Sie sind Dauergast in fast jedem Schweizer Grosskonzern, haben direkten Zugang zu den Chefetagen und beeinflussen die wichtigsten Entscheidungen. Sie stehen für Erfolgsgeschichten wie die Geburt der Swatch oder die Rettung von ABB. Aber auch für Pleiten wie Swissair oder die Subprime-Strategie der UBS.

Sie tragen klingende Namen wie McKinsey & Company, The Boston Consulting Group, Roland Berger Strategy Consultants. Oder sind stille Schaffer wie die Helbling Gruppe, KPMG Advisory, Oliver Wyman. 1,3 Milliarden Franken geben Schweizer Firmen jährlich für sie aus – die Folgen ihres Tuns sind um ein Hundertfaches grösser: Die Consultingunternehmen sind die heimlichen Herrscher der Schweizer Wirtschaft.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Doch der Markt ist intransparent. Wer sind die fähigsten Consultants für verschiedene Fachgebiete? Wer liefert die beste Leistung? Wer ist besonders marktkompetent, analytisch, methodisch stark? Erstmals bringt BILANZ Licht in diese Schlüsselbranche. Die Metaberatung Cardea und Professor Dietmar Fink von der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ermittelten im Auftrag von BILANZ die Zufriedenheit mit den 14 grössten Schweizer Beratungsfirmen (siehe «Methodik» links).

Erstaunliche Buchprüfer. Das Ergebnis überrascht. Zwar nicht die Plätze eins und drei – dass die Paradepferde der Branche, Boston Consulting Group (BCG) und McKinsey, auf den Spitzenplätzen landen würden, konnte man erwarten. Nicht aber, dass die Beratungszweige von PricewaterhouseCoopers (PwC), Ernst & Young sowie KPMG mit den Plätzen 2, 4 und 5 so gute Ergebnisse erzielen würden. Aus ihren Kerngeschäften Buchprüfung und Steuerberatung heraus haben sie sich weiterentwickelt zu Consultingfirmen mit einem umfassenden Angebot. Und lassen damit teilweise etablierte Player wie Roland Berger oder Bain & Company hinter sich.

Logisch, dass Letztere mit diesen Resultaten kaum zufrieden sind. «Wir erleben das Gegenteil: Unser Geschäftsgang ist sehr erfolgreich. Selbst bei Restrukturierungen sind Strategiefokus und Umsetzungsstärke gefragt», sagt Bain-Länderchef Thomas Lustgarten. Das tönt ähnlich wie bei McKinsey, dem Drittplatzierten: «Die Tatsache, dass wir in 10 von 20 Bereichen die Spitzenposition einnehmen und in 8 weiteren ebenfalls sehr gut abschneiden, widerspiegelt das Vertrauen der Klienten in unsere Fähigkeiten», sagt Schweiz-Chef Claudio Feser. «Dass wir bei der Zufriedenheit nicht ganz oben stehen, ist ein Ergebnis der Stichprobe. Erfahrungsgemäss sind die Ergebnisse zur Zufriedenheit noch besser, wenn nur Grossunternehmen und Geschäftsleitungsmitglieder befragt werden.»

In Deutschland, wo Professor Fink das Ranking ebenfalls durchführt, gewinnt auch BCG vor McKinsey. Die ehemals reinen Buchprüfer wie PwC, KPMG und Ernst & Young spielen dort mangels Marktanteil hingegen keine Rolle. In der Schweiz jedoch ist deren Beratungszweig schon seit einiger Zeit mehr als ein blosser Nebenerwerb. «Wir haben in den letzten vier Jahren massiv in die Wirtschaftsberatung investiert, um hier stärker wahrgenommen zu werden», sagt Bruno Chiomento, CEO von Ernst & Young Schweiz. Er macht heute bereits ein Fünftel seines Umsatzes mit Wirtschaftsberatung.

Toyota-Effekt. Dabei verfolgen die Wirtschaftsprüfer einen ganzheitlicheren Ansatz als die meisten klassischen Berater. So fliesst auch das Know-how aus dem Kerngeschäft – Finanzen, Steuern, Recht – mit ein: «In komplexen Projekten sind die Wirtschaftsprüfer daher sehr gut positioniert», sagt Studienautorin Eva Manger-Wiemann von Cardea. Kommt hinzu, dass die Anforderungen an die Compliance seit den Skandalen um Enron und Co. stark gestiegen sind. «Die Manager und Verwaltungsräte haben heute ein grösseres Sicherheitsbedürfnis», sagt Chiomento – gute Voraussetzungen für Buchprüfer.

Die Präsenz in vielen Schweizer Firmen spielt ebenfalls eine Rolle: «Wir profitieren vom Branding aus der Wirtschaftsprüfung und der Steuerberatung», sagt Markus Neuhaus, Schweiz-Chef von PwC. Gerade in den KMU, welche die hiesige Wirtschaft prägen, vertraut man dem Hausrevisor eher als einem grossen Consultingkonzern à la McKinsey – nach dem Motto: Der kennt uns, der spricht unsere Sprache. Toyota-Effekt nennt das der Schweizer BCG-Präsident Elmar Wiederin, in Anlehnung an die Zufriedenheitslisten der Autokäufer, die rund um die Welt von der unspektakulären, aber zuverlässigen japanischen Mittelklassemarke dominiert werden: «Manchmal benötigt man nicht das Beste, etwas Gutes reicht.»

Wenig zufriedene Kunden. Freilich sind PwC und Co. zum Teil in anderen Gebieten aktiv als die klassischen Berater. Professor Fink und Cardea untersuchten daher auch die Leistungen in den einzelnen Fachgebieten. In den Königsdisziplinen wie Strategische Planung oder Sanierung gewinnen die traditionellen Consultants (siehe Tabellen im Anhang). Die Wirtschaftsprüfer sind dagegen stark in den geldnahen Bereichen: im Finanz- und Risikomanagement oder bei Mergers and Acquisitions. Wenig Überraschungen also bei den Unterbewertungen – auch weil die Imagekomponente eine Rolle spielt (siehe «Methodik» in "Weitere Artikel").

Bei Imageumfragen hinken die Ergebnisse der Realität aber oft hinterher. Für zukünftige Umfragen erwartet Manger-Wiemann deshalb, dass sich Firmen wie Bain oder Roland Berger im Ranking verbessern: «Die haben in letzter Zeit in der Schweiz viel bewegt. Zudem haben die Buchprüfer kürzlich einige starke Leute an ihre Kunden verloren.»

Am wichtigsten bei der Beraterwahl, so zeigt die Umfrage, sind den Auftraggebern Fachwissen, Methodik und Umsetzungsfähigkeit. Die fähigsten Berater spricht man in sieben der zehn Kategorien McKinsey zu, die hier von ihrem starken Image profitiert. Es folgt meist BCG. Roland Berger, im Gesamtrating nicht in den Top 5, gewinnt bei der Implementierbarkeit. «Ohne Umsetzbarkeit ist das tollste Konzept wertlos», kommentiert Länderchef Carsten Henkel, der die sonstigen Resultate als Ansporn zur Verbesserung sieht.

Wirklich glücklich sind die Schweizer Firmen mit ihren Beratern aber nicht. Das zeigt sich schon daran, dass der Klassenbeste kaum je mehr als 400 von den maximal 500 Punkten einsammeln kann. Nur 47 Prozent der Befragten äussern sich zufrieden oder sehr zufrieden über die Ergebnisse der Consultants. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 60 Prozent. Und nur bei 11 Prozent der Beratungsprojekte, so zeigt eine andere Erhebung von Cardea, ist der quantifizierte Nutzen grösser als die entstandenen Kosten. «Erschreckend» findet das BCG-Mann Wiederin: «Normalerweise sollte ein Projekt zehnmal so viel Nutzen wie Kosten generieren.»

Gratisarbeit. Dass dem meist nicht so ist, liegt wohl auch daran, dass viele Firmen ihre Projekte immer an dieselben Berater vergeben – obwohl je nach Aufgabe ein anderer fachlich vielleicht besser geeignet wäre. Zwar werden die persönlichen Beziehungen als das unwichtigste Kriterium der Beraterwahl genannt. In der Praxis spielen sie aber eine nicht zu unterschätzende Rolle. «Ein Cold Call ist deutlich schwieriger, als wenn man gemeinsam schon ein Projekt gemacht hat», sagt auch Markus Neuhaus von PwC. So pflegen die grossen Berater ihre Alumni-Netzwerke mit viel Aufwand.

Auch der Preis dürfte eine grössere Rolle spielen, als die Firmen in der Studie zugeben. «In der Praxis herrscht ein harter Preiswettbewerb», sagt Dieter Widmer, Chef Wirtschaftsberatung von KPMG Schweiz. Ein Junior Consultant ist bei den günstigsten Anbietern ab 2000 Franken zu haben, ein Senior Partner bei einer der klangvollen Consultingfirmen kostet bis zu 10  000 Franken pro Tag. Auf dem Papier. Denn je nach Projektdauer und Teamzusammensetzung werden Rabatte gewährt. Derzeit besonders ausgeprägt: «Wir geben bei grossen Projekten schon mal einen Berater zusätzlich, oder wir investieren die ersten zwei, drei Wochen Arbeit, ohne diese zu verrechnen», berichtet Wiederin.

Die Gleichung «teurer Berater = gutes Ergebnis» jedenfalls wird durch die Studie widerlegt. Zu mittelmässig ist die Zufriedenheit, zu gering sind die Abstände unter den Top 5. «Das Ranking spiegelt tatsächlich den Markt wider, denn auch die Leistungen liegen eng beieinander», bemerkt Studienautor Fink. «Man ist also gut beraten, bei der Wahl des Beraters professionell vorzugehen und die speziellen Schwächen und Stärken zu kennen.» Anders ausgedrückt: Guter Rat muss nicht teuer sein.