Was noch vor kurzem in Liestal beschlossen wurde, gilt schon heute nicht mehr. Im Sommer kündigte die Basellandschaftliche Kantonalbank (BLKB) nach einem Riesenabschreiber von 105,5 Millionen Franken an, die umtriebige Tochtergesellschaft Radicant stärker zu integrieren und neu aufstellen zu wollen. Doch Anfang September übernahm mit dem früheren Finma-Präsidenten Thomas Bauer ein neuer Mann die Führung im obersten Leitungsgremium – und der sieht das anders.
«Der damalige Beschluss des Bankrats wurde aufgehoben», sagte Bauer am Donnerstag an einer Medienkonferenz zum nun vorliegenden ersten Untersuchungsbericht zum Radicant-Debakel. «Wir prüfen nun alle Möglichkeiten für eine optimale Lösung.» Und so dürfte auch die Suche nach möglichen Käufern der Radicant wieder aufgenommen werden.
Und mit gleich noch etwas will Bauer Schluss machen: der Tatsache, dass bis heute noch nie ein Geschäftsbericht der Radicant publiziert wurde – obwohl diese mit einer eigenen Banklizenz unterwegs ist und von der BLKB stets als «unabhängige Tochter» bezeichnet wurde. Das sei «nicht richtig» gewesen, sagt Bauer auf die entsprechende Frage der Handelszeitung. Er verspricht, dass die Radicant-Geschäftsberichte «selbstverständlich» publiziert werden.
Klar ist eigentlich nur, dass die Radicant bisher kaum nennenswerte Erträge verbuchen konnte. Dokumente, die der Handelszeitung vorliegen, zeigen, dass die eigentlich in der Vermögensverwaltung und im Alltagszahlungsverkehr tätige Digitalbank 2024 gerade mal 0,2 Millionen Franken an Zinsertrag auswies – sowohl beim Handel als auch bei den Kommissionen resultierten «0,0 Millionen» Franken. Einzige nennenswerte Erträge 2024 waren Steuergutschriften.
Die BLKB schiesst weiter Geld in die Radicant ein
Auch im laufenden Jahr hat sich die Finanzlage der Radicant nicht verbessert. So bestätigte Bauer an der Medienkonferenz, dass auch im laufenden Jahr wieder Geld in die Radicant eingeschossen worden sei. Insgesamt seien im ersten Halbjahr 2025 15,7 Millionen in Radicant «investiert» worden, erklärte die Medienstelle der BLKB später gegenüber der Handelszeitung.
Der nun publizierte Bericht des Beratungsunternehmens GWP kritisiert den Bankrat der BLKB hart – härter, als es dem Gremium lieb ist, wie Bauer klarmachte. Zwischen der Darstellung des Berichts und der Eigenwahrnehmung des Bankrats, der die Untersuchung einst selbst in Auftrag gegeben hatte, gebe es durchaus Differenzen. Etwa zur Frage der Due Diligence, die im vergangenen Jahr stattgefunden hatte – oder eben nicht ausführlich genug stattgefunden hatte –, bevor die Fusion der Radicant mit dem Fintech Numarics beschlossen wurde.
Der bislang nur in Auszügen publizierte Bericht hält deutlich fest, dass die Due Diligence im Vorfeld der Fusion mangelhaft gewesen sei. So sei insbesondere nicht ausreichend geprüft worden, ob die damalige Kundschaft von Numarics wirklich in das beabsichtigte Geschäftsmodell der Radicant überführt werden könne. Auch kritisiert GWP, dass mit den Wertberichtigungen zu lange gewartet worden sei.
Das Bild, wonach die BLKB die Fusion von Radicant und Numarics unbedingt noch vor Ablauf des Geschäftsjahrs abzuwickeln versuchte, um Abschreiber hinauszuschieben, konnte Bauer zumindest nicht widerlegen.
Corporate Governance «nicht richtig aufgesetzt»
Vor allem aber stellt der GWP-Bericht dem grundlegenden Set-up bei der BLKB schlechte Noten aus. Der Bankrat als oberstes Gremium sei zu stark in operative Entscheide bei der Radicant involviert gewesen, insbesondere auch mit Blick auf die Fusion mit Numarics. Damit habe er seiner eigentlichen Rolle als Aufsicht und kritischer Hinterfrager nicht nachkommen können.
Zugleich habe der Konzernleitung der BLKB die Gesamtsicht gefehlt. Die Rolle der Geschäftsleitung sei «innerhalb des Konzerns nicht ausreichend verankert», so der Untersuchungsbericht. Die Kritik zielt somit auf die Tatsache, dass die Tochter Radicant bewusst direkt dem Bankrat unterstellt und – zumindest formell – der Verantwortung der BLKB-Führung entzogen wurde. Bauer hält diesbezüglich fest, «dass die Corporate Governance nicht richtig aufgesetzt wurde».
Die Geschichte Radicant könnte für die BLKB schon bald abgeschlossen sein, sollte der Bankrat unter Bauer zum Schluss kommen, dass die Tochter eingestellt oder abgestossen wird. Politisch dürfte die Affäre jedoch noch weitreichende Folgen haben. So steht im Baselbiet nicht nur eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) zur Diskussion; auch eine Volksinitiative dürfte vors Volk kommen, die die BLKB stark zurückbinden und einer engeren politischen Kontrolle unterwerfen will.
Nicht zuletzt muss Bankratspräsident Bauer die Bank neu aufstellen. Denn seit Bekanntwerden der Wertberichtigungen haben zahlreiche Manager das Institut verlassen: BLKB-CEO John Häfelfinger, Bankratspräsident Thomas Schneider und Radicant-CFO Roland Kläy. Radicant-CEO Anton Stadelmann und Radicant-Präsident Marco Primavesi haben ihren Rücktritt angekündigt.