Weiterbildung lässt sich grob in zwei Bereiche unterteilen: In die nichtberufliche Weiterbildung mit kulturellen, sozialen oder politischen Inhalten und die berufliche Weiterbildung mit den drei Finanzierungsrichtungen betrieblich (durch den Arbeitgeber), staatlich oder privat. Kosten-Nutzen-Analysen orientieren sich in der Schweiz oft an den von der OECD oder der Weltbank vorgegebenen Kosten-Nutzen-Modellen. Regionale Untersuchungen in der Schweiz weisen auf eine grosse Spanne bei Kosten und Erträgen auf Betriebsebene hin. Gesichert ist die Erkenntnis, dass betriebliche Weiterbildung die Arbeitsplatzsicherheit der Mitarbeiter nicht erhöht. Es fanden sich laut einer im vergangenen Jahr vorgenommenen schweizerischen Untersuchung aber positive Auswirkungen auf das Lohnniveau. Kaum untersucht wurde bisher das Thema aus fiskalischer Sicht. Bei dieser steht die Frage im Vordergrund, ob der Staat, der in Bildung investiert, durch höhere Produktivität und Einkommen in Form von Steuererträgen mehr zurück bekommt.
Knapp die Hälfte bildet sich weiter
Schweizerische Datenquellen wie die Arbeitskräfteerhebung (Sake), die SVEB-Statistik (Schweizerischer Verband für Weiterbildung) der Anbieter und Veranstalter von Weiterbildungsangeboten, die Seco-Arbeitsmarktstatistik oder die Einkommens- und Verbrauchserhebung müssten laut einem Positionspapier des Forum Weiterbildung Schweiz für eine harmonisierte Weiterbildungsstatistik in der Schweiz («HWS-CH») angepasst werden. Eine neue Studie des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) ermittelte 1,9 Mio Erwachsene, die sich in der Schweiz jährlich beruflich weiterbilden. Das entspricht rund 40% der Erwerbstätigen.
Ein Viertel der Arbeitgeber unterstützt die Weiterbildungswünsche ihrer Mitarbeiter und, nicht überraschend, je höher der hierarchische Status, desto intensiver ist auch die Förderung. Im obersten Fünftel der Einkommensverteilung bildet sich die Hälfte weiter, um untersten ist es nur jede achte Person. Disparate Bildungschancen perpetuieren sich somit.
Wenig interessierter Bundesrat
Überdurchschnittlich hoch ist die Förderung in der öffentlichen Verwaltung, im Gesundheitswesen und in der Finanzindustrie. Bei Industrie, Handel, Verkehr, Bau und Gastgewerbe ist die Partizipation an Weiterbildungsangeboten deutlich niedriger. Zudem spielt auch die Betriebsgrösse eine Rolle. Bei Grossbetrieben kommen 39% in den Genuss von bezahlten betrieblichen Weiterbildungen, bei mittelgrossen Unternehmen sind es noch 30% und bei Kleinbetrieben 20%. Generell zeigten sich quer durch alle Branchen die Arbeitgeber relativ knausrig über die Hälfte der Weiterbildungen finanzieren sich die Angestellten selber. In den USA beispielsweise kommen nur 29% und in Grossbritannien 19% für die Kosten selber auf.
Anreize für betriebliche berufliche Weiterbildungen sind Bildungsgutscheine, Weiterbildungsverträge und Job-Rotationsmodelle; sie könnten die Weiterbildung attraktiver machen. Im Bericht zur Weiterbildung im Arbeitsrecht vom vergangenen Jahr erklärte der Bundesrat die Weiterbildung zur Sache der Sozialpartner. An einer gesetzlichen Regelung besteht zurzeit kein Interesse beim Bundesrat. Auch wurde das internationale Weiterbildungsabkommen der IAO nicht ratifiziert. Somit bleiben Weiterbildungen von branchenspezifischen Gesamtarbeitsverträgen abhängig. Allerdings bieten auch diese keine Gewähr für problemlose Weiterbildungen. Die SGB-Studie stellte fest, dass in bestimmten Branchen wie im Gastgewerbe oder der Uhrenindustrie das Recht auf einen Bildungsurlaub nur selten eingelöst wird, obwohl die GAV entsprechende Regelungen aufweisen. Zudem hängt die Zustimmung zur Weiterbildung stark vom Vorgesetzten ab. Generell haben Arbeitgeber wenig Interesse, auf Kurse aufmerksam zu machen.
Mit diesen Ergebnissen nimmt die Schweiz im europäischen Vergleich einen mittleren Platz ein. In regelmässigen Abständen untersucht Eurostat, die in Luxemburg befindliche EU-Statistikstelle, die innerbetriebliche Weiterbildung in Europa. Datengrundlage sind schriftliche Befragungen von Betrieben mit zehn und mehr Angestellten. Die jüngste CVTS-Stichprobe («Continuing Vocational Training Surveys») umfasste rund 76000 Unternehmen in praktisch allen europäischen Ländern, sie bildet neben dem «Adult Education Survey» (AES) der EU und dem «Continuing Education and Training Modul» (CET) der OECD das wichtigste Instrument der Erhebung von Weiterbildungsdaten.
Am höchsten ist die Zeit, die für Weiterbildung eingesetzt wird, in Dänemark. Es folgen weitere skandinavische und nordwesteuropäische Länder. Deutschland und Österreich stehen zwar im Mittelfeld, die Weiterbildungszeit liegt aber nur bei der Hälfte der Spitzenreiter. Noch weniger Weiterbildung stellte man lediglich in den osteuropäischen neuen EU-Beitrittsländern fest. Völlig quer zu diesen Daten liegen die Beteiligungen von Männern und Frauen, die so genannte «Bildungsintensität». In Dänemark fällt die Weiterbildungsbilanz deutlich zugunsten der Frauen aus. Auch in vielen osteuropäischen Ländern ist die berufliche Weiterbildung vor allem Frauensache. Nord- und Mitteleuropa verzeichnen dagegen höhere Beteiligungen von Männern.
Auch wenn detaillierte Zahlen aus der Schweiz fehlen, lässt sich aufgrund der Vertretung von Frauen in Chefetagen und Einkommensuntersuchungen plausibel folgern, dass auch hier eine Geschlechterdifferenz zugunsten der Männer bei der Weiterbildungsintensität besteht. Eine wichtige Erkenntnis wird oft vergessen: Die schweizerischen Untersuchungen weisen nicht darauf hin, dass berufliche Weiterbildung die berufliche Position verbessert.