Politiker haben keine Ahnung, wie die Schweizer Verkehrspolitik funktioniert, erklärten Sie kürzlich in einem Interview. Was hält ein Transportunternehmer, der täglich mit Verkehrsproblemen zu kämpfen hat, von der Schweizer Verkehrspolitik?
Josef A. Jäger: Derzeit stehen einige Massnahmen, welche die Verkehrsprobleme lösen sollen, zur Diskussion. Dazu gehört die Alpentransitbörse, die ein absolut untaugliches Mittel ist, um die Probleme auf der Transitachse durch die Schweiz zu lösen. Sinnvoll wäre sicher eine zweite Gotthardröhre, doch diese ist für den Güterverkehr nicht absolut zwingend. Der Güterverkehr am Gotthard leidet nicht primär unter den vorhandenen Kapazitäten, sondern unter dem Regulierungssystem.
Im Zusammenhang mit der Einführung der 40-Tonnen-Gewichtslimite ist immer wieder vom Produktivitätsgewinn des Lastwagens die Rede, der durch die höhere LSVA abgeschöpft werden soll. Hat die Gewichtserhöhung der Firma Camion Transport wirklich einen Produktivitätsgewinn gebracht?
Jäger: Nein, in keiner Weise, wir verfügen derzeit lediglich über fünf 40-Tonner-Fahrzeuge. Im Stückgutverkehr hat die Ladefläche Priorität und nicht die Nutzlast. Bei Schüttgütern oder Tankwagen allerdings hat sich der Produktivitätsgewinn ausgewirkt.
Müsste nicht in Sachen Ausbau der wichtigsten Verkehrsachsen mehr Energie an den Tag gelegt werden?
Jäger: Die Verbindungen Ost-West und umgekehrt müssten konsequent auf drei beziehungsweise sechs Spuren ausgebaut werden. Wie seit einigen Jahren in Italien bereits umgesetzt, könnten, um teure Neubauten aller Brücken zu vermeiden, die heutigen Pannenstreifen zur 3. Spur ausgebaut und mit einem Pannenstreifen erweitert werden. Bei Brücken und anderen Engpässen könnte der Pannenstreifen dann für diese kurze Strecke aufgehoben und, sobald die Platzverhältnisse wieder vorhanden sind, weitergeführt werden.
Konnte die letzte LSVA-Erhöhung weit gehend auf die Kunden überwälzt werden?
Jäger: Unser Unternehmen konnte diese Erhöhung weit gehend überwälzen. Diese Mehrbelastung muss auch überwälzt werden können, denn für Transporteure, welche die LSVA nicht weitergeben können, wird die Situation schwierig. Diese enorme Belastung kann vom Transporteur gar nicht finanziert werden.
In jüngster Zeit wurden auch immer wieder verstärkte Kontrollen der Lastwagen als Mittel zur Verkehrslenkung vorgeschlagen. Ist dies vernünftig?
Jäger: Dazu zwei Bemerkungen. Zum einen ist es für mich inakzeptabel, dass die Polizei in immer stärkerem Masse als Mittel für die Geldbeschaffung der Kantone und zur Durchsetzung politischer Ziele missbraucht wird. Viele Kontrollen haben nämlich nur diesen einen Zweck. Kontrollen, welche missbräuchlich als verkehrsbehindernde Massnahmen eingesetzt werden, stellen reine Schikanen dar.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Jäger: Die Kontrollen der Achslasten stellen heute oft Schikanen dar, denn der einzelne Chauffeur kann die Gewichte der geladenen Güter ja nicht auf das Kilo genau feststellen. Einer unserer Lastwagen, der kein Kilo Übergewicht aufwies, aber die vorschriftsgemässen Achslasten überschritt, wurde drei Stunden festgehalten und die Ware musste zudem umgeladen werden. Dies ist reine Schikane und hat weder mit Verkehrssicherheit noch mit Verkehrspolitik zu tun.
Ihr Unternehmen arbeitet im Rahmen von Cargo Domizil eng mit den SBB zusammen. Wie beurteilen sie das derzeitige Angebot von SBB Cargo bzw. die angekündigten Abbaumassnahmen?
Jäger: Im innerschweizerischen Schienenverkehr bietet SBB Cargo sehr gute Dienstleistungen an. Was nicht befriedigt, ist die fehlende Kundenorientierung, hier sind dringend Verbesserungen nötig. Auch die Zeit für die Ausarbeitung einer Offerte ist viel zu lang. Die SBB muss wieder ein verlässlicher Bahndienstleister werden.
Sind in der Schweiz die Distanzen nicht zu kurz, um beispielsweise einen Cargo-Domino-Service kostendeckend anbieten zu können?
Jäger: Bei den meisten Transporten ist dies leider der Fall. Bei kurzen Distanzen und vor allem bei den Vor- und Nachtransporten zu den Schienen fallen die Kosten viel zu stark ins Gewicht.
Wäre denn eine Privatisierung von SBB Cargo eine Lösung?
Jäger: Wenn sich die Schweizer Industrie und die Transportunternehmer, welche diese Dienstleistungen benutzen, zu einem gemeinsamen Vorgehen entschliessen könnten, wäre dies durchaus eine Alternative. Vor allem aber müsste SBB Cargo eine effizientere Führungsstruktur erhalten. Dass Privatinitiativen erfolgreich sein können, bewiesen wir mit unserer Firma Camion Transport AG und zwei weiteren Partnern, als wir im Jahr 1996 von den SBB das wenig erfolgreiche Cargo Domizil übernahmen und dieses heute rentabel betreiben.
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Steckbrief: Der Steuermann
Name: Josef A. Jäger
Jahrgang: 1960
Familie: Verheiratet, drei Töchter
Funktion: VR-Präsident der Camion Transport AG, Wil
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Jäger Holding AG: Mobilität steht im Zentrum
Die Camion Transport AG gehört zur Firmengruppe der Jäger Holding AG. Mit 900 Mitarbeitenden und 420 Fahrzeugen ist sie die grösste der drei Gruppengesellschaften. Zur Firmengruppe gehört als zweitgrösste Gesellschaft die Larag AG, Wil. Das Unternehmen bietet mit seinen 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Full-Service rund um das Nutzfahrzeug an. Ausgerüstet mit einer Chassisrichtanlage, modernen Prüfanlagen für Leistungs- und Abgasmessungen, einer Autoelektrikabteilung, einer Karosseriewerkstätte sowie einer Lackieranlage können sämtliche Service- und Reparaturarbeiten an Nutzfahrzeugen ausgeführt werden. Mit der Liga AG in St. Gallen und Wil betreibt die Jäger Holding auch einen modernen Garagenbetrieb, der die Personenwagenmarken Mercedes-Benz, Fiat, Lancia und Alfa Romeo verkauft. Die gesamte Firmengruppe dürfte einen Umsatz von rund 300 Mio Fr. erzielen.