den ersten Blick einfach, ist es aber nicht: Flaschen, in welchen Urinproben der Sportlerinnen und Sportler transportiert werden, lassen sich erst wieder in eigens dazu autorisierten Dopinglabors öffnen. Berlinger ist exklusiv für diese Technik zuständig.

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Die Glasflaschen sind mit einem Sicherheitsverschluss ausgestattet, der nur durch die Zerstörung des Deckels wieder zu öffnen ist. «Das Verfahren ist sicher, sauber und einfach durchzuführen», versichert Jürg Berlinger, der zusammen mit seiner Frau das Unternehmen führt. Das Verschluss-System sei so konzipiert, «dass jede Flasche ein Unikat ist, was sich mit dem Kontrollsystem bei Banknoten vergleichen lässt», so Berlinger.

Potenzial dank Urinproben

Jede Flasche wird fortlaufend nummeriert. Dieses Verfahren erlaubt es, den Weg bis ins Labor zu verfolgen. Die Athleten bekommen bei der Abgabe der Urinprobe eine Identifikationsnummer. Diese ist auf dem Urinbehälter und dem Deckel mit modernster Lasertechnik eingraviert. «Die Nummer kann weder abgeschliffen noch auf irgendeine andere Weise entfernt werden, ohne dass diese Manipulation erkenntlich wird», erklärt Liselotte Berlinger das Verfahren.

Sie hat zusammen mit ihrem Mann wesentlich dazu beigetragen, dass aus dem einstigen Textilunternehmen ein Hightech-Betrieb geschaffen wurde, der jetzt international Schlagzeilen macht. Bereits im Vorfeld der Olympischen Spiele vom August 2004 hat Berlinger mehr als 1000 solcher Fläschchen nach Athen geliefert. Mittlerweile trägt dieser Unternehmenszweig 1,7 Mio Fr. zum Gesamtumsatz von rund 9 Mio Fr. bei, aber das könnte sich bald ändern. Auf das künftige Auftragsvolumen angesprochen, sagt Berlinger: «Nachdem wir von sämtlichen nationalen und internationalen Sportorganisationen und der internationalen Anti-Doping-Agentur, der Wada, anerkannt worden sind, gehen wir davon aus, dass sich das Auftragsvolumen in den nächsten Jahren auf rund 120000 Sets pro Jahr einpendeln wird.»

Ein Skandal als Auslöser

Den wichtigsten Grund für den Erfolg des Kontrollsystems sieht Berlinger darin, dass es die Sportorganisationen mittlerweile leid seien, immer wieder mit Dopingskandalen konfrontiert zu werden und deswegen Sponsoren zu verlieren. Die Ausreden, wenn Sportlerinnen und Sportler erwischt wurden, waren immer dieselben: Jemand hat am Fläschchen mit der Urinprobe herumgefummelt. So das Beispiel von Kathrin Krabbe, die wie viele Sportlerinnen und Sportler durch einen Dopingskandal «berühmt» wurde. Der Anwalt der deutschen Sprinterin hat vor laufender Kamera gezeigt, wie leicht sich ein Urinfläschchen öffnen und manipulieren lässt. Dies gab der Firma Berlinger den Anstoss, sich dieses Problems anzunehmen.

Das Ehepaar Berlinger und ihr Cheftechniker, Karl Egli, liessen nicht locker, bis ein Verschluss-System erfunden war, das manipulationssicher ist: Nur spezielle Geräte ermöglichen eine Öffnung. «Allerdings», so Berlinger, «wichtig ist es, dass die Kontrollen bei den Sportlern bereits im Training vorgenommen werden.» Denn Dopingmittel, wie etwa Epo, können vor dem Start abgesetzt werden, ohne dass sie später nachweisbar sind.

«Für mich war entscheidend, dass eine Dopingkontrolle so durchgeführt werden kann, dass sie sowohl das Vertrauen der Sportlerinnen oder Sportler wie auch jenes der Prüfenden hat», sagt Matthias Kamber, Doping-Verantwortlicher beim Bundesamt für Sport in Magglingen. Wenn klar sei, dass ein solches Glasfläschchen unversehrt im Labor abgeliefert werde, dann gilt auch die Ausrede nicht mehr, den Athletinnen oder Athleten sei die falsche Urinproben untergejubelt worden.

Auch beim Internationalen fussballverband, der Fifa, ist man vom Berling'schen System überzeugt: Das Doping-Kontrollssystem habe eine wissenschaftliche, eine logistische und eine psychologische Komponente, sagt Pressesprecher Andreas Herren. «Sie sind endlich durch die Firma Berlinger gelöst worden.»

Von Temperaturüberwachungbis zum Tunnelbau

Die Erfindung, welche DopingFahnder unterstützt, ist längst nicht alles, woran in Ganterschwil getüftelt und gearbeitet wird. Heute gilt die Berlinger & Co. AG als Spezialistin für Temperaturüberwachungen. Zusammen mit 3M und der Weltgesundheitsorganisation WHO wurde eine Überwachungskarte für Impfseren entwickelt. Sie gibt darüber Auskunft, ob Impfstoffe auf ihrem Transport verdorben worden sind.

Auch zur Befestigung von Tunnelbau-Abdichtungen wurde ein System erfunden, das eine sichere Befestigung von Abdichtungsfolien ermöglicht.

Wer immer mit den Berlingers spricht, bekommt den Eindruck, dass in diesem Unternehmen ständig wieder etwas Neues entsteht. Dabei wurde es im letzten Jahrhundert als Textilbetrieb gegründet und hat im Gegensatz zu vielen anderen Textilunternehmen in der Gegend eine totale Ablösung vom ursprünglichen Geschäft vollzogen, ohne unterzugehen. Die Familie Berlinger hat früh erkannt, dass ein Textilunternehmen, das eine eher unterkritische Grösse hat, rechtzeitig «umschalten» musste, wenn es neue Ufer, sprich andere Tätigkeitsfelder, erobern und nicht untergehen wollte.

Dafür, dass das Unternehmen auch in der sechsten Generation weiter bestehen wird, sorgen Tochter Andrea und ihr Mann Daniel Schwyter. Sie werden mustergültig für einen Familienbetrieb ihre Eltern stufenweise ablösen; sie sind denn auch bereits in alle Entscheidungsprozesse involviert.



Firmenprofil

Unternehmen: Berlinger & Co. AG, Mitteldorfstrasse 2, 9608 Ganterschwil.

Gründung: 1842 durch Georg Berlinger als Textilunternehmen.

Umsatz: 9 Mio Fr.

Beschäftigte: 30.

Produkte: Doping-Kontrollsysteme, Temperaturüberwachungssysteme, Leim-, Schnitt- und Kaschierspezialitäten, Handel- und Veredelung mit Klettenhaftverschlüssen.

Internet: www.berlinger.ch