Er ist der stille Star unter den Schweizer Konzernchefs: Christopher, genannt «Chris», Kirk. Der Brite mit einem Bachelor-Abschluss in Zoologie verhält sich genau so, wie es der Grossaktionär, die deutsche Familie von Finck, von seinen Topmanagern erwartet: Er fliegt beharrlich unterhalb des Radars der Öffentlichkeit. Ausser dass er Frau und zwei Kinder hat, ist praktisch nichts über ihn bekannt, und das von aussen schwer zu durchschauende Geschäftsmodell «seines» Prüfkonzerns SGS trägt noch zum geringen Bekanntheitsgrad bei. Dabei ist Kirk hochgradig erfolgreich: Seit SGS 2009 in die oberste Schweizer Börsenliga SMI aufgestiegen ist, hat Kirk Spitzenleistungen erzielt. Im ersten Jahr setzte er sich im BILANZ-CEO-Rating auf den zweiten Platz, nur geschlagen von Bruno Pfister, der mitsamt seinem Arbeitgeber Swiss Life dann aber aus dem SMI abstieg. Für 2010 hat sich Kirk an die Spitze gearbeitet – er hat nicht nur die beste Performance erzielt, sondern begnügt sich auch mit einem moderaten Gehaltspaket. Kirk leistet am meisten und verdient am wenigsten – das macht den Briten zum wertvollsten Chef eines Schweizer Grosskonzerns.

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1981 in Neuseeland bei SGS eingestiegen, rückte Kirk 2003 zum Leiter der Sparte Minerals and Environmental Services auf, Ende 2006 erklomm er den Chefsessel, mit Rückendeckung von Konzernpräsident Sergio Marchionne: «Wir sind sicher, dass er die richtige Person im richtigen Umfeld ist.» Fiat-Chef Marchionne vertritt bei SGS den zweiten Grossaktionär im Verwaltungsrat: die Familienholding der Fiat-Erben, Exor.

Stabil und hochrentabel. Marchionne hat sich in Kirk nicht geirrt. Der Brite hat SGS, die, grob gesagt, Rohstoffe und veredelte Waren hinsichtlich ihrer Qualität, Menge und der Erfüllung von staatlichen und industriellen Normen prüft, konsequent auf höherwertige und damit ertragreichere Dienstleistungen ausgerichtet. So setzt SGS etwa mit ihren Angeboten, die auch viele Staaten einkaufen, heute früher in der Wertschöpfungskette an. Im Bergbau oder in der Landwirtschaft begutachten die SGS-Prüfer heute nicht erst die Endprodukte, sondern bereits die Felder und Berge. Dann beraten Kirks Mitarbeiter die Produzenten, wie sie ihre Güter möglichst effizient aus der Erde holen können. Seit seinem Antritt hält sich die Gewinnmarge auf Stufe Ebit oberhalb von strammen 16 Prozent und hat der innere Wert des Konzerns um 2,5 Milliarden Franken zugenommen. «Aus Sicht der finanziellen Performance ist SGS eine der stabilsten Firmen im SMI», bilanziert Stephan Hostettler, Managing Partner der Beratungsfirma «hkp» (Hostettler, Kramarsch & Partner). Die Zürcher Finanzexperten um Hostettler – sie errechnen das CEO-Rating im Auftrag der BILANZ – sind auf Fragen der wertorientierten Unternehmensführung und nachhaltiger Vergütungsmodelle für Manager spezialisiert; jene zwei Bereiche also, die unser CEO-Rating verbindet (zur Methodik im Anhang).

Hinter SGS liegen die Luxuskonzerne Swatch und Richemont einträchtig beieinander. Und obwohl Performancewerte sowie Vergütung ähnlich scheinen, werden bei genauer Analyse deutliche Unterschiede sichtbar: Swatch-Boss Nick Hayek hat 2010 enorme Verbesserungen im operativen Geschäft erzielt, Richemont hat unter Johann Rupert in vielen Bereichen nachgelassen. Hayek steigerte den Absatz, Rupert verkaufte weniger.Hayek verbesserte die Ebit-Marge, Rupert liess sie absacken. Hayek baute den inneren Firmenwert der Swatch um fünf Milliarden Franken aus, Rupert konnte nur 500 Millionen zulegen. Damit beträgt der Wert des operativen Geschäfts von Swatch nun 14,4 Milliarden und damit vier Milliarden mehr als bei Richemont. «So viel, das kann man an den 2009 eingepreisten Wachstumserwartungen ablesen, hatten die Anleger nicht erwartet», sagt Hostettler. Dass Hayek dennoch hinter Rupert rangiert, liegt an der guten Million Franken mehr, die er kassiert hat. Für beide sind die Saläre aber eher Taschengeld – als Grossaktionäre sind sie vor allem auf der Investorenebene Nutzniesser des Geschäftserfolgs. Was in dieser Form nur noch auf Synthes-Patron Hansjörg Wyss zutrifft – der inzwischen aber an den US-Konzern Johnson & Johnson verkauft hat.

Nur echte Werte zählen. Den Interessen der Aktionäre widmet unser CEO-Rating auch in einer anderen Hinsicht besondere Aufmerksamkeit. Anders als ähnliche Ratings, die neuerdings in Schweizer Blättern auftauchen, beleuchtet das CEO-Rating der BILANZ die absolute Geschäftsperformance – und nicht eine relative, die sich am Erfolg oder Misserfolg der Konkurrenz bemisst. Auch unternehmen wir explizit nicht den Versuch, «äussere» Faktoren wie Börsenturbulenzen oder Währungsschwankungen in der Performancemessung auszublenden. Dies aus folgenden Gründen: Erstens hakt es bisweilen an der Vergleichbarkeit. Wer etwa soll die Benchmark sein für den Quasimonopolisten Swisscom oder den Nahrungsmittelriesen Nestlé, der zwei Prozent aller verpackten Lebensmittel weltweit verantwortet? Zweitens lassen sich auch «äussere» Störungen von Entscheiden der Konzernleitung abfedern: durch verstärkten Materialeinkauf in Regionen mit schwacher Währung oder die Entwicklung neuer Produkte, für die Kunden höhere Preise und Anleger höhere Aktienbewertungen in Kauf nehmen. Drittens, und am wichtigsten: Nur absolute, echte Wertschöpfung ist auch dem Aktionär etwas wert. Das relative Argument – «Unsere Firma hat zwar Wert eingebüsst, aber die anderen waren noch schlechter» – hilft ihm nicht weiter; Verlust bleibt Verlust und damit unerwünscht. Auch wenn der Einäugige unter den Blinden König ist: Gut sehen kann er deshalb noch lange nicht.

Im Mittelfeld des Rankings finden sich solide Leistungserbringer: Adecco, ABB, Julius Bär, Nestlé oder die «Zürich»-Versicherung. Deren CEO könnten sich alle weiter vorne platzieren, ihre relativ hohen Saläre wirken aber dämpfend. Dabei machen die Bosse hier vieles richtig: ABB-Chef Joe Hogan oder Nestlé-CEO Paul Bulcke etwa sind unprätentiöse Typen, frei von Chefdünkel, keine stromlinienförmigen Manager aus dem Baukasten der MBA-Schulen. Es sind genau solche «Führungskräfte mit Ecken und Kanten, die nachweislich zu mehr Wachstum führen», sagt Philippe Hertig, Managing Partner der Personalberatung Egon Zehnder International (EZI) in Zürich. Eine Studie von EZI und der Consultingfirma McKinsey habe dies empirisch belegt.

Weitere Qualitätsmerkmale erfolgreicher Firmen sind, laut Hertig, ausgeprägtes internes «talent management» sowie «Diversität» an der Spitze: Solche Firmen rekrutieren Männer und Frauen, die regional und kulturell unterschiedliche Erfahrungen mitbringen. Auch diese Anforderungen erfüllen ABB und Nestlé. ABB hat in den letzten Jahren systematisch die hausinterne «Pipeline» an Führungsnachwuchs bewirtschaftet, und Nestlé ist berüchtigt für ihre selbstreferenzielle Firmenkultur, die Externen den Einstieg sehr schwer macht. Aber auch dank diesem Eigensinn wächst der Supertanker Nestlé pro Jahr im Umfang eines Schweizer Grosskonzerns.

Ausnahmsweise wenig Zündstoff bieten die klassischen Duelle im SMI: Roche und Novartis sind Nachbarn im Ranking, die Konzernchefs Severin Schwan und Joe Jimenez streichen ähnliche Summen ein. Schwan hat zwar den Konzernwert stärker gesteigert, Jimenez dafür stärkeren Rückhalt von den Börseninvestoren.

Riege der älteren Herren. Bei den Banken hat der Jüngste die Nase vorn: Boris Collardi, Chef von Julius Bär. Punkto Performance schneidet er besser ab als die Grossbanken, nur sein üppigeres Gehaltspaket wirft ihn hinter UBS-Chef Oswald Grübel zurück. Der überzeugt aber bei der «härtesten Währung», dem inneren Firmenwert, gemessen auf Basis der Ergebnisse 2010: Grübel weitete ihn von 41 auf über 100 Milliarden Franken aus, während Brady Dougan den operativen Wert der CS von 81 auf 57 Milliarden schrumpfte. Dafür schlägt Grübel die Skepsis des Marktes entgegen, ob die Ertragslage 2010 nachhaltig sei; die UBS ist mit einem Discount zum inneren Wert bewertet. Dougans vorsichtigerer Kurs im Investment Banking hat dagegen den Marktdiscount der CS zusammenschmelzen lassen. Vermögensverwalter sind an der Börse traditionell höher bewertet als Banken mit starkem Exposé ins unsichere Investmentgeschäft.

Unsicherheit prägt auch das Geschäft von SMI-Neuling Transocean. Die Performance des Ölplattformbetreibers liegt weit hinter allen anderen Firmen im höchsten Schweizer Börsenindex. Konzernchef Steven Newman, der es geschafft hat, innerhalb eines Jahres die Gewinnmarge zu halbieren, wird nur aufgrund seines nur durchschnittlichen Gehalts nicht Letzter. Diese zweifelhafte Ehre gebührt Markus Akermann. Er leitet den Zementmulti Holcim, dessen Performance mehrheitlich, und das seit längerem, abwärts tendiert. Vielleicht auch, weil in der Führung die Diversität fehlt: Akermann, Jahrgang 1947, lenkt Holcim mittels einer Riege älterer Herren, er selbst amtet seit 2002. Seniorität als Führungsprinzip dürfte kaum noch zeitgemäss sein.