Björn Rosengren: Umbau von ABB analog zu Mark Schneider und Nestlé

ABB-Chef Björn Rosengren betreibt forsches Portfolio-Management beim Industriegiganten. Kaufen, verkaufen, filetieren: Was nicht über 15 Prozent Betriebsrendite bringt und nicht in die Zukunftsmärkte Automation, Roboter, Mobilität oder Charging passt, steht auf dem Verkaufszettel. Die jüngste Ankündigung, wonach das Turbolader-Geschäft Accelleron ausgegliedert und als eigenständige Einheit im Oktober an die Schweizer Börse gebracht wird, passt in dieses Bild. Rosengren plante die Trennung seit Monaten. Es ist ein Puzzle-Stück mehr hin zu einem Unternehmen, das den Aktionären mehr Rendite zeigen will. Rosengren – Jahreslohn knapp 8,3 Millionen Franken – zieht seine Linie voll durch. Ähnlich wie Mark Schneider bei Nestlé. Der Aktienkurs hat unter Rosengren deshalb in der Spitze fast 50 Prozent zugelegt. Über 35 Franken kostete das Papier im Januar 2022. Seither ist der Wurm drin, aber die Bilanz bleibt positiv. Und die Aktionäre freuen sich auch über die Pläne für das Turbolader-Geschäft. Die ABB-Aktie legt am Donnerstag gegen den allgemeinen Trend zu. ABB als dritter Streich In seiner Karriere hat Rosengren bereits zwei Grosskonzerne zum Fliegen gebracht – den finnischen Motorenhersteller Wärtsilä und den schwedischen Bergbaumaschinen- und Werkzeugkonzern Sandvik. Innert wenigen Jahren dynamisierte er die Firmen und verdoppelte ihren Wert. Seither geniesst er in Skandinavien Kultstatus. Nun verfährt er mit ABB nach altbewährtem Muster. Er folgt dabei vier Prinzipien. Erstens: Nur nie die Ruhe verlieren. Der erprobte Industriemanager geniesst den Respekt der ABB-Grossaktionäre, zuvorderst des Wallenberg-Clans, der 12 Prozent der Aktien hält. Aber auch Aktivist Cevian, eine schwedische Beteiligungsgesellschaft, steht hinter Rosengren; Cevian-Co-Chef Lars Förberg sitzt im Verwaltungsrat. Für Action sorgt gelegentlich Förbergs Compagnon bei Cevian, Christer Gardell, der gerne stänkert und regelmässig medienwirksam eine radikale Aufsplittung verlangt. Ein Breakup würde mehr Wert generieren, behauptet Gardell. Rosengren lässt sich derweilen nicht aus der Ruhe bringen und bleibt auf seinem Kurs. Seinem Hauptziel – starke Präsenz in Wachstumsmärkten, finanzielle Topleistung, Mehrwert für die Aktionäre – bleibt er treu. Die Ergebnisse geben ihm grösstenteils recht: Die operative Marge steigt und steigt – von knapp über 11 Prozent auf nunmehr über 15 Prozent. Das haben nicht einmal die Analysten erwartet. Sie rechneten für das erste Halbjahr mit einer relativ flachen Entwicklung und einer Marge unter 15 Prozent. Das grosse Filetieren Zweites Prinzip: Kaufen und verkaufen – ständig. Was nicht ins Portfolio passt, wird aussortiert. Umgekehrt müssen fünf bis zehn Zukäufe in einem Jahr drin liegen. Das Ziel: höhermargige Geschäfte, die auch in zehn Jahren noch Wachstum versprechen. Das hat zwar auch Rosengrens Vorgänger Ulrich Spiesshofer gemacht, aber der Schwede ist schneller und konsequenter unterwegs. Kommt dazu: Die jüngsten Verwerfungen am Markt spielen ihm in die Hände: Die Bewertungen der Firmen sinken, Übernahmen werden billiger. Und im Gegensatz zu Spiesshofer ist Rosengren kein Mikromanager, der mit seinem Dreinreden die Prozesse verzögert und das Management madig macht. Rosengren setzt – ein harter Schnitt – auf Eigenverantwortung und hat die vier Divisionsleiter zu Unternehmern gekürt, die mit viel Autonomie agieren. ABB und Cevian: Die pikante Konstellation bei Familie Rosengren Marcus Rosengren, Sohn von ABB-Chef Björn Rosengren, wechselte unlängst ins Schweizer Office von Cevian, dem drittgrössten ABB-Aktionär. Mehr lesen Sie hier. Drittes Prinzip: Die Scorecard. Rosengren hasst bunte Konglomerate, die von einem Überchef von einem Hauptquartier aus gesteuert werden. Ergo hat er die ABB-Zentrale in Zürich-Oerlikon auf 800 Personen halbiert – einen Teil abgebaut und einen Grossteil in die Divisionen verschoben. Bürokratien im Headoffice sind ihm ein Gräuel, die Macht hat er an die Kundenfront delegiert. Marge über alles Rosengren hält das Tempo hoch und überwacht das Management mit einem Scorecard-System. Massgeblich sind 15 Leistungskennzahlen wie Bruttomarge, operative Marge, Rendite aufs Kapital, Auftrag zu Umsatz-Ratio. Diese Parameter gelten für sämtliche Abteilungen und sind – wie im Strassenverkehr – farblich abgestimmt: Bei Grün läufts rund, bei Gelb ist Handlungsbedarf, bei Rot läutet die Alarmglocke. Ein System, das Rosengren in den letzten zwanzig Jahren verfeinert hat. Seine Vorgabe: «Für alle Divisionen gilt der Anspruch, die Nummer eins oder zwei in ihrem Marktsegment zu sein.» Viertes Prinzip: It’s the margin, stupid. «Profitabilität steht vor Wachstum», lautet sein Mantra. Und da gibt es im ABB-Land noch einiges zu tun. Ein Teil des Geschäfts ist noch längst nicht dort, wo es der Chef sehen will. Er verlangt von sämtlichen Geschäftsfeldern eine 15-Prozent-Marge, im Minimum. Stichtag ist Ende 2023. Mittlerweile hat er dies der gesamten Belegschaft eingebläut, alle kennen die Vorgabe. Das gilt auch für Robotics oder Automation, die zwar wachsen, aber noch nicht rentabel genug sind und gerade jetzt unter der Flaute in der Autoindustrie leiden, die durch die Mikrochipknappheit verschärft wird.Warum die beiden wichtigsten Spartenchefs bei ABB ihre Sessel tauschen Tarak Mehta, vorher Chef der Sparte Elektrifizierung, hat Anfang 2022 von Morten Wierod die Sparte Antriebstechnik übernommen. Wierod wiederum hat von Mehta die Elektrifizierung übernommen. Ein Cheftausch für die beiden grössten Divisionen des schweizerisch-schwedischen Industriekonzerns – so was hat man hierzulande in dieser Form noch nie gesehen. Die Hintergründe erfahren Sie hier.

Björn Rosengren: Umbau von ABB analog zu Mark Schneider und Nestlé

Die vier Prinzipien des ABB-Chefs Rosengren