Mann gegen Mann. Mit gleichen Handschuhen, gleichem Gewicht, im gleichen Ring, in der gleichen Runde», sagte einmal der ehemalige Valser-Chef Donald Hess, der seinen Jungmanagern bei Stellenantritt zwanzig Boxlektionen geschenkt hat nicht immer zu deren Freude. Er habe damals im Boxring immer gleich gesehen, ob jemand cholerisch, ängstlich oder distanziert sei. «Und wer zu Boden geht, ist draussen. Und eine Zehntelsekunde Unachtsamkeit reicht aus, um zu verlieren.»

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«Boxen erfordert höchste Aufmerksamkeit», sagt Charly Bühler, in dessen legendärer Boxschule in Bern nicht nur ehemalige Profiboxer wie der Bundeshausweibel Fritz Chervet oder Sepp Iten trainiert haben, sondern auch hohe Beamte aus dem Bundeshaus unter anderem Daniel Eckmann, der ehemalige Kommunikationsberater von Kaspar Villiger und neue stellvertretende SRG-Generaldirektor oder Bundesratssprecher Achille Casanova. Auch der Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Max Friedli, war seinerzeit Uni-Meister im Boxen.

Manager im Ring

«Wenn dir jemand einen Meter gegenübersteht, der dich schlagen will, dann musst du dich auf den Augenblick konzentrieren», weiss Bühler. «Beim Boxen kann man hervorragend den Kopf leeren, denn während dem Sparring kannst du an nichts anderes denken. Du bist mental präsent wie sonst nie.» Dazu fordere Boxen verborgene Charaktereigenschaften heraus. «Ein aggressiver Mensch lernt, sich zu verteidigen. Ein ängstlicher hingegen übt den Angriff.»

Diese Meinung vertritt auch Kai Hoffmann aus Frankfurt, der mit Managern in den Ring steigt, um danach psychologisch über das Erlebte zu reflektieren. Wenn jemand sage, dass er etwas nicht könne, dann scheitere er an eigenen Grenzen, sagt Hoffmann. «Jeder Mensch hat Blockaden, die sich beim Boxen aufarbeiten lassen. Denn in einer körperlichen Konfliktsituation gerät man an eigene Grenzen.»

«Ich spüre im Ring, wie jemand psychologisch funktioniert», sagt Hoffmann. Ein Zwangsneurotiker achtet total auf die Technik, ein Konfliktscheuer geht eher zurück. Wenn jemand immer gleich hart angreift, dann lässt dies auf eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber Mitmenschen schliessen. «Jeder fährt seine Strategie, die er unbewusst im Laufe seines Lebens erlernt hat. So kommt beim Boxen immer die Lebensgeschichte zum Ausdruck.»

Übrig bleibt der Körper

Während des Boxens sei das kognitive System stark heruntergefahren, sagt Hoffmann, wogegen das lymbische System aktiv sei. So werden emotionale und unbewusste Schemen sichtbar, die in einer «normalen» Situation verdrängt werden. «Man erlebt die Ausnahme in der Selbstkompetenzerfahrung», meint Hoffmann.

Ein wichtiger Lernprozess im Boxen besteht darin, Angriffe nicht persönlich zu nehmen. Und die Selbstachtung zu bewahren und sie in Konfliktsituationen durchzusetzen. Während man sich im Beruf oft über ein Fremdbild definiert, also darüber, wie einen die anderen sehen, wirft einen die archaische Kampfsituation zurück auf sich selbst. Übrig bleibt der Körper, der ums Überleben kämpft.

Der Boxer verlässt seine gesellschaftliche Komfortstellung und öffnet seine Grenzen in Richtung Gegner. «Der Mensch geht so ganz alleine in der Handlung auf», sagt Hoffmann, «womit er bei sich selbst angelangt ist.» Hoffmanns Seminare sehen wie folgt aus: In einer ersten Sitzung werden Ziele formuliert, wonach untersucht wird, was das Erreichen dieser Ziele verhindert. Dann wird in den Ring gestiegen, worauf in einer nächsten Sitzung über das Erlebte gesprochen wird.

Blockaden werden durch die Artikulierung bewusst gemacht. Im Vergleich zur psychoanalytisch orientierten Gesprächstherapie sind intellektuelle Eskapaden in der konfrontativen Kampfsituation nicht möglich.

«Ich hatte einmal einen sehr qualifizierten Banker im Coaching, der konfliktscheu war und in Sitzungen immer beim ersten Widerstand nachgab», sagt Hoffmann. «Wir stellten in einer Gesprächssitzung fest, dass dieses Verhalten auf seine Erziehung zurückzuführen war, da seine Eltern ihm sagten, dass er Konflikten aus dem Weg gehen solle. Als Schüler wurde er oft verprügelt, und so suchte er immer neue Wege, um nach Hause zu kommen. Er entwickelte so Konfliktvermeidungsstrategien, die ihn als Folge hinderten, sich gegen andere Menschen und Meinungen durchzusetzen. Dies hat sein Verhalten nachhaltig geprägt bis in die Geschäftssitzungen.»

Als der Banker den Coach Hoffmann beim Sparring dann einmal geschlagen habe, habe er sich auch sofort entschuldigt. Hoffmann habe ihm gesagt, dass er im Ring sei, um zu schlagen. «Wir haben dann intensiv den Double-Jab geübt. Mit diesem doppelten Geradeschlag der Führerhand lernte der Banker, in Sitzungen nicht beim ersten Widerstand aufzugeben, sondern nochmals nachzuhaken.»

Keine Angst vor der Angst

Ob man mit psychologisch begleitendem Coach trainiert oder einfach in die lokalen Boxklubs geht Boxen fordert heraus. «Und Boxen macht auch immer ein wenig Angst», meint Charly Bühler.

Angst ist zurzeit ein weit verbreitetes Gefühl: Angst vor Stellenverlust, Terroranschlägen und einer Zukunft, in der Gewissheiten bröckeln. Nur bekommt diese Angst im Boxring ein Gesicht. Ein guter Grund also, in den Ring zu steigen, um dieser Angst zu begegnen. Und sie im besten Falle zu überwinden.

Dr. Kai Hoffmann, Praxis für Managementberatung, Gartenstrasse 100, DE-60596 Frankfurt am Main, Tel. +49 (0)69 913 984 62, www.dr-kai-hoffmann.de

Charly Bühler Boxschule, Kochergasse 4, 3011 Bern, Tel. 031 311 35 82



Kampf um die Existenz: Boxen ist mehr als Sport

Während Manager vor Jahren noch den Adrenalinkick durch den Bungeejump suchten oder bei dubiosen Motivationsgurus Urschrei-Seminare besuchten, geht die Erfahrungsreise nun vermehrt zurück auf den Boden der Realität.

Heute wird kaum mehr über glühende Kohlen gelaufen, populär sind dafür Marathon, Triathlon, Yoga oder Boxen. Denn das sind Sportarten, die Durchhaltequalitäten voraussetzen und die sich nicht einfach als Seminar-Wochenend-Schnäppchen «konsumieren» lassen.

Das Image vom Boxsport war lange Zeit geprägt von Vorstadt-Zuhältern, die sich den Restgehalt der spärlich vorhandenen Hirnzellen aus dem Schädel prügelten. Das hat sich geändert. Heute wird in Fitnessklubs so genanntes «Box-Aerobic» trainiert. Und in den USA haben manche Fitnesszentren einen Boxring, in dem man mittags schnell drei Runden sparren geht.

Doch all diesen modischen Entwicklungen zum Trotz findet das echte Boxen nach wie vor in Boxkellern statt, in denen es noch nach Schweiss riecht und nicht nach dem Calvin-Klein-Parfüm «One» wie in den landauf, landab durchgestylten Fitnesszentren. Der Boxklub ist ein Anachronismus und gerade das macht ihn reizvoll.

Boxen ist ein Sinnbild für den Kampf um die eigene Existenz, was ausgezeichnet zum Zeitgeist passt: In unserer von Individualismus geprägten Gesellschaft ist Boxen zum Sinnbild für persönliches Survival geworden. Wer drei Runden Sparring durchhält, kann auch in anderen Bereichen einstecken. Und austeilen.

Nötig ist dies allemal besonders im derzeit verschärften Wirtschaftsklima. So wundert es nicht, dass hohe geschnürte Boxstiefel als modisch gelten und dass Boxmarken wie «Everlast» von so genannten «Trendsettern» getragen werden. Wenn man schon kein Boxer ist, dann soll man zumindest wie einer aussehen.

Boxen ist ein direkter und ehrlicher Kampf. Der deutsche Autor Michael Kohtes sagt: «Jeder Faustkampf, den das Scheinwerferlicht aus dem Dunkel einer tobenden Arena schneidet, markiert eine Grenzerfahrung, die das zivilisierte Bewusstsein vehement erschüttert: Zwei Männer kämpfen um ihr Leben.» Dieser Zweikampf eignet sich sehr, um die Komplexität, mit der wir täglich konfrontiert sind, zu reduzieren. Störende Telefonanrufe, lästige E-Mails und abteilungsinterne Intrigen dies alles bleibt ausserhalb des Boxrings.