Wenn wir bis in 30 Jahren ein Drittel der Energie aus alternativen Quellen gewinnen wollen, müssen wir eine zusätzliche Menge bereitstellen, die dem Verbrauch von 5 Mrd t Erdöl entspricht», erklärt Thomas Hinderling, CEO des Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique (CSEM). Für den Nuklearphysiker ist klar, dass die Solarenergie dabei die Hauptrolle spielen wird. Voraussetzung sind allerdings günstigere Lösungen. «Wenn Solarkonverter pro Quadratmeter weiterhin deutlich mehr als 100 Fr. kosten, lässt sich mit Solarenergie kein richtiger Durchbruch erzielen.»

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Sonne und potente Investoren



Auf der Suche nach günstigerer Solarenergie ist das CSEM in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) fündig geworden. Dort gibt es Sonne im Überfluss, finanzkräftige Investoren und – wichtig für die Umwandlung von Wärme in Strom – auch Wasser, Letzteres allerdings nur als Salzwasser. Vor diesem Hintergrund wurde am CSEM die Idee geboren, ein schwimmendes Solarkraftwerk zu entwickeln. Hinderling: «Das Konzept erlaubt eine wesentlich kos-tengünstigere und grossflächige Erschliessung der Solarenergie.»

Bereits haben die Bauarbeiten für einen Prototypen im Meer begonnen. Auftraggeber des CSEM ist die Regierung von Ras Al Khaimah (RAK). Das nördlichste der sieben arabischen Emirate ist zwar weitaus weniger bekannt als etwa Dubai oder Abu Dhabi. Aber es hat sich in der Boomregion am Golf am stärksten auf Technologie fokussiert. Deshalb hat das CSEM vor zwei Jahren in einem Joint

Venture mit RAK eine Niederlassung gegründet. Inzwischen arbeiten dort rund drei Dutzend Forscher vor allem mit Solartechnologie und Wasserenergie. Scheich Kronprinz Saud Bin Saar Al Qasimi ist das Projekt wichtig genug, um es am Donnerstag dieser Woche im Hotel Eden in Spiez im Kanton Bern persönlich der Schweizer Presse vorzustellen, zusammen mit dem CSEM-Chef.

Das Emirat investiert in die Pilotanlage Millionen von Franken. Wie viele genau, will Hinderling nicht verraten. Bis Ende 2008 soll die Pilotanlage schwimmen. Es handelt sich dabei um eine runde Plattform mit einem Durchmesser von rund 100 m. Darauf sind thermosolare Panels installiert, die 1 MW Leistung erbringen. Vorerst will man zu Demonstrationszwecken mittels Dampf Süsswasser gewinnen. «Aber vom Konzept her sind alle Energieformen denkbar, von Strom bis zu flüssigem Wasserstoff», sagt Hinderling. Der CSEM-Chef räumt ein, dass man grösstenteils auf bekannte Materialien und Komponenten zurückgreifen könne. «Unsere Pionier-leistung ist es, die vorhandenen Technologien zu einem neuen Sys-tem zu verknüpfen.» Die eigentliche Herausforderung sei bautechnischer Art, nämlich die Konstruktion einer wellenresistenten und trotzdem günstigen Plattform. Vorgesehen sind auch sogenannte thermische Reservoirs, die rund um die Uhr einen gleichmässigen Strombezug ermöglichen sollen.

Hinderling setzt grosse Hoffnungen auf die Aktivitäten auf der arabischen Halbinsel. «Wir treffen dort auf einen unglaublichen Pioniergeist.» Auch deshalb hat die Niederlassung in Ras al Khaimah strategische Bedeutung für das Forschungszentrum in Neuenburg. Der dynamische Wirtschaftsraum sei für verschiedene, aus CSEM-Projekten gewachsene Start-ups

ein ideales Gelände, um die Markt-reife ihrer Produkte zu testen. Hinderling sieht zudem die Emirate als elegantes Sprungbrett nach dem gerade mal zwei Flugstunden entfernten Indien, dem wohl grössten Zukunftsmarkt überhaupt.

CSEM hofft auf Folgeaufträge



Sollte sich die «Solarinsel» bewähren, stünde einer serienmässigen Produktion nichts im Weg. Hinderling verspricht sich davon auch lukrative Folgeaufträge für Schweizer Firmen, die mit knapp zwei Dritteln der Aktien am Forschungszentrum CSEM beteiligt sind. «Und», blickt er weiter in die Zukunft, «nichts spricht dagegen, dass die Schweizer Stromproduzenten selber solche Solarinseln bauen und irgendwo auf dem Meer platzieren.» Zum Konzept gehört letztlich auch, eines Tages die in den sonnigsten Ländern gewonnene Solarenergie als flüssigen Wasserstoff überallhin transportieren zu können.

Noch kaum bekannt ist das CSEM-Projekt den Schweizer Energieexperten. David Stickelberger, Geschäftsführer der Swissolar, glaubt, dass es zum Zweck der Meerwasserentsalzung vernünftig sei. «Es kann aber nur ein Teil der Lösung des Energieproblems sein», schränkt er ein. Nahe liegender als Solarinseln auf dem Meer seien Solarzellen an den Fassaden der Hochhäuser, die in den Emiraten gegenwärtig überall wie Pilze aus dem Boden schiessen.