Compenswiss-Präsident Leuthold: AHV-Fonds fährt 2022 Verlust von 4,5 Milliarden Franken ein

2022 war ein schlechtes Anlagejahr. Wie hat der AHV-Anlagefonds abgeschnitten? Das Resultat ist sehr schlecht ausgefallen, mit einem Minus von ungefähr 12 Prozent beim verwalteten Wertschriftenportfolio. Das ist das zweitschlechteste Ergebnis seit 2008, damals lag das Ergebnis bei minus 18 Prozent. Die AHV/IV/EO-Fonds verwalten ein Vermögen von 40 Milliarden Franken, also hat man letztes Jahr rund 4,5 Milliarden verloren. Das trifft ungefähr zu. Mit der Negativ-Performance sinkt das Gesamtvermögen der drei grossen Schweizer Sozialwerke auf rund 36 Milliarden. Exakte Zahlen habe ich noch nicht, aber das dürfte zutreffen. Was sind die Gründe für diese Verluste? Es gibt diverse Faktoren, die gegen uns gewirkt haben, Zinssteigerungen haben den Wert unseres Obligationenportfolios in den Hauptwährungen vermindert. Der Anteil von illiquiden Investitionen ist bei uns tief, weil wir für unsere Anlagen einen beschränkten Zeithorizont haben. Und wir haben keine direkten Anlagen im Immobilienbereich. Diese Anlageklasse hat ihren Wert mehr oder wenig gehalten. Man muss aber auch sehen: Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gute Jahre gehabt – mit einer Performance von 4, 5 oder 9 Prozent über die letzten Jahre haben wir per Saldo positive Renditen ausgewiesen. Gerade die Aktienmärkte sind 2022 getaucht. Fast alle Anlageklassen haben an Wert verloren, die Obligationen wegen der Zinserhöhungen, auch die Weltbörsen sind stark gesunken. Sogar im Immobilienbereich haben wir verloren, weil wir da ein Handicap haben, indem wir nur in verbriefte Anlagen investieren, nicht aber in Direktanlagen. Welche Rolle spielt der Krieg in der Ukraine? Selbstverständlich betrifft uns der Krieg, vor allem über die Energiepreise oder die Unsicherheit. Von den Anlagen her sind wir fast nicht betroffen, weil wir nicht stark in der Ukraine oder in Russland investiert sind. Wir sind Russland gegenüber mittels Investmentfonds exponiert. Allerdings hat Russland diese Märkte geschlossen, sodass ein Verkauf aktuell kein Thema ist. Aber eben: Wir sind marginal in Russland investiert, mit gerade mal knapp einem halben Prozent. Sie halten 60 Prozent in Obligationen, 25 Prozent in Aktien, 12 Prozent in Immobilien, 3 Prozent in Gold. Werden Sie jetzt diese Allokation anpassen? Bei Aktien sind wir zwischen 25 und 26 Prozent und werden leicht auf 26 Prozent erhöhen. Bei Immobilien sind wir fast bei 15 Prozent. Diesen Entscheid haben wir schon vor dem Einbruch getroffen. Nein, wir mussten kein Rebalancing machen, weil alle Anlageklassen ungefähr gleich stark eingebrochen sind. Mit einem Verlust von 12 Prozent bei den Anlagen wird die AHV insgesamt 2022 wohl in die roten Zahlen rutschen, richtig? Immerhin hat man 2021 noch einen Gewinn von 2,6 Milliarden ausgewiesen. Die Beiträge werden vermutlich wachsen, das ist positiv, aber unter dem Strich werden sie 2022 den Verlust aus dem Anlageergebnis nicht kompensieren können. Das heisst, ich gehe für die AHV für 2022 von einem stark negativen Betriebsergebnis aus. Von einem Verlust von 2 Milliarden? Da ist es zu früh, um solide Aussagen zu treffen. Es fliessen ja noch die 2 Milliarden an STAF-Beiträgen. Sie haben immer gesagt: Wenn die AHV nicht reformiert wird, dann ist das AHV-Vermögen ab 2035 aufgebraucht und das Sozialwerk rutscht definitiv in die roten Zahlen. Das stimmte, allerdings hat das Volk der AHV-Revision 21 zugestimmt. Diese sieht eine Erhöhung des AHV-Alters der Frauen auf 65 Jahre und eine Mehrwertsteuererhöhung vor. Letztere wird sich bereits 2024 positiv auswirken. Aber es wäre aus heutiger Sicht schwierig zu sagen, wann exakt die AHV definitiv in den roten Zahlen steckt. 2021 haben Sie Aktien verkaufen müssen, um die Liquidität sicherzustellen. Und 2022? Die Liquidität war immer gewährleistet. 2022 mussten wir nichts verkaufen. Und jetzt hoffen wir, dass die Märkte sich wieder besser entwickeln. Mit der Angleichung des AHV-Alters ist der Anlagehorizont für uns etwas länger geworden, weil es unsere Liquidität erhöht. Unter dem Strich heisst das, dass wir etwas illiquider investieren können, was im Schnitt leicht höhere Renditen bringen sollte. Zur Person Manuel Leuthold ist seit 2016 Präsident von Compenswiss. Der öffentlichen Anstalt obliegt die Verwaltung der Ausgleichsfonds von AHV, IV und EO. Als Präsident des Verwaltungsrats von Compenswiss ist der ehemalige UBS- und Rothschild-Banker für die Bewirtschaftung von rund 37 Milliarden Franken verantwortlich. Das Ergebnis der AHV ist negativ, jenes der Invalidenversicherung IV und der Erwerbsersatzordnung EO? Immerhin wies die IV 2021 einen Gewinn aus. Diese Zahlen liegen noch nicht vor, aber ich gehe davon aus, dass neben der IV auch die EO negativ abschliessen wird. Verwaltet wird das Portfolio der AHV immer noch von den US-Vermögensverwaltern Blackrock, Barings und State Street? Ja, und von Schweizer Institutionen wie CS, Waadtländer KB, Mirabaud, Pictet oder UBS. Dazu kommt noch die Geschäftsstelle in Genf, die rund eine Hälfte des Gesamtvermögens verwaltet. Nicht aber von der Genfer Kantonalbank. Weil Sie 2021 Präsident der Genfer Kantonalbank wurden. Die Genfer KB kann keine AHV-Gelder verwalten, weil es sonst einen Interessenkonflikt gäbe. Mit dem Präsidium bei der Genfer KB haben Sie jetzt sieben VR-Präsidien und dazu noch vier VR-Mandate. Nicht etwas viel? Ich bin offenbar sehr gefragt (lacht). Glauben Sie mir, ich habe genug Zeit, bin gut organisiert. Als ich das Präsidium bei der Genfer Kantonalbank übernahm, habe ich andere Bankenmandate abgegeben. 2023 relativ gut angefangen. Wohin geht die Reise? Ich nehme die ersten Tage als gutes Omen, dass es wieder aufwärtsgeht.

Compenswiss-Präsident Leuthold: AHV-Fonds fährt 2022 Verlust von 4,5 Milliarden Franken ein

AHV-Fonds fährt Verlust von 4,5 Milliarden Franken ein

2022 war ein schlechtes Anlagejahr. Wie hat der AHV-Anlagefonds abgeschnitten?

Die AHV/IV/EO-Fonds verwalten ein Vermögen von 40 Milliarden Franken, also hat man letztes Jahr rund 4,5 Milliarden verloren.