Die 90er Jahre waren die Hochblüte des Shareholder-Value-Denkens. Die Schaffung von Mehrwert für den Aktionär sollte das alleinige Ziel eines börsenkotierten Unternehmens sein. Die Berufung auf eine soziale Verantwortung galt als Abkehr vom Pfad der ökonomischen Tugend oder gar als Täuschungsmanöver, mit welchem unternehmerische Fehlleistungen kaschiert werden sollten.

Anfang des neuen Jahrtausends haben sich die Ansichten von Unternehmern und Ökonomen wenn man ihren publizierten Statements glauben will gründlich gewandelt. Das Ende des Höhenflugs der Börsenkurse, medial breit aufgearbeitete Unternehmensskandale und unerwartete Pleiten selbst von Traditionsunternehmen führten zu einer neuen Bescheidenheit, vor allem aber auch zu einer Erweiterung der Optik: Die ausschliessliche Orientierung an der ökonomischen Bottom-Line also am Reingewinn wurde abgelöst durch den Triple-Bottom-Line Ansatz: Nicht nur die Leistungen zu Gunsten der Investoren sollten zählen, sondern ebenso der Leistungsausweis hinsichtlich des Umweltverhaltens (Environmental Responsibility) und die Verantwortung gegenüber dem gesellschaftlichen Umfeld (Social Responsibility). Es sollten die Interessen aller durch unternehmerische Tätigkeit Betroffenen berücksichtigt werden.

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Kein Paradigmenwechsel

Und neuestens scheint - nimmt man die Themen von Publikationen und Symposien zum Gradmesser - das Hauptinteresse gar auf der sozialen Verantwortung zu liegen.

Hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden? Ein Wandel vom Saulus zum Paulus oder je nach Standpunkt auch umgekehrt? Selbst wenn dies zunächst so scheint: Ich glaube nein. Denn die Denkansätze Shareholder Value versus Stakeholder Value sind keineswegs so unvereinbar, wie ein erster Blick glauben macht. Sie verhalten sich zu einander nicht wie Feuer und Wasser, sondern sie sind vielmehr mit einander verbunden wie Yin und Yang. Voraussetzung ist freilich eine langfristige Orientierung.

Längerfristig nachhaltig wird ein Unternehmen nur dann Gewinne erzielen können, wenn es sich gegenüber seinem Umfeld verantwortungsbewusst zeigt. Aber auch umgekehrt: Unternehmen, die nicht Gewinn machen, werden auf Dauer nicht überleben, und dann können sie auch keine soziale Verantwortung tragen, sondern sie stellen im Gegenteil eine Belastung für ihr Umfeld dar.

Dass sich diese Harmonie in einer kurzfristigen Betrachtungsweise nicht immer abbildet, darf nicht verschwiegen werden:

- Umgekehrt kann Weitsicht dazu zwingen, die Zahl der Mitarbeitenden zu reduzieren, obwohl es sich ein Unternehmen derzeit noch leisten könnte, auf schmerzhafte Schnitte zu verzichten.

Die Reputation entscheidet

In einer längerfristigen Sicht aber geht die Gleichung auf: Verantwortungsbewusstes Handeln gegenüber dem Umfeld hilft dem Shareholder Value, und Shareholder Value kann ein Unternehmen ich spreche hier von solchen, die auch im nächsten Jahrzehnt noch bestehen und erfolgreich sein wollen nur generieren, wenn es seinem Umfeld gegenüber Achtung zeigt.

Ins Spiel kommt hier ein Wert, der wohl das grösste Aktivum einer Unternehmung darstellt, auch wenn es in keiner Bilanz aufscheint: die Reputation.

Eine gute Reputation ist entscheidend für die Beziehungen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zu sämtlichen seinen Stakeholders:

- Mitarbeitende wollen stolz auf ihre Firma sein, und sie sind auch loyaler zu einem Arbeitgeber mit gutem Ruf. Im «war for talents» ist daher die Reputation ein Joker.

- Kunden wollen auf die Fairness ihres Vertragspartners vertrauen können, und sie wollen in aller Regel auch sicher sein, dass es diesen im nächsten Jahr noch gibt.

- Politische Instanzen Regierungen wie Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden werden einem Unternehmen und einer Branche mit gutem Ruf ganz anders gegenüberstehen als einem Unternehmen oder einem Wirtschaftszweig mit zweifelhafter Reputation.

- Und schliesslich werden NGO, die sich ob zu Recht oder zu Unrecht als die Sprecher der Civil Society verstehen, mit einer gut reputierten Gesellschaft einen ganz anderen Umgang pflegen als mit einer solchen, die ihre soziale Verantwortung nicht wahrnimmt.

Ein sozial verantwortungsbewusstes Verhalten gegenüber Umwelt und Gesellschaft ist also nicht «Gutmenschentum», sondern es ist mit einer ökonomischen Zielsetzung vereinbar, ja es ist wenn man von Eintagsfliegen absieht geradezu Voraussetzung für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

Peter Forstmoser, Professor Universität Zürich und Präsident des Verwaltungsrates der Swiss Re, Zürich.



Fachwörter: Stakeholder Value

Das Prinzip der Stakeholder ist die Erweiterung des in der Betriebswirtschaft verbreiteten Shareholder-Value-Ansatzes. Im Gegensatz zum Shareholder-Value-Prinzip, das die Bedürfnisse und Erwartungen der Anteilseigner (z. B. bei einer Aktiengesellschaft die Aktionäre) eines Unternehmens in den Mittelpunkt des Interesses stellt, versucht das Prinzip der Stakeholder das Unternehmen in seinem gesamten sozialökologischen Kontext zu erfassen und die Bedürfnisse der unterschiedlichen Anspruchsgruppen in Einklang zu bringen.

Als Stakeholder gelten dabei neben den Shareholdern, also den Eigentümern, die Mitarbeiter bis hin zu den Managern, die Kunden (z. B. Anspruch auf Qualität und Zuverlässigkeit), die Lieferanten, die Kapitalmärkte (u.a. Kreditgeber) sowie der Staat (z. B. Anspruch auf Steuergelder, Umweltschutz), die Natur (Rohstofflieferant, Aufnahmemedium für Abfall) und die Öffentlichkeit (Parteien, Verbände, Publ. Medien, usw.). Staat, Natur und Öffentlichkeit sind so genannte nichtmarktliche Anspruchsgruppen. Kapital, Arbeits-, Beschaffungs- und Absatzmärkte bezeichnet der Stakeholder-Ansatz als marktliche Gruppen und Beziehungen (Leistung und Gegenleistung).

Shareholder Value

Der Shareholder Value ist definiert als der Marktwert des Eigenkapitals. Der Shareholder-Value-Ansatz ist ein betriebswirtschaftliches Konzept, das das Unternehmensgeschehen als eine Reihe von Zahlungen (Cashflows) betrachtet, analog zu der aus einer (Sach-)Investition resultierenden Zahlungsreihe. Die Bewertung des Unternehmens wird anhand der freien Cashflows ermittelt. Der Shareholder Value ergibt sich dabei aus den auf den Bewertungszeitpunkt abdiskontierten freien Cashflows abzüglich des Marktwertes des Fremdkapitals (also z.B. Bankverbindlichkeiten).

Der Shareholder-Value-Ansatz geht auf das im Jahr 1986 veröffentlichte Buch von Alfred Rappaport zurück. Danach hat die Unternehmensleitung i. S. der Anteilseigner zu handeln. Ihr Ziel ist die Maximierung des langfristigen Unternehmenswertes durch Gewinnmaximierung und Erhöhung des Eigenkapitals.

Die Fokussierung auf den Marktwert des Eigenkapitals wird von Kritikern des Konzeptes als unzulässige Verkürzung der unternehmerischen Realität gedeutet. Diese Kritik hat zu konzeptionellen Weiterentwicklungen, wie eben dem Stakeholder-Value-Ansatz oder dem ganzheitlichen Managementsystem Balanced Scorecard geführt. Quelle: Wikipedia