Von zwölf auf eins: Manuel Ebner und sein Investment-Banker-Team der Bank of America Merrill Lynch (BAML) stehen neu an der Spitze des Schweizer Marktes – noch vor den Platzhirschen Credit Suisse und UBS, die eigentlich ein Mehrfaches an Mandaten geangelt haben. Hinter dem Vorstoss der BAML stehen einträgliche Pharmaund Chemie-Deals: Der Verkauf von Actelion an Johnson & Johnson, die Capsugel-Übernahme durch Lonza, und im Fusionsprojekt Clariant/Huntsman berät die Bank die amerikanische Seite.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Vorstoss der BAML ist kein Zufall, sie will in der Schweiz zu den Top Three gehören. Der Markt mit Kapitaldeals boomt wie nie seit der Finanzkrise 2007. Im ersten Halbjahr haben die Banken in der Schweiz mit 580 Millionen Dollar 5 Prozent mehr Umsatz generiert als im ganzen Vorjahr. Das Volumen der im ersten Halbjahr angekündigten Transaktionen lag mehr als 10 Prozent über dem Jahresdurchschnitt seit 2009. Es wurden Zusammenschlüsse und Übernahmen von Firmen für 54 Milliarden Dollar angekündigt. Darunter die grösste Biotech-Transaktion in Europa, der Verkauf von Actelion für 31 Milliarden. Im ganzen Vorjahr waren Geschäfte für 86 Milliarden abgeschlossen worden.

Lukrative Beratungsmandate

Die Beratung bei Fusionen und Übernahmen (Mergers and Acquisitions, M&A) macht derzeit 40 Prozent des Investment Banking aus. Weitere 30 Prozent stammen aus Eigenkapitalfinanzierungen: Börsengänge (IPO), Kapitalerhöhungen, Aktienplatzierungen und -rückkäufe.

Die Credit Suisse zeigt sich mit Rang zwei nicht zufrieden. «Klar, wollen wir wieder zurück an die Spitze des Rankings», sagt Jens Haas, verantwortlich für das Investment Banking in der Schweiz. Aber noch wichtiger seien Kontinuität und die breite Abstützung im Markt.

Strategisch wichtig

Weltweit rangiert die CS mit einem Marktanteil von 5 Prozent an siebter Stelle hinter fünf US-Banken und der britischen Barclays Bank. Die UBS ist noch halb so gross wie die CS und findet sich auf Platz zehn.

Für die CS ist das Investment Banking im Heimmarkt strategisch wichtig. Aus 1 Franken Umsatz im M&A-Geschäft können innerhalb der CS Schweiz 3 bis 4 Franken werden – wenn es gelingt, neben der Beratung weitere Dienstleistungen zu vermitteln wie Finanzierungen, Kapitalmarkt-Transaktionen oder Geschäfte im Private Banking. Diesen Ansatz verfolgen allerdings auch die grossen Konkurrenten, während sich Boutiquen auf die Beratung konzentrieren.

Weitere Rekorde

Letzten Freitag war das Börsen-Comeback des Stromzählerherstellers Landis + Gyr. Anfang Juli gab bereits die Versandapotheke Zur Rose ihren Einstand. Der IPO-Markt bleibe im zweiten Halbjahr denn auch gut, glaubt Roger Müller, Partner von EY Schweiz. Er erinnert aber daran, dass das Geschäft häufig im zweiten Semester schwächelt, weil viele Transaktionen auf Jahresabschlüssen basieren.

Auch wenn das Tempo nachlassen könnte: Die Banker erwarten weitere Rekorde. Bei fast allen Kunden bildeten M&A-Projekte einen zentralen Teil der Wachstumsstrategie, sagt Nick Bossart, der Schweizer Landeschef von JP Morgan. Noch einen Schritt weiter geht CS-Mann Jens Haas, wenn er in Fusionen und Übernahmen eine Chance sieht, um gesteigerte Wachstumserwartungen zu erfüllen. Renditen in Europa tiefer als in den USA Fundamental sind viele Märkte in solider Verfassung.

Oligopol in den USA

Armin von Falkenhayn, Regionaler Leiter Corporate & Investment Banking bei der BAML, weist auf eine Reihe guter Zwischenberichte hin. Seit langem hätten nicht mehr so viele Unternehmen mit ihren Ergebnissen die Markterwartungen übertroffen.

Anders als die USA gilt Europa noch nicht als überbewertet. Die Berater kassieren hierzulande allerdings deutlich weniger. Die direkte Deal-Rendite beträgt in Europa im Schnitt 2 bis 3 Prozent und damit nur halb so viel wie in den USA. In ihrem grossen Binnenmarkt verfügen die US-Banken praktisch über ein Oligopol. Dies erleichtert Querfinanzierungen in anderen Märkten.

Branchenfremde nähren Boom

Jürg Stucker, Partner von Oaklins Switzerland, erwartet in den nächsten sechs bis zwölf Monaten auch im Segment der mittelgrossen Unternehmen eine rekordhohe Anzahl an Transaktionen. Die Konjunkturzuversicht vieler Führungskräfte sei eine wichtige Stütze des aktuellen Booms. Der Branchenfokus liege insbesondere auf Industriegütern, Life Sciences, IT und der Energieversorgung. «In diesen Branchen erwarten wir eine fortschreitende Konsolidierung, sei es aufgrund der starken Fragmentierung oder aufgrund des Kostendrucks», begründet Stucker.

Der Boom profitiert auch von branchenfremden Investoren. Überdurchschnittlich aktiv sind bei mittelgrossen Firmen Finanzinvestoren, die ausserhalb des Kapitalmarkts nach Anlagen für ihre hohe Liquidität suchen. Dasselbe gilt für industrielle Investoren, Family Offices und Pensionskassen.

Chinesen wittern Chance

Zuletzt wurde das Geschäft auch von chinesischen Investoren angeheizt. Ihr Motiv heisst Arbitrage: Es winkte die Chance, Schweizer Firmen zu einer höheren Bewertung in chinesische Konzerne einzubringen. Die seit Anfang 2017 in China in Kraft getretenen Kapitalvorschriften haben allerdings Spuren hinterlassen und dämpfen das Business. Die Marktchancen werden zurzeit höher eingeschätzt als die Gefahren.

Zu den Risiken zählt Martin Kesselring, Leiter M&A Schweiz bei der UBS, eine Verschlechterung des Konjunkturausblicks, eine Korrektur an den Aktienmärkten und einen schnellen, substanziellen Anstieg der Zinsen. Zumindest kurzfristig hält er diese Entwicklungen aber für «eher unwahrscheinlich». Für Manuel Ebner von der BAML sind die grossen Risiken geopolitischer Natur. Sollte einer der schwelenden Konflikte eskalieren, gäbe es weniger Fusionen und Übernahmen.