Am Anfang stand ein Markeneintrag. Lange wollte die Appenzeller Brauerei Locher nicht verraten, was hinter dem Eintrag «Bünzli Büx» stand. Nun bestätigt Geschäftsführer Aurèle Meyer: Zusammen mit dem Detailhändler Coop lanciert die viertgrösste Brauerei der Schweiz ein neues Bier. Nächste Woche kommt der «Bünzli» in den Handel.

Speziell daran ist nicht die Rezeptur, sondern das Material. Als erstes Massenbier der Schweiz wurde das Lagerbier vollständig mit Schweizer Rohstoffen hergestellt.

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Das ist aussergewöhnlicher, als man meinen könnte. Denn von den Zutaten, die jedes Bier braucht – Hopfen, Malz, Wasser und Hefe –, stammt in den meisten Fällen nur das Wasser aus der Schweiz. Alles andere beziehen die Brauereien in der Regel aus dem Ausland, weil es hierzulande nicht in ausreichender Menge verfügbar ist. Doch das soll sich ändern, und die «Bünzli Büx» ist ein Ergebnis davon.

Der Anstoss zum Bier kam nicht von der umtriebigen Appenzeller Brauerei, sondern von der IG Mittellandmalz und von Coop, wie Brauerei-Chef Aurèle Meyer erklärt. Die Interessengemeinschaft arbeitet seit Jahren daran, dass mehr Malz aus Schweizer Getreide hergestellt wird. Hinter ihr stehen unter anderem Bauern, Brauereien und Brennereien. Und so steht jetzt gross «100% Schweizer Hopfen» und «100% Schweizer Gerste» auf den Appenzeller Bierdosen.

Hopfen und Malz, das brauchts für Bier

Bier wird traditionellerweise aus vier Grundzutaten hergestellt

  • Wasser: Das Brauwasser wird in der Regel vor Ort ab Quelle oder Trinkwasserleitungen bezogen. Heutzutage wird es oft aufbereitet, etwa um die Wasserhärte den Bierrezepten anzupassen.
  • Malz: Malz ist gekeimtes Getreide. Dieser Mälz-Prozess wird in der Regel von spezialisierten Betrieben vorgenommen, die es in der Schweiz bisher nicht gab. Das meiste Malz besteht als Gerste, daneben kommen auch Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Emmer zum Einsatz.
  • Hopfen: Der mit dem Hanf verwandte Hopfen macht das Bier bitter. Auch Hopfen stammt in der Regel aus dem Ausland, etwa aus Deutschland oder Tschechien. Im Gegensatz zum Getreide kann Hopfen direkt nach der Ernte verwendet werden. In der Schweiz wird – zunehmend – Hopfen angebaut, dieser reicht aber bei weitem nicht für die ganze Bierproduktion.
  • Hefe: Für die Gärung wird gezielt Hefe zugesetzt. In der Regel greifen die Brauereien dafür auf ausländische Hefeproduzenten zurück.

Stichwort Reinheitsgebot: In Deutschland ist es verboten, andere als diese vier Zutaten bei der Herstellung von Lagerbier zu verwenden. Allerdings gilt diese strikte Auslegung nicht für obergärige Biere wie Weizenbier. Zudem dürfen auch in Deutschland Hilfsstoffe eingesetzt werden, wenn diese während des Brauprozesses wieder aus dem Bier entfernt werden (zum Beispiel bei der Klärung des Biers). Das Schweizer Gesetz ist liberaler und lässt auch den Zusatz von Zucker, Fruchtsäften oder Gewürzen zu. 

Doch ganz ohne Ausland kommt auch der Bier-Bünzli nicht aus. Zwar wurde dafür ausschliesslich Schweizer Gerste verarbeitet. Das Mälzen, bei dem die Gerste zu Malz verarbeitet wird, geschah jedoch im Ausland, wie Meyer erklärt. Denn in der Schweiz gab es schlicht niemanden, der das in dieser Menge gekonnt hätte.

Eine neue Mälzerei ist am Start

Einer, der das ändern will, ist Christoph Nyfeler. Im aargauischen Möriken-Wildegg hat er vergangenes Jahr eine grosse Mälzerei in Betrieb genommen. Seit November läuft die Produktion, rund 180 Tonnen Malz habe er bereits produziert, erzählt Nyfeler. «Wir liefern jetzt an Brauereien aus.» 30 Tonnen Malz könnte er pro Woche produzieren – theoretisch. Noch hat er jedoch nicht genug Schweizer Getreide dafür.  

Auch die Bauern sind erst daran, den Anbau hochzufahren. Schweizer Malz ist ein langfristiges Projekt. Bis im Sommer muss Nyfeler den Landwirten die Mengen durchgeben, dann wird angepflanzt. Im folgenden Jahr bekommt er dann die Gerste geliefert. Bauern zu finden, sei kein Problem, sagt Nyfeler. «Ich habe sogar eine Warteliste.»

Schweizer Mälzerei

Schweizer Mälzerei: In diesen Trommeln können je 10 Tonnen Getreide in Malz umgewandelt werden.

Quelle: ZVG

Mitunter ist es für Konsumenten und Konsumentinnen nicht einfach, zu erkennen, wie schweizerisch das Malz im Bier ist. Appenzeller schreibt bewusst «Gerste» auf seine Dose, weil nur der Rohstoff aus der Schweiz stammt, dieser aber im Ausland verarbeitet wurde. Ähnlich ist es bei vielen Bieren anderer Brauereien, die mit lokalem Getreide werben. 

Schwer zu verstehen: Schweizer Rohstoff im Mengenaustausch

Etwas anders die Situation bei Konkurrentin Doppelleu Boxer. Diese vertreibt zusammen mit Denner unter der Marke Chopfab ein Bier «mit Gerstenmalz aus integrierter Schweizer Produktion». Doch obwohl auf der Dose der IP-Suisse-Käfer prangt, steckt im Bier nicht zwingend Schweizer Gerste. Doppelleu Boxer produziert nämlich «im Mengenaustausch». Will heissen: Das im Ausland gemälzte Getreide kommt nicht zwingend im Bier mit dem Label zum Einsatz, sondern kann in irgend einem Bier eingesetzt werden. Dafür kann im IP-Suisse Bier auch ausländisches Malz verwendet werden.

Das sei eine von IP-Suisse tolerierte Übergangslösung für die Zeit der Produkteeinführung, sagt Geschäftsführer Philip Bucher. Diese laufe noch bis Mitte 2022. Für die Zeit danach kündigt er die Umstellung auf IP-Suisse-Gerste an. Man prüfe auch die direkte Vermälzung in der Schweiz, sagt Bucher. 

Wäre es möglich, alles Schweizer Bier komplett mit inländischen Rohstoffen zu brauen? Mälzer Nyfeler sagt «Ja, aber». Realistisch sei das eher nicht. Laufe seine Mälzerei auf Volllast, könne sie 2 Prozent der Nachfrage stillen.

Rein theoretisch wäre es schon möglich, die gesamte Braugerste im Inland anzubauen, sagt er. «Wir benötigten dafür etwa die Hälfte der Aargauer Landwirtschaftsfläche». Da stelle sich aber die Frage nach dem Sinn, denn die Fläche fiele dann ja für andere Produkte weg.

Zahlreiche Projekte für Schweizer Malz

Nyfeler ist nicht der Einzige, der in der Schweiz Malz produzieren will. Wie die IG Mittellandmalz gibt es auch in anderen Regionen Organisationen und Unternehmen, die sich für eine Malzproduktion einsetzen. Im Thurgau zum Beispiel die Firma Regiomalz, in der Nordwestschweiz die IG Juramalz oder in Delémont die Genossenschaft Malticulture.

In der Schweiz gab es lange keine Mälzereien mehr. «Die meisten stiegen bereits Anfang des 20. Jahrhunderts um, weil ausländisches Malz deutlich günstiger war», sagt Unternehmer Nyfeler. Zuletzt habe in den achtziger Jahren noch Haldengut in Winterthur gemälzt.

Nyfelers Mälzerei zielt nicht nur auf Brauereien. Zusammen mit Whisky-Destillerien, wie er selbst eine betreibt, dürften diese etwa zwei Drittel der Produktion abnehmen, kalkuliert er. Daneben besteht auch in der Lebensmittelproduktion, etwa bei Bäckereien oder Müesli-Herstellern, Nachfrage nach Malz. Preislich könne er mit ausländischen Mälzereien nicht mithalten, gibt Nyfeler offen zu. Mit den Kosten von Schweizer Getreide, das im Ausland verarbeitet werde, jedoch durchaus.

Michael Heim Handelszeitung
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