Der Krimi um den deutschen Zahlungsabwickler Wirecard dreht weiter. Auf der einen Seite wurde nun der ehemalige CEO Markus Braun verhaftet: Dies gab die Staatsanwaltschaft München bekannt. «Er hat sich gestellt», präzisierte eine Sprecherin. Die Behörde wirft Braun vor, die Bilanzsumme und die Umsätze von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben.

Damit weitet sich der Verdacht aus, dass eine grosse Verantwortung für den Bilanzierungs-Skandal bei der ehemaligen Konzernspitze um Ex-CEO Markus Braun (zurückgetreten am Freitag) und COO Jan Marsalek (fristlos freigesetzt am Montag) liegt; Braun hatte sich und sein Unternehmen in der letzten Woche noch als Opfer irgendwelcher Treuhänder in Asien dargestellt und eine Strafanzeige gegen Unbekannt angekündigt.

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Bankenflucht? Kundenflucht?

Auf der anderen Seite konnte sich die Aktie von Wirecard wieder fangen – mehr noch: Sie legte im Vormittags-Handel um über 10 Prozent zu (nachdem sie an den drei Handelstagen davor von über 100 Euro auf knapp 15 Euro eingebrochen war). 

Das Hauptthema an den Finanzmärkten bleibt aber derzeit, ob Wirecard überleben kann – immerhin hängen gleich zwei Damoklesschwerter über dem Payment-Tech-Unternehmen. Erstens könnten die Banken ihre Kredite streichen, was zur Insolvenz führen würde. Zweitens droht ein Massenexodus der Kundschaft – denn Zahlungsabwicklung ist ein Geschäft des Vertrauens, wo es schädlich ist, wenn ein Unternehmen reihenweise Hinweise auf Bilanzmanipulationen bietet.

Dass die Wirecard-Spitze womöglich einen gewissen Realitätskontakt verloren hatte, deutet eine Information von «Bloomberg» an: Danach wollte die Payment-Firma aus Aschheim bei München letztes Jahr mit der Deutschen Bank fusionieren. Der US-Nachrichtenagentur liegen Unterlagen vor, in denen der Deal durchgespielt wurde.

Brauns Management habe den ersten Schritt getan und sich mit der Idee an Deutschlands grösste Bank gewandt. Denn diese verfügte zwar über eine Bilanzsumme von deutlich über einer Billion Euro – aber an der Börse war ihr Marktwert noch im April tiefer als der von Wirecard.

Es wäre ein Fall geworden wie die Fusion des Mediengiganten Time Warner mit einem Internet-Anbieter namens AOL im Januar 2001: Auch da wurde der Deal ermöglicht und angeheizt durch einen enorm hohen und sehr spekulativen Aktienkurs des Newcomers (wobei ein entscheidender Unterschied darin liegt, dass die Geschäftsausweise von AOL nicht beanstandet wurden). Doch der Zusammenschluss führte auch so ins Nichts, im Frühjahr 2009 stiess Time Warner AOL wieder ab.

Wirecard Dax aktie Stock share

Blase: Aktienkurs von Wirecard, 2006 bis Juni 2020.

Quelle: Google

Bei Wirecard wurde das Projekt mit dem Codenamen «Panther» Ende letzten Jahres angestossen, so «Bloomberg»; zu einem Zeitpunkt also, wo sich bereits in diversen Medien nachlesen liess, dass zweifelhafte Geschäfte die Bilanz der Paymentfirma aufgepumpt haben könnten.

Bericht von McKinsey

McKinsey aber sah die Sache durchaus positiv: Eine 40-seitige Machbarkeitsanalyse der Unternehmensberater kam zum Schluss, dass das «Wertversprechen der kombinierten Einheiten das Ökosystem grundlegend umgestalten» werde. Durch die Kombination von Bank und Fintech-Unternehmen liessen sich bis 2025 jährlich 6 Milliarden Euro zusätzlicher Gewinn freisetzen, hieß es. Die Studie der Unternehmensberatung ist auf den 15. November 2019 datiert.

In dem Papier wurden weder Wirecard noch die Deutsche Bank genannt. Die Studie wurde jedoch vom Zahlungsabwickler in Auftrag gegeben, und bestimmte Kontextinformationen deuten auf die Deutsche Bank hin, darunter die Verwendung des Namens ihres IT-Systems Autobahn.

Die Aschheimer nahmen im November 2019 Kontakt zu den Bankern in Frankfurt auf. Die Deutsche Bank habe die Vorgespräche aber schnell beendet, so «Bloomberg» unter Berufung auf mehrere Eingeweihte. Sprecher von Wirecard, Deutscher Bank und McKinsey lehnten einen Kommentar ab.

Mit der Implosion von Wirecard hat sich das Grössenverhältnis beider Finanzakteure inzwischen deutlich verändert. Dem Börsenwert von 17,2 Milliarden Euro der Deutschen Bank steht nun eine Wirecard gegenüber, deren Aktien zusammen nur noch etwa 2 Milliarden Euro wert sind. Tendenz ungewiss.

Bloomberg» – rap)

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