Sie hatten kürzlich wieder eine intensive Auktionswoche. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Cyril Koller: Die Auktion selber ist eigentlich der «kleinste» Teil des gesamten Prozesses. Bereits während der Vorbesichtigung der kommenden Auktion starten wir mit der Arbeit an der nächsten. Dabei unterscheide ich vier Phasen: Die Akquisitionsphase ist nebst der Auktionswoche die intensivste Zeit. Beim Suchen nach geeigneten Objekten macht man positive und negative Erfahrungen. Positiv ist es natürlich, wenn man ein schönes Stück oder eine interessante Sammlung angeboten erhält, und negativ, wenn ein anderes Auktionshaus einem etwas «wegschnappt». Danach kommt die Katalogisierungszeit. In dieser Zeit müssen wir Expertisen machen und einholen. Dann kommt die dritte Phase, in welcher man an die Öffentlichkeit geht, und schliesslich die vierte Phase, die mir natürlich sehr nahe liegt, die Auktion.

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Haben Sie vor einer Auktion Lampenfieber?

Koller: Doch, vor einer Auktion bin ich sehr nervös, aber das braucht es auch! Vielleicht ist Lampenfieber nicht das richtige Wort, aber eine gewisse Spannung und Nervosität sind schon da. Man hat sich zwar entsprechend vorbereitet, man weiss, wer alles im Saal sitzt, aber dann kommt es doch auf die Minute, die Sekunde an, und ich stelle mir dann immer die Frage «Geht jetzt die Hand hoch?». Diese Spannung bleibt während der gesamten Dauer der Auktion und wird auch bestimmt von der Frage, wie weit sich der Preis für ein bestimmtes Objekt noch entwickelt.

Sie sind in der Auktionswoche der Mittelpunkt, gewissermassen der «Star». Eine gute Unterstützung seitens Ihrer Mitarbeiter ist dafür wohl unerlässlich.

Koller: Sicher, und es braucht eine klare Organisation. Wir haben 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die den verschiedenen Departementen zugeteilt sind. Jedem dieser Departemente steht ein Chef vor, der seinen eigenen Verantwortungsbereich hat, indem er alles, was mit der Auktion zu tun hat, mit seinem Team erledigen muss. Die Aufteilung in Departemente haben wir sehr bewusst so gemacht, um potenziellen Einlieferern die Möglichkeit zu geben, umfassend mit uns zusammenzuarbeiten, auch im Rahmen der International Auctioneers.

Was ist denn Ihr Spezialgebiet?

Koller: Ich mache die Kataloge der alten Gemälde und bin darin spezialisiert. Es ist aber selbstverständlich, dass man sich immer wieder mit anderen Spezialisten austauschen und entsprechende Nachforschungen anstellen muss.

Wie steht es heute in der Zeit der globalen Durchdringung des Kunstmarktes mit dem Wissen um Fälschungen?

Koller: Leider gilt, dass beim Umgang mit Fälschungen der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Fälschungen werden immer wieder vorkommen, und deshalb ist es auch unerlässlich, gute Spezialisten und vertrauenswürdige Berater zu haben. Man muss alert sein und sich so gut als möglich absichern. Einerseits, damit einem als Verkäufer und Auktionator selber keine Fehler unterlaufen, und anderseits weil die Käufer heute so vorsichtig geworden sind, dass sie sagen: «Wenn das Objekt nicht abgesichert ist, lasse ich die Hände davon.» Vor 20, 30 Jahren war das noch anders. Heute können Sie ein Bild der Klassischen Moderne ohne Expertise kaum verkaufen. Hinzu kommt dann noch die eingehende Untersuchung des Werkes, der so genannte Condition report.

Machen auch Sie die Erfahrung, dass die Zahl der Händler zurückgeht und vermehrt Kunstsammler und neue Kunden sich direkt an der Auktion eindecken?

Koller: Man muss hier differenzieren: Früher waren die Auktionen vor allem Händlerauktionen. Den Händlern wurden keine Echtheitsgarantien abgegeben, man hat sich mit einfachen Beschreibungen begnügt. Es wurden auch keine Expertisen gemacht, sondern die Händler haben gekauft und aufgrund ihres persönlichen Know-hows den Sammlern die Objekte angeboten.

Heute sind die Verkehrsverbindungen kein Problem mehr, es gibt zudem die sorgfältig ausgearbeiteten Kataloge und das Internet. So können auch Private einfacher und direkt an Auktionen kaufen. Unsere Haltung als Auktionator hat sich ebenfalls geändert, denn wir wollen und können heute selber Expertisen erstellen und die Kunden persönlich beraten. Man muss auch zwischen den einzelnen Sparten unterscheiden. Vor allem bei der Klassischen Moderne braucht es viel Know-how. Wenn Sie aber eine einschlägige Expertise haben, ein Exponat im Werkverzeichnis eingetragen ist und auch ein anständiger Condition report vorliegt, kann man ohne weiteres direkt an der Auktion kaufen.

Der Altmeistermarkt, der um einiges komplexer ist punkto Zustand der Werke und Zuschreibungen, läuft noch sehr stark über den Handel. Dies können Sie auch an den Auktionen beobachten. Die Topobjekte werden vielfach vom Handel gekauft, und Sammler benützen den Handel gerne als «Relais-Station». Ausserdem gibt es immer noch sehr potente Händler, die, wenn sie sich ein Objekt sichern wollen, dies auch tun unter dem Motto: «Um mich kommt man nicht herum».

Es heisst, Ihr Kundenkreis bestehe zu 70% aus ausländischen Kunden. Was bedeutet dies konkret?

Koller: Vor allem im höheren Preissegment ist das Ausland sehr stark vertreten. Das geht von Deutschland über Italien, die Niederlande, Frankreich, Österreich, und wir haben auch immer wieder Käufer aus England und den Vereinigten Staaten. Neu haben wir einige Objekte an Russen verkaufen können und stellen fest, dass spezifisch die Russen «ihre Kunst» wieder zurückkaufen. In letzter Zeit ist es sogar nicht mehr nur «Russisches», sondern vermehrt werden auch französische Stilmöbel gekauft. Bei den Asiatica-Auktionen decken sich nun die Chinesen ein.

Wie positionieren Sie sich gegenüber den «Big two»?

Koller: Wir bieten als Galerie Koller in der Schweiz, aber auch im Rahmen der International Auctioneers (IA) sowohl für die Einlieferer als auch für die Käufer eine Alternative zu Sotheby's und Christie's. Auch wir verfügen international über ein Netzwerk, welches garantiert, dass man an die interessierten Sammler gelangen kann, und auch wir verfügen über den Mechanismus, um die notwendige Publizität sicherzustellen. Dazu kommt, dass wir in diesem internationalen Geschäft immer noch ein Familienunternehmen sind.

Was war der Grund, dass der Einlieferer des Avercamps, Ihres Topobjekts an der Herbstauktion, zu Ihnen gekommen ist?

Koller: Sehen Sie, der Avercamp ist bei uns auf der Titelseite des Katalogs, er wurde immer wieder in unseren Zeitungsinseraten abgebildet, und wir konnten so richtig auf ihn aufmerksam machen. Ich behaupte nicht, dass andere dies nicht machen, aber wenn Sie als Einlieferer mit einem Drei-Millionen-Bild zu Christie's oder Sotheby's gehen und daneben hat es an der gleichen Auktion ein Dreissig-Millionen-Bild, dann wird eben jenes mehr «gepushed». Natürlich haben wir einige Überzeugungsarbeit leisten müssen, und die Bedeutung des Netzwerkes ist auch nicht zu unterschätzen.

Macht es sich somit bezahlt, dass Sie sich mit anderen Häusern zusammengeschlossen haben im Rahmen der International Auctioneers SA?

Koller: Ja, das ist eine gute Entscheidung gewesen. Heute besteht der Zusammenschluss aus acht Auktionshäusern. Die Idee dahinter ist, dass aus jedem Land das führende Auktionshaus mitmacht, denn so kann jedes von diesem Zweckbündnis profitieren. Es lässt sich vergleichen mit den Juwelieren an der Bahnhofstrasse in Zürich: Alle sind zwar Konkurrenten, aber da sie alle unterschiedliche Angebote haben, ergeben sich auch Synergien in dem Sinne, dass der Kunde weitergereicht werden kann und so eine breitere Auswahl hat. Ein gutes persönliches Einvernehmen ist jedoch eine ganz wichtige Voraussetzung; ohne Sympathie geht es halt nicht. Ich schätze den Gedankenaustausch sehr. Hendrik Hanstein zum Beispiel, vom Kunsthaus Lempertz in Köln, steht wie ich einem Familienunternehmen vor, hat gleich viele Mitarbeiter und macht sehr ähnliche Erfahrungen. So etwas kann richtig motivieren und inspirieren. Es ist nicht zu vergleichen mit der Situation, die man hat, wenn man nur auf sich gestellt ist.

Sie haben aber nebst Genf auch eigene Vertretungen im Ausland, in München und Brüssel. Wie verträgt sich das mit der IA-Zusammenarbeit?

Koller: Wir achten darauf, dass wir uns im eigenen Gehege nicht zu sehr in den Weg kommen. Das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Selbstverständlich kommen Akquisitionsgefechte zwischen zwei Partnern immer wieder vor. Damit kann ich leben. Auch wenn der eine leer ausgeht, kommen wir gleichwohl zusammen und nehmen das Objekt in einen gemeinsamen Katalog auf. Letztes Jahr zum Beispiel haben wir für die Auktionen in den Monaten November und Dezember zusammen mit Lempertz in Köln und Artcurial Briest Poulain le Fur in Paris einen gemeinsamen Katalog mit ausgewählten Werke der Moderne gemacht. Ein Bild von uns wurde von einem Lempertz-Kunden gekauft, ein Bild von Lempertz kaufte ein Kunde von Briest.

Sie sind derzeit Präsident der IA. Was bedeutet das?

Koller: Das Amt wechselt in einem Turnus von zwei Jahren. Ich bin jetzt nach Henrik Hanstein von Lempertz und Carl-Gustaf Petersen von Bukowski der dritte Präsident, seit wir die Struktur einer SA haben. Der Zusammenschluss besteht aber schon seit 1993 als loser Verband. Seit 2003, als wir das 10-Jahr-Jubiläum feiern konnten, geben wir eine eigene Zeitschrift heraus, das «International Auctioneers Magazine», mit einer Auflage von 80000 Exemplaren.

Auch im Private Banking spricht man heute gerne von Kunst als Investition. Was ist Ihre Meinung dazu begünstigt die derzeitige Börsenflaute das Interesse an Kunst?

Koller: Ich habe keine neue Meinung. Kunst soll man kaufen, wenn man Freude daran hat, wenn man sich gerne damit umgibt oder weil man möglicherweise stolz ist, wenn es gelingt, ein begehrtes Werk zu ersteigern. Natürlich kann man mit Kenntnis und guter Beratung eine Sammlung aufbauen, die einen stabilen Wert darstellt oder sogar im Wert steigt. Dann ist diese Sammlung tatsächlich mit einer guten Anlage gleichzustellen. Auch bei der jetzigen Börsenflaute bleiben solche Überlegungen grundlegend. Sicher gibt es sehr reiche Leute, die sich bei der heutigen Börsenlage lieber ein schönes Bild an die Wand hängen. Beim Mittelsegment der Käufer ist es aber zurzeit eher schwierig. Nur wenn man wirklich gute Objekte hat auch punkto Zustand und Provenienz, hat man mittelfristig eine Chance. Wir haben aber trotz schwacher Börse zwei gute Jahre hinter uns. 2001 war damals jedoch sehr hart.

Wie sehen Sie denn die Zukunft Ihres Hauses und Ihre persönlichen Ziele für die kommenden Jahre?

Koller: Unsere Position in der Schweiz und auf dem Kunstmarkt generell ist gut, und somit habe ich keine grundlegende Änderung der Ausrichtung vor. Das heisst aber nicht, dass wir nicht international, durch die IA, wachsen möchten. Vor allem geht es mir um die Qualitätssteigerung von unseren Objekten, unseren Dienstleistungen und den Abläufen. Was meine persönlichen Ziele betrifft, so sehe ich mich am richtigen Ort. Ich bin so verwachsen mit diesem Haus, dass ich hier weiterkommen will. Es gibt ja immer wieder Spannendes und Neues zu entdecken. Ich bin jung und Enthusiast, und es beflügelt, wenn man Erfolg hat.

Nächste Auktionen: 14. und 15. November 2004 in Genf und 6. bis 11. Dezember 2004 in Zürich.



International Auctioneers SA (IA)

Gründung: 1993 zunächst als loser Verband unabhängiger Auktionshäuser

Mitglieder der IA: Galerie Koller, Zürich; Artcurial Briest Poulain Le Fur, Paris; GMAI Auctentia, Madrid, Zürich, New Jersey, Hongkong; Swann, New York; Dorotheum, Wien; Bukowskis, Stockholm; Finarte Semenzato, Mailand, Venedig, Rom; Lempertz, Köln.

Auktionen: Rund 800 Auktionen jährlich

Publikation: «International Auctioneers Magazine»



Profil

Name: Cyril Koller

Funktion: Kunstunternehmer und Mitinhaber der Galerie Koller AG

Alter: 37

Wohnort: Küsnacht

Familie: Verheiratet, vier Töchter

Studium: Kunstgeschichte an der Universität Zürich

Karriere:

Seit 1992 innerhalb des Familienunternehmens tätig

Seit 1998 CEO der Firma Galerie Koller

Seit 2003 Präsident der International Auctioneers SA

Firma:

1958 wurde die Galerie Koller von Pierre Koller in Zürich eröffnet. Nach Erwerb eines grösseren Nachlasses fing Koller 1960 als Auktionator an und etablierte die Galerie unter Beibehaltung des Namens als Auktionshaus. 1974 expandierte das Haus in die Westschweiz (Schloss Lucens) und von dort 1980 nach Genf. 1991 verlegte die Galerie Koller AG ihren Hauptsitz aus dem Zentrum von Zürich an die Hardturmstrasse. Heute besteht neben der Galerie Koller die Galerie Koller West (preisgünstiges Segment). Repräsentanten hat Koller in München, Brüssel und Liechtenstein.