Es ist immer interessant, wie eine Geschichte beginnt. Bei Romanen ist es der erste Satz, der für den Literaturliebhaber die ganze Welt des vor ihm liegenden Werkes öffnet. Im Leben ist es nicht anders. Der Ausgangspunkt einer Geschichte, gewissermassen der Feuerherd einer Affäre, ist aufschlussreich, nimmt oft schon bildhaft vorweg, was später klar in Erscheinung tritt. Heute werden Geschichten nicht mehr von der Grossmutter hinter dem Ofen erzählt, und es gibt auch keine Bänkelsänger mehr. Die Medien sind die Nachfolger dieser altehrwürdigen Tradition des Geschichtenerzählens geworden. Dieter Behring hat seine Geschichte den Medien selbst erzählt. Im Sommer 2002 begann er, «his story» zu schildern, was ja nichts anderes ist, als History – Geschichte – zu machen.

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Und dies wiederum heisst wörtlich genommen, seine eigene Geschichte, die eigene Version der Wahrheit zu erzählen. Erst wenn etwas erzählt ist, ist es auch passiert. Diese Weisheit wusste Dieter Behring zu nutzen. Er war für die schweizerische Öffentlichkeit plötzlich da. Und zwar weder als Fachmann noch als Financier, noch als Hedge-Fund-Manager, noch als Geschäftsmann. Gleich zu Beginn schuf er einen Mythos, in dessen Zentrum er, die mythische Figur, der Held der Geschichte, selbst stand. Seine Anteile an dieser Darstellung waren die Dramaturgie und die Regie.

Wohl die wichtigste Entscheidung war der Zeitpunkt seines Going-public mit seiner eigenen Person. Mit Klugheit und Bedacht hatte er gewartet, bis er, sozusagen kurz bevor er sich im Zenit befand, öffentlich in Erscheinung trat. Und er hatte den Zeitpunkt selbst gewählt. Kein Ereignis, keinen Geschäftsvorfall, keinen Kauf einer Bank, nichts dergleichen nahm er zum Anlass: Er selbst war das Ereignis, über das zu berichten war.

Und das ging so: Der Einstieg erfolgte über den «Tages-Anzeiger», eine Zeitung, nicht so auflagenstark wie der «Blick», aber mit gehobenerem Niveau als dieser und forscher als die «Neue Zürcher Zeitung».

Auf den ersten Blick kam der Artikel vom 7. Juni 2002 unter der «Akonto»-Rubrik eher spröde daher. Sein Titel lautete «Disziplinierte Leidenschaft eines Händlers». Wer genauer hinsieht, entdeckt den Beginn eines Märchens. Gleich schon im Lead wird ein Deus ex Machina vorgestellt: «In seiner Gesamtheit arbeitet das Börsenhandelssystem des Anlagespezialisten Dieter Behring genial erfolgreich.» Behring weiss, dass von Sicherheit sprechen muss, wer die Leute dazu bringen will, ohne Fallschirm zu springen. Deshalb verkündet er: «An oberster Stelle steht in meinem Handelssystem die Risikokontrolle, nicht die Gewinnmaximierung. Ich will einfach ruhig schlafen können.»

Behring legt öffentlich sein System dar und hebt die Schwerpunkte hervor. Er gehe nur kleine Einzelrisiken ein, indem nur 1/4 bis maximal 11/2 Prozent des Kapitals in jeweils eine Position investiert würden. Für die Trades setze er nur ein Drittel des Kapitals ein, der Rest werde in Festgeld angelegt. Er investiere in acht verschiedene Anlagekategorien, die 40 Finanzprodukte umfassten. Der schlimmstmögliche Verlust betrage 28 Prozent und könne innerhalb von maximal acht Monaten ausgeglichen werden. Jeder Leser dieser Ausführungen merkt es: Bis zum todsicheren Börsensystem ist es wirklich nur noch ein kleiner, unbedeutender Schritt.

Dieter Behring weiss auch, dass, wer heutzutage richtig verstanden werden will, ruhig in neuralgischen Punkten unverständlich erscheinen darf. Es macht sich jedenfalls gut, etwas Fachchinesisch an der richtigen Stelle geschickt beizumischen, weil es zeigt, dass dieser Experte sich sonst nur mit der Finanzelite unterhält. Die Zukunft ist für ihn ein Mehrzahlbegriff, denn er handelt mit Futures.

In seine Presse-Statements baut Behring den Begriff einer Stop-Loss-Limite ebenso selbstverständlich ein wie die Wendung der «fehlenden Korrelation zwischen Futures und Zinsindizes». Und dann darf Dieter Behring die Bombe zünden und kommt auf das eigens von ihm entwickelte «Trendvorhersage-Modul» zu sprechen. Und ist das Sesam-öffne-dich-Wort der Börsenhändler, «Vorhersage», erst ausgesprochen, fällt jede Scham vor der Irrationalität der Kernaussage: «Ziel ist es, für einzelne Produkte eine Art genetischen Verhaltenscode zu finden und damit Kursbewegungen zu antizipieren. Eine solche Rechenoperation kann für ein Produkt einen Zeitraum von 5000 Jahren umfassen und dauert rund zwei Wochen. Gleichzeitig justiert sich das System laufend an Extremsituationen.»

Jetzt sind alle Schleusen der journalistischen Vorsicht eingebrochen, und die Eigendeklarationen des Börsengenies Dieter Behring ergiessen sich wie riesige Wassermassen über die Klippen des gesunden Menschenverstandes. Dieter Behring vergleicht sich kurzerhand mit den zehn weltbesten Hedge-Funds, die zwischen 1995 und 1999 jährliche Renditen von rund 62 Prozent erwirtschaftet hätten, er bringe es auf gut 53 Prozent. Und das alles steht unter dem Motto «Mit tiefem Risiko kleine Renditen erwirtschaften». Kaum an die Öffentlichkeit getreten, ist Dieter Behring ein bedeutender Hedge-Fund-Manager.

Die stille Phase des Aufbaus

Die stille Phase des Aufbaus dauerte ein Jahrzehnt und begann damit, dass Dieter Behring eine Bekanntschaft machte, die für beide schicksalhafte Züge annehmen sollte. 1992 lernte er Peter Weibel, eine brillante und gewinnende Persönlichkeit mit besten Beziehungen zu Bank- und Finanzkreisen, kennen. Der passionierte Flieger mit eigenem Helikopter und Landeplatz vor seiner Villa im elsässischen Leymen verfügte genau über jenes Beziehungsnetz und jenes gesellschaftliche Ansehen, deren es Dieter Behring ermangelte.

Peter Weibel muss mit seiner Intelligenz und Geschäftserfahrung sofort realisiert haben, dass er in der Person von Dieter Behring mit dessen computergesteuertem Anlagekonzept für Hedge-Funds einem grossen Verkaufsstrategen, ja einer «Geldmaschine» begegnet war. Weibel muss Behrings Besessenheit für dessen selbst entwickeltes Trendfolge- und Vorhersagesystem im Börsengeschäft bemerkt und wohl auch die Möglichkeit gespürt haben, dieses Reservoir an Geldschöpfung und -vermehrung für seine eigenen geschäftlichen und privaten Investitionen fruchtbar zu machen.

Umgekehrt war Behring fasziniert von der Idee, über Peter Weibel in direkten Kontakt mit der Bankenwelt zu treten. Weibel war damals Verwaltungsrat der Geo Bank in Genf. Ein gemeinsamer Geschäftsfreund machte die beiden miteinander bekannt. Dieter Behring umschwärmte den Geschäftsanwalt mit seinem Börsenhandelssystem und seiner Performance. Und eines verstand der Börsianer Behring: Er konnte imponieren und sogar überzeugen. Die beiden waren füreinander die ideale geschäftliche Ergänzung, um zusammen ein Finanzimperium aufzubauen.

So erschien es nur folgerichtig, dass Weibel zwei Jahre später, am 6. September 1994, in der von Behring neu gegründeten QED Consulting das Amt eines Verwaltungsrates übernahm. In dieser Firma, die später Schönkind Holding heissen wird, wurde das Tradingsystem – die Software mit der Bezeichnung Rico – entwickelt und auch praktisch angewandt. Mit Peter Weibel war die Firma zu ihrer Galionsfigur gekommen.

Die Zeit der neunziger Jahre war fürs Business der beiden Geschäftspartner günstig – es waren die guten Börsenjahre. Dieter Behring deklarierte im Jahr 1995 mit seinen Managed Futures Performances von über 75 Prozent, für 1996 knapp 46 Prozent und 1997 verblüffende 149,6 Prozent.

Für Peter Weibel war es mit solchen Erfolgszahlen in der Hand leicht, Kunden zu finden, die bereit waren, grosse Kapitalien nach dem Rico-System anzulegen und verwalten zu lassen. Weibel verdiente durch Kommissionszahlungen kräftig mit. Er führte dem Behring-System insgesamt rund die Hälfte der verwalteten Gelder zu. Das waren rund 400 Millionen Franken.

1998 schien für Behring die Zeit gekommen zu sein, die Firmenstruktur auszubauen und von den mannigfaltigen Vorteilen des Offshore-Bankings und den labyrinthisch verschlungenen Pfaden einer verschachtelten Firmenstruktur zu profitieren.

Die zwei Geschäftsfreunde gründeten zusammen mit Hilfe des liechtensteinischen Treuhänders Werner Keicher am 23. September 1998 die Moore Park Investments auf den British Virgin Islands. Diese Firma sollte als Offshore-Anlageplattform für die Investitionsgelder verwendet werden. In ihr wurden alle Kundengelder gepoolt, von dort in die behringschen Anlagekanäle weitergeleitet und in nicht zu knappem Ausmass an Behring und Weibel zurückgeleitet. Zeichnungsberechtigt in diesen Firmengebilden und über die Bankkonten waren die beiden zusammen mit Werner Keicher, dem Treuhänder des Allgemeinen Treuunternehmens (ATU) in Vaduz.

Die Grundidee war einfach: Über diese Gesellschaft wurden mit den Investoren Darlehensverträge mit fixen oder variablen Zinssätzen abgeschlossen. Dieter Behring erhoffte sich dadurch, dass die Investitionen als Darlehen eingenommen wurden, den Bestimmungen des Bankengesetzes zu entgehen. Diese verbieten es, Publikumseinlagen ohne Banklizenz entgegenzunehmen. Formell juristisch ist ihm dies nicht ganz geglückt. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) hat deswegen im Fall der Stiftung Pro Facile Strafanzeige gegen die Verantwortlichen eingereicht. Kommerziell war das System jedoch in all den Jahren seiner Tätigkeit erfolgreich. Erstaunlicherweise wurden Behrings Vermittler in ihrer Arbeit durch keinerlei Eingriffe seitens der Aufsichtsbehörde, der EBK, gestört.

Für die Kunden stellte sich das Darlehensgeschäft auf den ersten Blick nicht besonders riskant dar. Sie beteiligten sich nur indirekt über einen biederen und jedermann geläufigen Darlehensvertrag an einem erfolgreichen System. Mit Börsenspekulationen hatten die Investoren nichts am Hut. Sie spekulierten nicht, denn sie hatten ja einen festen Zins, der über dem marktüblichen Niveau lag, und das Versprechen einer Firma in der Schweiz oder auf den Bahamas, nach Beendigung der Investition das Kapital ungeschmälert zurückzuerhalten. Sie partizipierten nur virtuell und indirekt an den an sich riskanten Spekulationen, die durch das Rico-System gezähmt schienen. Den Härtetest bestand das Anlagesystem in den Augen der Investoren, indem die Zinszahlungen halb- oder gar vierteljährlich immer pünktlich erfolgten. Das System funktionierte. Wer sein Kapital zurückhaben wollte, bekam es – aber wer wollte das schon bei derart hohen Zinsen?

Dieser äusseren Logik folgend, wuchs der Kundenkreis mit frappanter Geschwindigkeit. In Nassau wurde eine ergänzende Firmenstruktur errichtet. Und auch da kamen Dieter Behring die Beziehungen des Anwalts Weibel zustatten. Als Mitglied des Harvard Club of Switzerland kannte dieser den früheren Präsidenten des Genfer Vereinszweiges, den Banker Raymond F. Pousaz. Der hatte einen Universitätsabschluss in Lausanne und 1969 an der Harvard Business School den Master of Business Administration (MBA) bestanden. Anschliessend durchlief er über drei Jahrzehnte eine erstaunliche Karriere, hatte die Spitzenposition des Generaldirektors der UTO Bank, Zürich/Genf, inne und war anschliessend Delegierter des Verwaltungsrates von Bankers Trust in Zürich und Vizepräsident der Bankers Trust Company in New York. Auch in der gediegenen Genfer Privatbank Pictet war Pousaz tätig, spricht jedoch nicht mehr gerne davon. Damals bekam er die Härte der Banken am eigenen Leib zu spüren und sah sich, von der Schweizer Finanzwelt enttäuscht, 1996 veranlasst, im Alter von 53 Jahren zusammen mit seiner Ehefrau nach Nassau auszuwandern.

Pousaz hatte einen Konkurs hinter sich und war praktisch mittellos. So kam Anfang 1999 die Anfrage des Vereinsfreundes Peter Weibel aus Basel gelegen, ob er bereit sei, als Statthalter für dessen finanzielle Aktivitäten auf den Bahamas zu fungieren. Pousaz war zu diesem Zeitpunkt in der Geschäftsleitung der Sentinel Bank & Trust, Nassau, tätig. Er sagte zu, weil die neue Geschäftsverbindung nicht nur der Bank, sondern auch ihm selbst bedeutenden Zusatzverdienst zu bringen versprach. So hatten sich bereits 1999 in diesem Trio die Protagonisten der späteren Finanzaffäre zusammengefunden.

Eine Bedingung, die das Firmenkonstrukt nach dem Auftrag Dieter Behrings auf jeden Fall zu erfüllen hatte, war, ihn von jeder Verantwortung gegenüber den Kunden freizuhalten. Ende 2004 sprach das Oberlandesgericht Frankfurt einem Anleger, der auf Empfehlung seiner Bank eine Argentinien-Anleihe gezeichnet und Geld verloren hatte, Schadenersatz zu. Das Urteil wurde damit begründet, dass die Empfehlung der Bank nicht dem ihr bekannten Risikoprofil des Kunden entsprochen habe. Die Rechtslage in der Schweiz ist in diesen Fragen der auftragsrechtlichen Sorgfaltspflicht ähnlich. Die Rechtsgrundlage ist praktisch die gleiche. Deshalb durfte Behring die Kunden weder beraten noch die Gelder direkt in Empfang nehmen. Als das sicherste Konzept empfahlen Behrings Rechtsanwälte und Treuhänder die Lizenzierung seiner Software für das Rico-System. Er war Softwareentwickler und Lizenzgeber, basta. So war er praktisch jeder Haftung enthoben.

Damit konnte Behring allerdings kein Geld akquirieren. Diese Hürde mussten seine unabhängig von ihm und auf reiner Kommissionsbasis arbeitenden Vermögensberater und -verwalter nehmen. Dafür war er bereit, ihnen fette Umsatzbeteiligungen abzutreten – diese bewegten sich oft im zweistelligen Prozentbereich! Es war für Dieter Behring deshalb sicherer, auf Lizenzierung und Offshore-Territorium auszuweichen. Jede Rechtsverfolgung war dadurch wenn nicht von vorneherein ausgeschlossen, so doch durch die ausländischen Gerichte, die es im Streitfall anzurufen galt, erheblich erschwert.

Innert kurzer Zeit wurden auf den Bahamas und den British Virgin Islands mehr als ein halbes Dutzend Firmen errichtet, alle mit ähnlichen, leicht zu verwechselnden Firmenbezeichnungen: Moore Park Funding, Moore Park Fund Services, Moore Park Investments (Bahamas), Moore Park Investments (British Virgin Islands), Moore Park Asset Management, Moore Park Investment International. Später, im Jahr 2004, taucht in gewissen Verträgen zudem eine Moore Consulting, British Virgin Islands, auf. Dieses Firmengeflecht wurde auch in Basel durch Firmengründungen entsprechend ergänzt. Im Endausbau war Dieter Behring Eigentümer von zwei Holdingfirmen: der Redsafe Holding, die sich zur Schönkind Holding wandelte, und der Swisspulse Holding, beide mit Sitz in Basel.

Diese beiden Holdingfirmen sollten bis 2003 je vier Töchter bekommen. Der Schönkind Holding gesellten sich die viel versprechenden Töchter mit Namen Redsafe Bank, Redsafe Hornblower, Bank Behring & Eberle und Schönkind Asset Management bei. Die Swisspulse-Töchter namens Swisspulse Systems, Swisspulse Real Estate, Swisspulse Marketing und Swisspulse Corporate Investments waren sozusagen ihre Cousinen. So war aus dem Firmengeflecht ein Global Village der drei Geschäftspartner entstanden, eine virtuelle und labyrinthartige Welt. Durch dieses Labyrinth wurden Finanzströme in dreistelliger Millionenhöhe nahe an der Milliardengrenze geschleust.

Das Behring-System

Der innerste Kern der Geschichte über Behring ist sein System, das Börsenhandelssystem Rico. An ihm hat er zweifellos lange gearbeitet, es ist sein Werk und sein Stolz. Es ist sein Kind, sein schönes, wohlgeratenes Kind, sein «Schönkind». Er hat den vergessenen Namen «Schönkindhof» des mittelalterlichen Hauses an der Petersgasse in Basel, in dem er wohnte und arbeitete, wieder zu neuem Leben und zu Berühmtheit erweckt. (Der Hof gehörte im 14. Jahrhundert zum Predigerkloster, und die Infirmaria, eine kleine Spitalkapelle, lag im Garten des Johannes Schönkind.)

Behring hat die Firma, die all seine anderen Firmen besass, also die Holding, auf den Namen Schönkind Holding getauft und auch andere Firmen mit dieser symbolträchtigen Bezeichnung versehen.

Die Entwicklung seines Börsenhandelssystems Rico ist mit seiner Biografie eng verwoben. Auf dieses schöne Kind kommt Dieter Behring nochmals zu sprechen, als ihn im Juni 2002 Marcel Sigrist, der Redaktor des Zürcher «Tages-Anzeigers», fragt, wieso er dieses System nicht verkauft habe. Behring verweist auf ein von ihm verschmähtes Angebot über 88 Millionen Dollar und antwortet mit der viel sagenden, keineswegs emotionsfreien Gegenfrage: «Rico ist mein Kind! Und was soll ich sonst machen?»

Ich sehe an dieser Geburtsstätte des Behring-Systems, die nun im immensen Friedhofsgelände der begrabenen geschäftlichen Hoffnungen, in den Archiven der Konkursämter, liegt, bereits auch das Unkraut des Selbstbetruges spriessen. Jedem Betrug liegt ein Selbstbetrug zu Grunde.

Es ist zwar gewiss so, dass der Mensch aus Fehlern lernen kann. Aber Behrings Ziel, das er sich mit diesem System gesetzt hat, erinnert doch stark an das Versprechen des leidenschaftlichen Spielers im Zustand des Bankrotts, der seinen Geldgebern hoch und heilig verspricht, die Hände vom Roulette-Tisch zu lassen – ausser es gelinge ihm, ein todsicheres Gewinnsystem zu kreieren.

Weiterspielen zu können, scheint das Wesentliche an Behrings Botschaft zu sein. Weiterzuspielen, ohne gross zu verlieren. Jedenfalls hat damals Behrings Suche nach einem computergestützten Börsenhandelssystem begonnen. Da sein System nur aus Selbstzeugnissen des Erfinders bekannt, im Wesentlichen aber topgeheim ist, dürfen wir auch die kühne Marketingstrategie nicht ausser Acht lassen, die Behring mit diesem Produkt verbunden hat.

Zu seinem System gehört ganz wesentlich, wie er darüber gesprochen, wie er es publik gemacht hat. Entwickelt hatte er sein System in aller Stille. Laut eigenen Angaben soll er nahezu drei Jahrzehnte an der Systementwicklung gearbeitet, daran gefeilt und geschmirgelt haben. Allerdings nahm er erst vor der Jahrtausendwende in grösserem Ausmass fremde Gelder auf, um sie in sein System einzuspeisen. Dabei achtete er immer strikt darauf, dass die Gelder in die Parallelunternehmung Moore Park flossen, die er zu diesem Zweck im Herbst 1998 auf den Bahamas und den British Virgin Islands gegründet hatte.

Sein System stellte er in der Schweiz zunächst in so genannten Präsentationen an seinem Firmensitz und später auch auf Einladung von Finanzinstituten persönlich vor. Doch erst im Sommer 2002 betrieb Dieter Behring für sein System öffentlich Propaganda. Sein Auftreten war in Fachkreisen wie auch gegenüber den Medien auffallend selbstsicher. Seine Hauptleistung besteht unbestritten darin, dass es ihm gelang, Investoren in den Hochrisikobereich von Futures und alternativen Anlagen zu locken. Er erreichte das ganz einfach dadurch, dass er unablässig von Sicherheit sprach, von kleinen Verlusten und entsprechend bescheidenen Gewinnen. Er betonte auch, sein System biete keinen Raum für die Gier und die Gewinnsucht von Anlegern. Das tönt ausgesprochen seriös und plausibel.
So erklärte Dieter Behring sein System: Erst einmal rühmte er sich, er setze nur 30 Prozent des Kapitals im Futures-Handel, im so genannten Trading, ein; 70 Prozent des Kapitals werde mündelsicher in Bundesobligationen oder in Festgeld angelegt. Sodann verfolge sein System eine Risikodiversifikation in acht verschiedene Märkte von Futures, nämlich in Aktienindizes, Zinsindizes, Währungen, Metalle, Öl- und Energieprodukte, Fleisch, Getreide und Sojabohnen sowie Softs (zum Beispiel Kaffee) and Industrials.

Diese acht Kategorien umfassen insgesamt 40 Produkte. Das Anfangsrisiko betrage typischerweise 1/4 bis 3/4 Prozent pro Position, höchstens jedoch 11/2 Prozent. Für jeden Kontrakt werde eine Stop-Loss-Limite festgesetzt, um das Risiko klar zu begrenzen. Zweimal pro Tag berechne das System den Preis, bei dem eine Position zu kaufen oder zu verkaufen sei. Ziel des Systems sei es ferner, Verluste innerhalb von acht bis zehn Monaten auszugleichen. Die Korrelationen zwischen den einzelnen Produkten sind sehr tief, null oder negativ. Dadurch wird das Risiko der Investition durch die Marktaufteilung entscheidend verringert. Dieter Behring verwendete nach eigenen Angaben keinerlei Hebel – so genannte Leverage – auf dem investierten Kapital.

Das Herzstück des Systems ist ein Trendfolgemodul, das er Rico-System nannte, wobei Rico für «real input – creative output» steht. Er fütterte das System mit den harten Fakten der Börse, mit den Kurswerten, ihren Schwankungen und den gehandelten Mengen.

Es existieren unzählige Trendfolgesysteme, mit denen Hedge-Fund-Manager arbeiten und die sogar im Internet zum Kauf angeboten werden. Sie setzen sich zur Aufgabe, Trends in der Kursentwicklung von Börsenwerten festzustellen und den Zeitpunkt zu bestimmen, in dem bei sinkender Tendenz der Investor spätestens durch Kauf des Wertes einsteigen und bei steigender Tendenz spätestens durch Verkauf aussteigen soll, um einen möglichst grossen Gewinn zu realisieren. Behring ging so weit zu behaupten, er habe nicht ein Trendfolgemodell entwickelt, sondern ein Trendvorhersagesystem gefunden. Damit hatte er den Rubikon überschritten. Die Grenze zwischen Trendfolge und Trendvorhersage hat sich im Bereich der Börse bisher als praktisch unüberwindlich erwiesen. Er verstieg sich in die unglaubliche Behauptung, er habe 500 Jahre – laut anderen Angaben sogar das Doppelte – an Erfahrung in das System eingespeist und den «genetischen Code der Börse» geknackt.

Von diesem Augenblick an kann Behring sein von ihm selbst entwickeltes System, ohne zu erröten, das «praktisch todsichere Börsensystem» nennen.

Der sichtbare, leicht fassbare Beweis für seinen Erfolg war eindeutig die Ziffernfolge, die Behring bei Präsentationen auf die weisse Fläche gegenüber dem Publikum projizieren konnte: sein von der Steuerverwaltung Basel-Stadt amtlich bescheinigtes Vermögen in Höhe von 430 Millionen Franken. Auf diesen Betrag hatte die Steuerverwaltung seine Firma unter starker Gewichtung ihres Ertragswertes eingeschätzt. Sein Einkommen bezifferte er gegenüber den Medien im Jahr 2001 mit 10 Millionen, im folgenden Jahr bereits mit 30 Millionen und im Jahre 2003 mit sage und schreibe 100 Millionen Franken.

Das ist der Stoff, aus dem die Träume der Investoren gemacht sind. Rein rechtlich hatte Dieter Behring kein Gewinnversprechen abgegeben. Er beschrieb nur, wie gut das System ihm persönlich bekommen war. Um dann noch ganz beiläufig beizufügen, er verwalte ein Kundenvermögen von einer Milliarde Franken.

Der Verkäufer in eigener Sache

Dieter Behrings Erfolgsgeheimnis liegt in der Art und Weise, wie er es verstand, sein Börsenhandelsprogramm an seine potenziellen Kunden zu kommunizieren. Rückblickend ist mehr als fraglich, ob Dieter Behring ein grosses Anlagetalent war, ganz gewiss ist er jedoch ein herausragendes Verkaufs- und Marketingtalent.

Wesentlich war die von Anfang an betonte und weitgehend durchgehaltene und am Schluss sogar verstärkte Trennung der Akquisitions- von der Anlagetätigkeit, die nach dem Rico-System durchgeführt werden sollte. Rico war im ausschliesslichen, abgeschotteten Schattenbereich von Dieter Behring und dessen Firma Swisspulse, die zu Beginn noch QED und eine Zeit lang Redsafe geheissen hatte, angesiedelt. Das Akquisitionssystem wurde nach einer Einführungszeit von Behring abgetrennt und 1998 auf die Bahamas und die British Virgin Islands verlegt. Bis zum Sommer 2003 hatte er in diesen Firmen offiziell die Funktion eines Director, zog sich dann aber formell zurück und verkaufte die Firma seinem Statthalter Raymond Pousaz, wenn auch nur treuhänderisch.

Diese Marketingstruktur sowie Behrings Versteckspiel und sein cleveres Vorgehen erlaubten es ihm 2004, als die Situation für ihn brenzlig wurde und ihm das Ganze über den Kopf zu wachsen begann, sich auf die Position zurückzuziehen, er sei nur Lizenzgeber und Lieferant seines Rico-Systems an die Moore-Park-Gruppe.

Die Anlagegelder in Höhe von insgesamt 890 Millionen Franken wurden von einigen tausend Investoren aus dem In- und Ausland – weitaus die meisten aus der Schweiz, aber auch aus Deutschland, Portugal, Süd- und Mittelamerika – aufgebracht. Die Anlagegelder landeten über verschiedene Zwischenstationen im grossen Sammelbecken der Moore Park Investments, (British Virgin Islands), und wurden dann nach Weisungen Behrings oder seines Mitarbeiters Jürg Suter an verschiedene Empfänger weitergeleitet.

Es gibt Anhaltspunkte, dass in den Jahren 2002 bis 2004 rund die Hälfte der Gelder von dort an die Moore Park Investment International, knapp ein Drittel an Behring und der Rest an den Realto Fund geflossen sind. An die Moore Park Investment werden nach dem ersten Bericht des Liquidators von den Vermittlern, Funds, Banken und Direktanlegern insgesamt rund 812 Millionen Franken Forderungen gestellt, davon rund 82 Millionen in US-Dollars und 49 Millionen in Euros. Gemäss Angaben der Schweizer Bundesanwaltschaft betragen die gesamten Investitionen, die der Moore-Park-Gruppe zuflossen, 890 Millionen Franken.

Es mag überraschen, dass Behring anfänglich und hauptsächlich das ganz gewöhnliche Anlagevehikel Darlehen einsetzen liess, meist, wie geschildert, mit einem festen oder periodisch anzupassenden Zinsfuss. Das Darlehen des Investors war auf unbestimmte Zeit gewährt, immer war es ihm möglich, die Rückzahlung mit kurzer Kündigungsfrist von sechs Monaten oder einem Jahr zu fordern. Man kann sich nachträglich fragen, wieso Behring und Weibel dieses althergebrachte Anlagemittel einsetzten, um Geld zu akquirieren.

Ich habe aus meinen Gesprächen mit vielen Geschädigten den Eindruck gewonnen, dass es ausgerechnet die Wahl der Darlehensform war, die ihnen oft seit ihrer Schulzeit vertraut war und einen seriösen Eindruck machte. Sie hatten ein schriftliches Rückzahlungsversprechen für ihr Kapital und zusätzlich einen festen Zins. Das erweckte in ihnen ein Sicherheitsgefühl, das stets ganz wesentlich durch den charmanten und gewinnenden Verkäufercharakter der Vermittler genährt und gepflegt wurde.

Das besonders Attraktive an diesem Darlehen war zweifelsfrei dessen Zins, der um ein Vielfaches über den damals wie heute üblichen Zinsen für Bankeinlagen lag und meist zwölf Prozent betrug. Aber für diesen hohen Zins lieferten die Vermittler und Behring selbst an den Präsentationen eine scheinbar einleuchtende Erklärung. Dieter Behring war Erfinder und Betreiber eines überlegenen Anlagesystems, das es ihm möglich machte, durch Ausnützen kleiner Volatilitäten selbst bei fallenden Börsenkursen recht hohe, zum Teil phänomenale Renditen, die über 50 Prozent hinausreichten, zu erzielen.

Aber über das alles brauchte sich der Investor nicht den Kopf zu zerbrechen. Die Vermittler zeigten ihm willig die monatlichen Renditezahlen und erklärten ihm das finanztechnisch ausgeklügelte System der Anlage in Hedge-Funds und Managed

Futures mittels des Rico-Systems, so wie sie es selbst an den Präsentationen von Dieter Behring vorgesetzt bekommen hatten. Es war keineswegs nötig, dass der einzelne Investor alles bis ins Detail verstand. Es genügte, ihm zu zeigen, dass Dieter Behring wirklich der Börsenguru war. Das konnte jeder ab dem Jahr 2002 in den Zeitungen nachlesen oder in Präsentationen, wenn ihm die Ehre zuteil wurde, den Guru während eines Werbeauftrittes persönlich kennen zu lernen. Ihn wirklich persönlich unter vier Augen sprechen und einen Managed Account bei Behring führen konnte ein Investor erst, wenn er bereit war, 20 Millionen Franken oder mehr bei jenem zu investieren.

Behring kauft eine Bank

Der Schlüssel zum Verständnis des Falles Behring liegt darin zu verstehen, dass Dieter Behring, der Trader und EDV-Tüftler, Bankier werden wollte. Schwimmen, nicht nur im eigenen Swimming-Pool – das können andere auch –, aber im Geld: Das wäre das ultimativ Exklusive. Kaum ein anderer Beruf als der des Bankiers geniesst eine derart hohe gesellschaftliche Reputation. Der Bankier steht in diesem gesellschaftlich akzeptierten Bild mitten in den internationalen Geldströmen aus allen Himmelsrichtungen und kann sie lenken. Aber Bankier zu werden, ist in der Schweiz nicht einfach, in Basel schon gar nicht.

Nur wenige wie Martin Ebner haben es als Newcomer geschafft, Bankier zu werden. Und auch er stand nach fortgeschrittener Börsenbaisse im Oktober 2002 kurz vor der Pleite und hat sich seither nie mehr zu alter Stärke aufgeschwungen. Seither gilt er für viele bloss noch als Börsenspekulant. Die Vorgänge um Martin Ebner haben Behring sicher vor Augen geführt, dass mit dem Kauf einer Bank nicht zu spassen ist.

Ausgerechnet in jenem kritischen Zeitpunkt, im Herbst 2002, entschloss sich Dieter Behring, die Redsafe Bank zu kaufen. Und wie das Leben so spielt, war es gewiss nicht nur der Traum vom Bankierleben, der Behring vorwärts trieb. Je länger seine Durststrecke über die katastrophalen letzten drei Börsenjahre dauerte, desto mehr war er auf zusätzliche Geldzuflüsse angewiesen. Es war die Zeit des Internethypes, und die Redsafe war als Online-Bank konzipiert, die es den Kunden erlauben sollte, deren Bankgeschäfte am PC übers Internet per Knopfdruck abzuwickeln. Das schien in jener Zeit ein Erfolg versprechendes Konzept zu sein, um an neue Bankkunden heranzukommen. Letzte Schwellenängste wären gebannt, wenn der Kunde am Bildschirm seiner Bank so einfach begegnen könnte. Der Plan sah vor, dass innerhalb von drei Jahren mit einer Kundschaft von rund 35 000 Personen die Gewinnschwelle, der Break-even-Point, zu erreichen war. Die Entwicklungskosten waren auf 75 Millionen Franken veranschlagt. Aber Ende 2002 waren gerade einmal 3200 Kunden akquiriert worden.

Der Betrieb wurde eingestellt und ein Betrag über 150 Millionen Franken abgeschrieben. 55 Mitarbeiter verloren ihren Job. In Dieter Behring erwuchs der Swiss Life ein Retter in der Not. Er kaufte den Firmenmantel samt der EDV-Technologie, die Soft- und Hardware und den Verlustvortrag. Vor allem aber – und das war das Entscheidende für den Käufer – war er Besitzer einer Bank und der Erteilung einer Banklizenz näher als je zuvor.

Die bisherige Lizenz war sistiert worden, aber das Bewilligungsverfahren für den Käufer war vereinfacht, es waren lediglich Zusatzabklärungen wegen des neuen Geschäftsmodells vorzunehmen. Als weiteren Käufer mit einem Drittelanteil hatte Dieter Behring zudem den bisherigen CEO von Redsafe, Rolf Engel, in die Kaufverhandlungen eingebunden. Als Kaufpreis wurden 50 Millionen Franken vereinbart.

Im Januar 2003 war der Deal über den Kauf der Bank mit der Swiss Life perfekt, und Dieter Behring machte ihn publik.

Nach dem Kaufabschluss entstand im Behring-Imperium eine regelrechte Redsafe-Manie. Seine auf Swisspulse und Moore Park getauften Firmenmütter und -töchter benannte Behring in Redsafe um, immer dekoriert mit Zusatzbezeichnungen. Es gab nun also an Stelle der Swisspulse Holding neu eine Redsafe Holding und so weiter. Behrings erklärtes Ziel war es, längerfristig die Bank wieder zur ursprünglich von Swiss Life geplanten Grösse und Prosperität zu erheben, und zwar durch die Abwicklung von Futures mittels eines hochautomatisierten Computersystems. Das würde ein Geschäft werden, nicht für die Masse, sondern für die Börsenprofis. Der Schritt zum Bankier war derart gross, dass er das Kräfteverhältnis und die Interessenlage zwischen den drei Partnern der Finanzgruppe, Dieter Behring, Peter Weibel und Raymond Pousaz, grundlegend veränderte. Seit Behring den verhängnisvollen Entschluss gefasst hatte, eine Bank zu erwerben, konzentrierte er sich auf diesen für ihn entscheidenden Vorgang.

Behring war sich darüber im Klaren, dass der Schritt zum Bankier und damit auch in die Gesellschaft der Superreichen so lange nicht getan war, wie die EBK die Banklizenz nicht bedingungslos erteilt hatte. Noch immer war die Lizenz der Redsafe Bank suspendiert. Die entscheidende Sitzung der EBK in Sachen Redsafe war auf Mitte April 2004 angesetzt. Ausgerechnet zwei Wochen vor diesem Termin war vom «Tages-Anzeiger» der erste Pressewirbel ausgelöst worden und führte dazu, dass der Entscheid über die Lizenz abermals verschoben wurde. Die EBK verlangte von Behring zusätzliche Auskünfte.

Einem seiner Mitarbeiter gegenüber soll er sich etwas später über die EBK-Recherchen etwas unschicklich geäussert und gesagt haben, er sei nicht nur veranlasst worden, die Hosen herunterzulassen, es sei ihm auch noch die Vorhaut zurückgezogen worden. In dieser sichtbar misslichen Lage, die unverhältnismässig und unverständlich lange, nämlich anderthalb Jahre, andauern sollte, sann Dieter Behring – von jeher ein Mann der Tat, der keinen Aufschub duldete und dem blosses Zuwarten als unverzeihliche Nachlässigkeit erschien – nach Möglichkeiten, wie er seiner grossen Sache, seinem Weg nach oben, endgültigen Auftrieb verleihen könnte.

Es war ihm durch seine Kontakte zur Basler Gesellschaft, die er seit 1999 suchte, klar geworden, dass sich jeder wirklich erfolgreiche Basler, wie die Reichen überall auf der Welt, intensiv mit dem Kunstmarkt befasst, die Kunst finanziell auf mannigfache Weise fördert und in diesem kapitalen wie kapitalistischen Sinn Kulturschaffender oder Kulturbotschafter ist. Wer seinen finanziellen Appetit nachhaltig gestillt hat, den dürstet es unfehlbar nach höheren Weihen der Kunst.

Er entschloss sich kurzerhand, entsprechend vorzugehen. Am 15. Mai 2004 wurde von der «Basler Zeitung» Holz ins Feuer der Begeisterung der Basler Öffentlichkeit gelegt: «Jetzt ist es offiziell: Das neue Kunsthaus des Basler Börsenhändlers Dieter Behring an der Basler Spitalstrasse heisst ‹Botschaft Basel›.» Da war auffallend viele Male das Wort «Basel» in einem einzigen Satz drin. Für die vermutete Absicht, die hinter dieser «Botschaft» steht, ist aufschlussreich, wie sich Dieter Behring gegenüber der Zeitung bereits als Börsenhändler darstellen liess, obwohl er nie über eine Börsenhandelslizenz verfügte.

In der Wochenendausgabe der «Basler Zeitung» wurde als neuer Leiter der «Botschaft Basel» ein überaus lässiger Marc Bättig im offenen Hemd und einer Hand in der Hosentasche mit coolem Lachen präsentiert. Er ist in der Szene bekannt als Associate Director der Kunstausstellung «Art Basel». Bättig erklärte: «Ich bin kein Kurator. Meine Aufgabe ist es, Kuratoren zu finden.» In einem ganzseitigen Interview wurde das künftige Programm voller Begeisterung vorgestellt. Jahresbudget: rund zwei Millionen. Das war eine Grössenordnung, Beträge wurden keine genannt. Ein Jahr zuvor hatte Behring das Haus für über 20 Millionen Franken gekauft, in dem auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern Ausstellungen stattfinden, Künstler wohnen, Bistro und Buchladen vorhanden sein sollten. Gewinn müsse das Haus nicht abwerfen, betonte Marc Bättig, die Stiftung werde vielmehr öffentliche Kunstsammlungen in Basel unterstützen. Der Stiftungsrat werde sich aus dem Ehepaar Behring und Alt-Flughafendirektor Paul Rhinow zusammensetzen. Bättig fügte willig an, er sei mit Behring bekannt und Paul Rhinow sei mit den Behrings befreundet. Kryptisch und seltsam klingt sein weiteres Statement in diesem Interview: «Wir haben den Auftrag, der Stadt etwas zurückzugeben.» Was hat denn Behring der Stadt genommen?, mag sich mancher schon damals gefragt haben.

Die Stiftung wurde am 10. Juni 2004 mit einem Dotationskapital von 100 000 Franken gegründet. Doch einen Monat später wird das Projekt abgebrochen. Der Stifter, Dieter Behring, habe die Lust verloren, berichtet die «Basler Zeitung» am 29. Juli 2004. Am 1. November des gleichen Jahres beruft die Stiftungsaufsicht den gesamten Stiftungsrat ab und setzt eine amtliche Verwaltung ein. Die Wellen sind über Dieter Behrings Schiff zusammengeschlagen.

Lesen Sie in der nächsten BILANZ:
Das Ende des Börsengurus – zweiter Teil des Vorabdrucks