Er sollte das neue Wahrzeichen des revitalisierten Hamburger Hafens werden, doch im Hamburger November-Schmuddelwetter vermittelt das Betonskelett des Elbtower dieser Tage wenig Euphorie. Die Kräne stehen still auf der Baustelle des in Finanzprobleme geratenen Entwicklers René Benko. Die Gabelstapler sind abgestellt. Der Rohbau verwaist.

Wenn der Elbtower derzeit als Wahrzeichen dient, dann eher als Symbol für die Anmassung von Benko und seiner Immobiliengruppe Signa, die den Büroturm auch dann noch vorantrieben, als andere Bauträger schon anfingen, kleinere Brötchen zu backen.

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Steigende Zinsen bringen Benkos Imperium zu Fall

Benko hat in den zwei Jahrzehnten des billigen Geldes Innenstadt-Trophäen wie kaum ein anderer eingesammelt — von Luxustempeln wie dem KaDeWe in Berlin und Selfridges in London über Hoteljuwelen wie das Bauer Palazzo in Venedig und das neue Park Hyatt als Wiener Sacher-Rivalen bis zum Art-Deco-Denkmal Chrysler Building in Manhattan. 

Doch sein 23 Milliarden Euro schweres Reich kämpft jetzt mit einem toxischen Cocktail aus steigenden Zinsen, explodierenden Baukosten und strukturellen Trends wie Homeoffice und Onlinehandel. Alles Faktoren, die auf den Bewertungen lasten, die in schwindelnde Höhen gestiegen waren, und die Möglichkeiten verstellen, frisches Geld aufzutreiben.

Restrukturierungsplan bis Ende November

Benko kündigte am Mittwoch an, dass der deutsche Sanierungsexperte Arndt Geiwitz in der nächsten Zeit eine Restrukturierung der Gruppe versuchen werde. Er geniesse auch das Vertrauen der anderen Gesellschafter der faktischen Konzernzentrale Signa Holding GmbH, schob die Gruppe später nach. 

Geiwitz, der einst den aufsehenerregenden Konkurs der Drogeriekette Schlecker über die Bühne gebracht hatte, holte sich am Freitag mit Ralf Schmitz einen weiteren Sanierungsexperten zur Seite. Bis Ende November sollen «die wesentlichen Schritte der Restrukturierung» stehen.

Elbtower-Bau und Arbeiten am Gänsemarkt gestoppt

Die Elbtower-Baustelle in der Hamburger HafenCity ist das sichtbarste Zeichen für die Krise des Selfmade-Baulöwen Benko. Das Hochhaus soll das grösste Entwicklungsgebiet Europas, das elbabwärts mit der Elbphilharmonie beginnt, elbaufwärts abschliessen. Aber es ist nicht die einzige Signa-Baustelle in Premiumlage, nicht einmal in der Hansestadt.

Während auch in Berlin und anderswo Signa-Projekte ins Stocken geraten sind, ist Hamburg besonders betroffen. Wenige Tage vor dem Baustopp am Elbtower hatte Signa schon die Arbeiten am Gänsemarkt eingestellt, eine Top-Adresse in der Hamburger Innenstadt.

Dort wurde Anfang des Jahres die frühere Gänsemarktpassage abgerissen, um Platz für Büros und Luxuswohnungen zu schaffen. Signa sagt nun, dass der Bau erst wieder aufgenommen wird, wenn genügend Mieter gefunden sind.

Rolf Krieger, der zuvor in der Gänsemarktpassage eine Galerie betrieben hat, ist nun in einem anderen Signa-Überbleibsel untergekommen, dem früheren Karstadt Sport aus dem Galeria-Konzern an der Einkaufsmeile Mönckebergstrasse, der inzwischen von der Stadt als Kunstraum betrieben wird. «Das wäre ja anonsten wirklich schade, wenn es noch mehr Leerstand an so einem tollen Standort gebe», sagt Krieger.

Pandemiehilfen in Anspruch genommen

Die schon seit der Pandemie anhaltende Krise von Benkos Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof hinterlässt Lücken in den Zentren dutzender deutscher Städte, von Duisburg im Ruhrgebiet über Lübeck an der Ostsee bis nach Cottbus im Osten Brandenburgs.

Ein Teil von Benkos Strategie bestand seit jeher darin, in Schwierigkeiten geratene Detailhandelsketten zu kaufen und sich als deren Retter darzustellen. Dabei ging es jedoch weniger um den Detailhandelsbetrieb, sondern vor allem um die Innenstadtlagen, die neu entwickelt werden konnten. 

Während der Pandemie nahm er wie viele staatliche Beihilfen in Anspruch, um die Geschäfte am Laufen zu halten, aber für Galeria reichten auch die Subventionen nicht. In Sanierungsverfahren, die zur Entschuldung führten, wurden auch Covid-Rettungskredite der deutschen Steuerzahler in Höhe von 590 Millionen Euro geschnitten. In Österreich musste die zuvor von Signa übernommene Möbelkette Kika Leiner kurz nach dem Verkauf Insolvenz beantragen.

245 Meter hoher Prestigebau

Doch Baustellen wie der Elbtower könnten noch mehr Kopfzerbrechen bereiten als leere Läden, da zusätzliche Investitionen in Millionenhöhe erforderlich sind, bevor die Flächen genutzt werden können.

Der vom Stararchitekt David Chipperfield entworfene Elbtower soll einer Meereswelle ähneln, die auf eine Wand brandet und in den Himmel ragt. Er soll 245 Meter hoch und damit der dritthöchste Wolkenkratzer Deutschlands werden, nach dem Messeturm und der Commerzbank in Frankfurt. Erreicht wurden bisher aber nur etwa 100 Meter. Das Projekt, das zu 25 Prozent dem Fondsmanager Commerz Real gehört, soll bis 2026 eröffnet werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich in seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Hansestadt für das Projekt stark gemacht. Bei der Vorstellung der Pläne nannte er den Turm «ein selbstbewusstes, elegantes und schönes Gebäude». Die derzeitige Stadtverwaltung hat damit gedroht, die Kontrolle über die Baustelle zu übernehmen, wenn die Arbeiten nicht bald wieder aufgenommen werden.

Für die Stadt Hamburg «too big to fail»?

Die Nichteinhaltung vertraglicher Meilensteine könne zu Vertragsstrafen führen und Rückkaufsrechte für die Stadt auslösen, sagte Karen Pein, Hamburgs Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, am Montag in einer Stellungnahme. Ihr Büro lehnte es ab, sich zu einem Zeitplan für etwaige Entscheidungen zu äussern.

Die Partner der Signa warten auf die Wiederaufnahme der Arbeiten, haben aber wenig Einblick. «Unsere Erwartungshaltung ist nach wie vor, dass Signa den vertraglichen Pflichten nachkommt und die Bautätigkeiten zügig wieder aufgenommen werden», sagt die HafenCity auf Anfrage. «Wir sind mit der Signa im Austausch und gehen auch weiterhin davon aus, dass das Projekt durch den Investor und seine Partner realisiert wird.»

Hochhäuser sind für Stadtplaner besonders problematisch. Ihre enormen Betriebskosten und ihre grosse Grundfläche erschweren die Umnutzung für andere Zwecke. Der Elbtower soll zwar auch Restaurants, Fitnessstudios und Kunstgalerien beherbergen, doch der Grossteil der 100'000 Quadratmeter grossen Fläche ist für Büros vorgesehen. Aber die Pandemie und die steigenden Zinsen haben dieses Segment hart getroffen.

Dennoch könnte das Projekt für die Stadt einfach «too big to fail» sein. Jan-Oliver Siebrand, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit und Mobilität bei der Handelskammer Hamburg, geht davon aus, dass der Bau früher oder später wieder aufgenommen wird: «Es ist ein zeitliches, kein strukturelles Problem», sagte er.

(bloomberg/gku)