Christian Fritz weiss wie kein anderer, was es heisst, Güter um den Erdball zu bewegen. Sei es per Luft-, Seeweg, Bahn oder Strasse, am Ende bringt er die Ware ans Ziel. Wenn die Fracht behindert wurde, reiste er früher selbst ans andere Ende der Welt. Einmal verschlug es ihn dabei drei Jahre nach Australien.

Heute ist Fritz verantwortlich für die gut 500 000 gelben Pakete, die täglich in der Schweiz versendet werden. Er hat das Ruder der Paketpost Anfang Jahr übernommen, just zum Zeitpunkt, zu dem sie jeglichen Monopolschutz verloren hat. Ist er wohl der Richtige, um die Marktführerschaft der Paketpost im harten Konkurrenzkampf zu verteidigen? Der 42-Jährige spricht lieber von einem «natürlichen Karriereschritt». Denn seit letztem Sommer war er bereits stellvertretender Leiter der Paketpost. «Wenn man sich bewegt, läuft man an neue Sachen heran», nach diesem Motto sei sein Berufsweg verlaufen, sagt der gebürtige Basler.

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«Ich habe es gerne, wenn sich ewas bewegt.» Das bezieht er auch auf sich. Eine akademische Laufbahn noch länger im Stuhl sitzen und lernen wäre für ihn ausgeschlossen gewesen. Er sei in seiner Familie deshalb ein wenig ein schwarzes Schaf gewesen, denn da gab es weit und breit nur Apotheker. Ihn lockte am Umschlagplatz am Rheinknie wohl auch der Duft der grossen weiten Welt. Auf jeden Fall liess er sich nach der Schule als Spediteur und Exportfachmann ausbilden. Seine ersten Berufsjahre verbrachte er bei einer kanadischen Reederei.

Dann begannen seine Reisejahre: 26-jährig wechselte er zur Fracht AG, einem Speditionsunternehmen, bei dem er unter anderem Verkehre in Asien betreute. Zuerst machte er kürzere Reisen zu den Vertretungen. Doch als es Probleme in der australischen Niederlassung gab, ging er nach Melbourne, um aufzuräumen ein typischer Turn-aroundjob, wie er sagt. Australien habe sich in einer schweren Rezession befunden: «Es war sehr hart, diesen Job zu machen in einem Land, wo kein Geld für Investitionen und Aufträge vorhanden war.» Er habe selber nicht viel vom Australien-Klischee Surfen und Fun erlebt. Auf den ersten Blick würde man Fritz eine Beachboy-Vergangenheit durchaus abnehmen. Aber nein, es sei nicht das Easy Life gewesen, betont er. Vielleicht seien die Australier ein wenig lockerer als die Schweizer, die Arbeit nähmen sie jedoch nicht legerer als hier. Fest steht, Australien faszinierte ihn, denn nachdem er die Aufgabe bei der Fracht AG abgeschlossen hatte, stieg er beim Logistik-Konzern Kühne & Nagel in Sydney als rechte Hand des Direktors ein.

Kein Kulturschock

Den Entscheid, zurück in die Schweiz zu kommen, fällte er vor zehn Jahren zusammen mit seiner Frau, einer Deutschen, nachdem der erste Sohn auf die Welt gekommen war. Der Branche blieb Fritz treu und auch seiner Spezialität, dem Aufbau von Projekten und dem Turnaround-Management, wie er es nennt. Als Regionalleiter des US-Konzerns Air Express International baute er in Basel die Schweizer Ländergesellschaft auf. «Ein klassischer Marktaufbau war auch die nächste Herausforderung.» Auf der grünen Wiese startete er darauf 1999 die auf Nachtlogistik spezialisierte Swiss Post NET AG. Er war Geschäftsführer dieser zur Marktführerin avancierten Posttochter. Auffällig: Auch in seinem nächsten Posten beim gelben Riesen war er bei der Gründung eines Privatunternehmens, der ParcelLogistics, involviert. ParcelLogistics AG hat sich in den Märkten Individual- und Sperrgutlösungen auf Geschäftskunden spezialisiert.

Fragt sich, wie Fritz den Kulturschock beim Wechsel zum ehemaligen Staatsbetrieb letzten Sommer erlebte. Von wegen Staatsbetrieb, sagt er schmunzelnd. «Der Kulturwandel seit der Aufspaltung der PTT 1998 war phänomenal», betont er. Die Post habe sich bewegt. «Hier wird betriebswirtschaftlich gedacht, da gibt es keinen Unterschied zu meinen früheren Tätigkeiten», sagt er in seinem Büro am Sitz der Post in Bern. Auch wenn in der Konzernleitung die politischen Rahmenbedingungen abgesteckt würden, könne er unternehmerisch agieren. Bis zu einem gewissen Punkt zumindest. Denn die Konkurrenz auf dem Paketmarkt schläft nicht. Die Mitbewerber wie die privaten Paketpostunternehmen DPD und DHL bedrängen die Paketpost heute in allen Bereichen. «Es wird hart gekämpft», sagt Fritz in Bezug auf die Konkurrenten. Vor allem die Tochter der französischen Post, DPD, greife mit günstigeren Preisen an. «Doch wir wollen nicht die Preise drücken, wir kennen unsere Kosten», erklärt Fritz. Entgegen den Befürchtungen habe die Paketpost in den ersten Monaten im freien Markt noch keine Kunden verloren. Fritz' Ziel: Er will den Marktanteil von rund 70 bis 75% verteidigen. Im Gegensatz zur Konkurrenz ist er allerdings an die GAV-Arbeitsbedingungen gebunden, die deutlich über dem Branchenüblichen liegen. Die Gewerkschaften üben massiven Widerstand gegen jegliche Pläne aus, die Löhne regional anzupassen. Fritz ist zwar in einer Zwickmühle, aber immerhin ist er nicht so exponiert wie Post-Chef Ulrich Gygi, der die Veränderungen in den Arbeitsbedingungen zu verantworten hat. «Unsere Leute verdienen nicht zu viel; unser Problem ist, dass die Konkurrenz mit deutlich günstigeren Arbeitsbedingungen billiger offerieren kann», sagt er. Der oberste Paketpöstler, dem 5317 Leute unterstellt sind, sieht sich dennoch mit einem tagtäglichen Wechselspiel zwischen sozialer Verantwortung und betriebswirtschaftlichen Forderungen konfrontiert. «Es ist eine Gratwanderung», findet er.

In seinem Alltag gibt es eine weitere Gratwanderung, nämlich neben dem Job genügend Zeit für die Familie zu finden, vom Wunsch, mehr Velotouren ins Emmental zu machen, ganz zu schweigen. Seine grösste Sorge sei, dass er es nicht schaffe, mindestens einmal pro Woche seine vier Kinder am Abend ins Bett zu bringen. Drillinge, zwei Jungs und ein Mädchen im Alter von sechs Jahren, und einen zehnjährigen Buben habe er zu Hause in Steffisburg bei Thun. Fritz' Augen leuchten: «Das ist nicht so schwierig, wie man sich das vorstellt, sie haben jedenfalls selten alle drei gleichzeitig geheult.» Trotzdem: «Ich glaube nicht, dass jemand, der das Familienleben ernst nimmt und einen anspruchsvollen Job hat, das richtig auf die Reihe kriegt.» Es bleibe immer das schlechte Gewissen. Vieles bleibe an seiner Frau hängen, die selber beruflich als Physiotherapeutin tätig sei. Davor habe er Respekt, da müsse man sehr effizient sein.

Männerdomäne

Dass er als Chef selber in der Position ist, andere Eltern bei dieser Gratwanderung zu unterstützen, nehme er ernst. Die Post will ihren unterdurchschnittlichen Frauenanteil erhöhen. Er hätte nichts gegen Bewegung auch in dieser Hinsicht, nur sei die Logistik- und Transport-Branche eine Männerdomäne. Fritz verwendet selber die Sprachbilder aus dieser Männer-Welt: «Das Unternehmen ist ein Supertanker und bewegt sich entsprechend träge. Kleine Fehler mag er verzeihen, doch sind wichtige strategische Entscheide getroffen, lässt sich das Steuer nicht einfach so herumreissen. Davor habe ich Respekt.»

Wenn die Post ein Supertanker ist, dann ist die Paketpost eine schwierige Ladung, aber nicht mehr die schwerste Last die für 2005 erwarteten schwarzen Zahlen sind mit einem schwachroten Defizit im vergangenen Jahr klar in Griffweite. Die Voraussetzungen, die Effizienz weiter zu steigern, seien mit den neuen hochmodernen Paketzentren ideal. Doch das reicht Fritz nicht: «Wir müssen mit unseren Produkten etwas frecher werden», spornt er die Angestellten an. Nichts soll stehen bleiben.



Profil: Steckbrief

Name: Christian Fritz

Funktion: Leiter Paketpost

Geburtsdatum: 24. 2. 1962

Wohnort: Steffisburg BE

Familie: Verheiratet, drei Söhne eine Tochter

Karriere:

1993-1994 Kühne&Nagel (Australia), General Manager

1994-1999 AEI Ltd, Regionalleiter,

1999-2002 Swiss Post NET AG, Geschäftsführer

2003 Paketpost, stv. Leiter



Firma: Paketpost

Die Paketpost ist der grösste Bereich der Post, der (seit Anfang Jahr) keinen Monopolschutz mehr geniesst. Die Paketpost beschäftigt 5317 Angestellte. Ihr Kernstück sind die drei modernen Paketzentren in Daillens, Härkingen und Frauenfeld, wo Pakete sortiert werden. Hatte der Paketbereich 2000 noch ein Defizit von 250 Mio Fr. erlitten, wurde der Verlust 2003 auf 4 Mio Fr. reduziert. Dies obwohl die Mengen um 0,9 % sanken. Für 2005 werden schwarze Zahlen erwartet. Die Paketpost hat einen Marktanteil von 70 bis 75%. Grösste Konkurrenten sind DPD und DHL.