So viele dramatische Wendepunkte hat wohl kein anderer Schweizer Konzern erlebt: 2002 fielen bei Swiss Life 1,7 Milliarden Franken Verlust an; die Versicherung wurde vom «LTS-Skandal» durchgeschüttelt; Rolf Dörig übernahm den Chefposten; der traditionsreiche Name «Rentenanstalt» war verbrannt und musste weichen. 2007 stiess Dörig mehrere Konzerntöchter ab, auch die Banca del Gottardo – 4,5 Milliarden flossen in die Kasse. Ende 2007 griff Dörig dann für knapp 2 Milliarden nach dem deutschen Finanzvertrieb AWD und liess sich von dessen Gründer Carsten Maschmeyer in ein feindliches Investment beim AWD-Konkurrenten MLP treiben, das zur Abwehrschlacht wurde. Seither schraubt Dörigs Nachfolger Bruno Pfister beharrlich am operativen Geschäft und kann durchaus Erfolge vorweisen. Aber es hilft nichts: Swiss Life musste im April die oberste Schweizer Börsenliga, den Swiss Market Index (SMI), verlassen. Als Ersatz rückte Ölplattformbetreiber Transocean auf.

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Riesenplus an der Börse. Aber Bruno Pfister verabschiedet sich erhobenen Hauptes: Der Swiss-Life-Chef hat das diesjährige CEO-Rating der BILANZ für sich entschieden – er hat für sein Gehalt die beste Leistung gebracht. Typisch für den analytischen Ex-Unternehmensberater Pfister ist sein staubtrockener Kommentar: «Operativ ist es uns 2009 gelungen, die Leistungskraft unseres Unternehmens deutlich zu verbessern.» Den Reingewinn steigerte er 2009 um 1,5 Milliarden Franken. Das wichtigste Ereignis im Konzern war für Pfister das Spar- und Fitnessprogramm namens Milestone im vergangenen Jahr.

Für den Sieg beim CEO-Rating war aber nicht das Betriebsergebnis entscheidend. Vielmehr glänzte Pfister bei der äusseren Wertschöpfung – dem «Total Shareholder Return». Er verschaffte den Aktionären mit Abstand den meisten zusätzlichen Wert. Dank der Börse, die ihre Gewinnerwartungen für die Zukunft im Jahr 2009 kräftig nach oben geschraubt hat. «Die Fundamentaldaten allerdings, und das war ein genereller Trend des Jahres 2009, folgen längst nicht im gleichen Ausmass», bilanziert Stephan Hostettler. Im Verbund mit Pfisters überschaubarem Salär führte ihn die Hausse an die Spitze.

Hostettler, der das Rating errechnet hat, ist mit seiner Beratungsfirma Hostettler & Partner auf wertorientierte Unternehmensführung und Vergütungsfragen spezialisiert. Diese beiden Bereiche verbinden sich in unserer Wertung zu einer Pay-for-Performance Ratio (zur Methodik siehe ’Weitere Artikel’). Bewertet werden die grössten börsenkotierten Schweizer Konzerne, jene also, die am Ende des Geschäftsjahrs im SMI gelistet waren.

Die Kombination von guter Leistung und moderater Bezahlung hat auch Pfisters Verfolger an die Spitze geführt: SMI-Neuling SGS mit Christopher Kirk im Chefsessel sowie Top-drei-Dauergast Carsten Schloter. Kirk erreicht mit seinem Warenprüfkonzern in beiden Wertschöpfungsbereichen ansehnliche Werte. Kirk, SGS-Veteran mit 28 Dienstjahren, hofft auf Rückendeckung der Grossaktionäre, der Familien von Finck und Agnelli, um Übernahmen zu tätigen: «SGS soll Marktführer bleiben», sagt Kirk. Dieser Ehrgeiz dürfte den Aktienkurs beleben.

Spitze trotz Fastweb. Swisscom-Chef Carsten Schloter punktet auch damit, dass er sich mit dem niedrigsten Salär aller SMI-Chefs bescheidet. Wie Pfister hat der passionierte Rennvelofahrer Schloter 2009 als «anspruchsvolles» Jahr erlebt. Im Telefoniegeschäft konnte Schloter erstmals die Erosion der Preise nicht mehr durch neue Angebote und neue Kunden kompensieren. Der Preisverfall summierte sich 2009 auf 400 Millionen, nur ein knappes Drittel fing die Swisscom anderweitig auf. «Ein Rückgang des Nettoumsatzes um 282 Millionen resultierte – ohne Fastweb», bilanziert Schloter. Fastweb, die italienische Glasfasertochter, beurteilt er «unverändert positiv, faszinierend und innovativ». Kritisch äussert er sich aber über den «indirekten Einfluss der italienischen Politik auf das Wirtschaftssystem». Analysten halten die drohende Belastung aus dem mutmasslichen Geldwäscheskandal bei Fastweb für leicht verkraftbar. Somit könnte Swisscom im kommenden Jahr ein weiteres Mal oben mitspielen.

Hinter den Spitzenreitern bietet sich ein stark gemischtes Bild. Joe Hogan bei ABB etwa erarbeitete mit fast 33 Prozent eine für einen Industriekonzern enorm hohe Überrendite; zudem enthielt 2008 sein Salär noch den Ausgleich für die Anwartschaften, die er beim vorigen Arbeitgeber General Electric erworben hatte. 2009, mit «normalem» Gehalt, glückte Hogan im Ranking daher ein Sprung nach vorne. Dem neuen Adecco-Chef Patrick De Maeseneire aber, vom Schokoladenproduzenten Barry Callebaut eingewechselt, gelang nur eine operative Miniperformance – Adeccos Eigentümer dürfen sich stattdessen bei der positiv gestimmten Anlegergemeinde bedanken.

Auch die Luxuskonzerne Swatch und Richemont profitierten vom Aufschwung der Börsen, Richemonts CEO Norbert Platt leistete operativ sogar bessere Arbeit als Nick Hayek. Dass Platt dennoch weiter hinten landet, liegt daran, dass er doppelt so viel wie der Swatch-Chef verdient.

Dougans Salärbremse. Noch mehr für die Shareholder tat Credit-Suisse-Chef Brady Dougan, der zudem im Kerngeschäft ordentlichen Mehrwert lieferte. Auch hier verhindert aber das umfangreiche Salär eine bessere Platzierung.

Im Stich gelassen hat die Börse 2009 nur zwei SMI-Chefs: Lonza-Boss Stefan Borgas sowie den Vorjahressieger des CEO-Ratings, Jean-Paul Clozel von Actelion. Der Kardiologe Clozel liess zwar wie im Vorjahr operativ alle anderen hinter sich. Aber Verzögerungen in der Produktepipeline, wie sie bei Biotechfirmen vorkommen können, haben wohl die Skepsis des Aktienmarktes geschürt. Lonza, neben SGS der zweite SMI-Neuling, lieferte die schwächste «äussere» Performance ab. Als Auftragsfertiger für Pharmakonzerne betreibt Lonza kein einfaches Geschäft. Im vergangenen Oktober musste CEO Borgas, auch wegen unausgelasteter Produktionsanlagen, eine Gewinnwarnung aussprechen. Der Markt liess die Lonza-Aktien in die Tiefe rauschen.

Ganz unten finden sich die üblichen Verdächtigen. Die rote Laterne hält Swiss-Re-Chef Stefan Lippe, der auch darunter leidet, dass der Markt das komplexe Rückversicherungsbusiness nur schwer einschätzen kann. «Dies spiegelt sich in der Unsicherheit der Märkte und damit im schwachen Shareholder Return», sagt Hostettler. Supertanker Nestlé, gesteuert vom Belgier Paul Bulcke, zieht unbeirrt seine Wachstumsbahn und erntet den Dank der Börse, befeuert von milliardenschweren Aktienrückkäufen. Das Duell der Pharma-Rivalen Roche und Novartis entscheidet einmal mehr Roche-Mann Severin Schwan für sich. Er hat zwar die Profitabilität weniger stark gesteigert als Novartis-Chef Daniel Vasella. Aber in absoluten Werten liegt Roche immer noch weit vor Novartis. Vasellas Salärpaket von über 20 Millionen Franken, Spitzenwert im SMI, befördert ihn einmal mehr in die Schlussgruppe der Rangliste.

Dirk Ruschmann
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