Unternehmen und ihre Leistungen werden aus historischen Gründen mehrheitlich mit monetären Kennzahlen gemessen. Seit der Erfindung der doppelten Buchhaltung ist ein dichtes Regelwerk entstanden, das für die Beurteilung der ökonomischen Leistung herangezogen wird. Mit der Entwicklung komplexer Produkte gingen in den Produktionsbetrieben überproportional wachsende Vorleistungen in materielle und immaterielle Ressourcen einher. Erst sie zusammen bilden letztlich die Bewertungsbasis eines Unternehmens.

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Ungenügend bis unbrauchbar



Während beispielsweise Investitionen in physische Betriebsmittel monetär bilanziert werden, existieren für die Bilanzierung immaterieller Werte bislang nur ungenügende Richtlinien. Für Entscheidungsträger, die sich anhand dieser Kennzahlen ein Bild über das Potenzial des Unternehmens machen wollen, sind diese Regeln aber nur wenig hilfreich. «Aus heutiger Sicht scheint klar zu sein, dass sich der International Financial Reporting Standard nur bedingt zu einem Führungssystem eignen wird. Monetäre Indikatoren allein zeigen nicht das ganze Potenzial eines Unternehmens auf», sagt Oliver Fiechter, VR-Präsident der ISG Institut AG. Künftige Führungssysteme müssten nicht nur die materiellen und auch die immateriellen Werte erfassen, sie müssten auch deren Bewertung mit monetären und nichtmonetären Indikatoren ermöglichen. «Sie sollten in einem Unternehmen visualisiert und quantifiziert werden», verlangt Fiechter.

Nur: Wie können nichtmonetäre Leistungsgrössen, die sogenannt weichen Faktoren, hart gemacht werden mit dem Ziel, sie zu quantifizieren, zahlenmässig darzustellen, um sie in der Rechnungslegung zu erfassen? Daran arbeiten derzeit nicht nur die Big Five der Revisionsgesellschaften, sondern auch das ISG Institut aus St. Gallen, das sich international einen Namen in der Intangible-Forschung gemacht hat. Das ISG Institut konzipiert in enger Kooperation mit marktführenden Unternehmen, politischen Organisationen sowie Universitäten Methoden, damit auch die immateriellen Werte gemessen und dargestellt werden können.

Immaterielle Werte erfassen



Um konkrete Beispiele für die Erfassung dieser immateriellen Komponenten gebeten, muss sich Fiechter nicht lange besinnen. «Es sind die Kreativität der Mitarbeiter, ihre Sozialkompetenz, ihr Wissen, auch dasjenige um die Bedürfnisse und Nutzenerwartungen der Kunden. Daraus setzt sich das eigentliche Kapital eines Unternehmens zusammen. Alles andere lässt sich einkaufen oder outsourcen.»

Bald doch messbar?



Das ISG Institut kritisiert wie viele andere auch an der «klassischen Betriebswirtschaftslehre» und den darauf basierenden Managementmodellen, diese Faktoren würden schlicht ausgeblendet. Was auch nicht verwunderlich ist, denn es gibt bislang keine entsprechenden Account-Standards, die helfen, solche immateriellen Werte in eine Rechnungslegung einzubeziehen.

Hier setzt das ISG Institut an: Es will die traditionellen Sichtweisen nicht nur erweitern, sondern entwickelt Bewertungskriterien und Klassifikationssysteme, um diese mit bislang nicht messbaren Grössen zu ergänzen. Fiechter ist davon überzeugt, dass sie identifizierbar und in subjektiven und objektiven Einheiten messbar sind. «Sie sind es, die zum Erfolg eines Unternehmens mindestens so viel beitragen wie der Anteil an Betriebsmitteln, Rohmaterialien und der Erlös für Produkte», sagt er.

Wie sieht diese völlig neue Denkweise aus der Sicht eines Pragmatikers aus? Louis Sigrist, Partner von Ernst & Young, erinnert daran, dass bei der Bewertung des Goodwills immaterielle Werte wie Brands, Patente oder Kundenstamm zwar heute schon quantifiziert werden. Aber das geschieht vor allem, wenn Firmen zum Verkauf stehen. Die Eigentümer können solche Werte nicht aktivieren. Er sieht die Entwicklung der Rechnungslegung in der Richtung, wie sie vom ISG angestrebt wird.

Auch bei der PWC kann man den Sinn solcher Bemühungen erkennen. Aber wie Sigrist macht Rechnungslegungs-Fachmann Bruno Räss ein Fragezeichen, wenn es um die Objektivierung immaterieller Werte geht. Er setzt vor allem auf das sogenannte Value Reporting. Das ist ein Zusatzbericht, der ihr Vorhandensein erwähnt und bewertet, aber nicht quasi im gleichen «Aufwisch» wie die harten Faktoren behandelt.

Schnelle Vernichtung



Es sei an der Zeit, sensiblere Managementinstrumente zu entwickeln, die vernetzte Realitäten abbilden und verschiedene Werte mit unterschiedlichen Messgrössen verbinden, sagt Fiechter. Nur so könne der Entscheidungsträger von seinem inneren Wertekonflikt «Quantität oder Qualität» befreit werden. «Der moderne Manager braucht ein integrales Führungsinstrument, mit dem er Sein und Haben ins Gleichgewicht bringen kann», ist Fiechter überzeugt.

Eine Klippe bei dieser Sichtweise, dessen ist sich Fiechter bewusst, liegt darin, dass – im Gegensatz zu Sachwerten – die immateriellen Werte in der Regel einem viel dynamischeren Wandel unterliegen.

Sie können durch das Unternehmen weitaus weniger kontrolliert werden: So muss beispielsweise das Wissen der Mitarbeiter in einem ganzheitlichen System von Wissensdatenbanken gesichert, zahlenmässig dargestellt und genutzt werden, um es dauerhaft im Unternehmen zu erhalten. Geschieht dies nicht, kann über Jahre aufgebautes immaterielles Vermögen binnen weniger Tage durch Personalwechsel vernichtet werden.