Herr Källenius, ein Schwede im Schwabenland – warum funktioniert das?
Weil Mercedes die spannendste Autofirma der Welt ist! Hier habe ich nach dem Studium mein Glück gefunden.

Sie sind seit über 20 Jahren dabei.
25 sogar.

Für Manager Ihrer Generation eine ungewöhnlich lange Stehzeit bei einer Firma.
Für Daimler ist es gar nicht ungewöhnlich. Sehr viele Menschen verbringen ihre ganze Laufbahn hier. Die Produkte sind spannend, das Unternehmen gross und weltweit aufgestellt. Man kann sich auf vielerlei Arten weiterentwickeln.

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Mercedes liegt weltweit, aber auch in grossen Märkten wie den USA oder Deutschland beim Absatz vor den Konkurrenten Audi und BMW – auch in der Schweiz. Was tun Sie, um die Position zu halten?
Die traditionellen Stärken der Marke Mercedes mit neuen technologischen Trends und Innovationen kombinieren! Also sportliches, zeitloses Design, Qualität und Sicherheit auf höchstem Niveau, dazu souveränes Fahrgefühl, und das alles gepaart mit Connectivity. Zudem bewegen wir uns in Richtung Null-Emission über die Elektrifizierung. Dazu kommen Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren, aber auch neue Mobilitätsdienstleistungen – in diese Systeme, wie etwa Shared Mobility, betten wir unsere Produkte ein. Diese Kombination ist unser Rezept, um auch in den nächsten Jahrzehnten Erfolg zu haben.

Auf die Frage, ob in Zukunft der Bessere oder der Schnellere gewinnt, sagte Daimler-CEO Dieter Zetsche einmal: der Schnellere. Das widerspricht eigentlich komplett der Daimler-DNA, wo man ja immer gern ausgiebig am Allerbesten herumgetüftelt hat. Hat der Mindset im Konzern um 180 Grad gedreht?
Also, unsere eigentliche DNA ist ja: Startup! Wir sind «the original startup» in der Autoindustrie.

Wegen Carl Benz und Gottlieb Daimler?
Genau! Und wenn man zurückblickt, sieht man, dass wir in sehr vielen Technologien die Ersten waren. In anderen Fällen waren wir diejenigen, die eine neue Technologie «richtig» gemacht haben. Ich glaube, es ist eine Kombination. Man muss mutig sein, den Pioniergeist haben, permanent neue Dinge in den Markt bringen. Und manchmal kann es die bessere Strategie sein, den Business Case noch mal technisch durchzudenken und vielleicht die bessere Lösung zu bringen. Eine Mischung zwischen schnell sein und der Bessere sein.

Ola Källenius

Ola Källenius ist Vorstandsmitglied der Daimler AG und verantwortlich für die Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung. Der gebürtige Schwede studierte unter anderem an der Universität St. Gallen und trat 1993 in die internationale Nachwuchsgruppe der damaligen Daimler-Benz AG ein. Der 48-Jährige hat seine ganze Karriere bei Daimler verbracht. Er gilt als erste Wahl für den CEO-Posten.

Daimler-Entwicklungschef Ola Källenius
Quelle: Daimler AG

In Europa kauft kaum noch jemand Limousinen, sondern eher SUVs. Welches sind die Fahrzeugklassen der Zukunft?
Die Kundenwünsche werden immer individueller. Und die Kunden bewegen sich heute sehr flexibel in ihrem Kaufpreissegment. Das heisst, sie fahren ein Coupé, als Nächstes ein SUV, danach eine Limousine. Wir bieten ein breites Produktportfolio, um diese Wünsche zu bedienen, und betreten neue Segmente – siehe unsere viertürige Sportlimousine Mercedes-AMG GT.

Und die SUVs?
Innerhalb dieses Trends zur Individualisierung muss man sagen: Die SUVs sind tatsächlich das am stärksten wachsende Segment. Hier sehen wir nach wie vor die Chance, mehr zu machen – nicht nur auf eine Region bezogen, sondern weltweit.

Wie gefährlich ist Donald Trumps Handelspolitik, Stichwort Importzölle?
Wir kommentieren die Handelspolitik von Präsident Trump nicht. Wir sagen schon immer und grundsätzlich: Freihandel ist etwas Positives, er hilft uns als Industrie, aber auch den Menschen in einem Land.

Volvo-Eigentümer Geely ist bei Daimler eingestiegen. Volvo ist voll des Lobes über die Chinesen, bei Ihnen jedoch scheint Geely nicht willkommen. Warum?
Das stimmt nicht. Wir haben immer schon gesagt, dass wir langfristig ausgerichtete Aktionäre begrüssen, die bei uns die Zukunft des Automobils sehen. Das gilt auch für den Unternehmer Li Shufu.

Und Geely ist ein langfristiger Aktionär?
So haben wir Li Shufu verstanden, ja.

Li Shufu

Geely-Chef Li Shufu sorgte mit seinem Einstieg bei Daimler für Aufregung in der weltweiten Autobranche.

Quelle: China News Service/Getty Images

Sie haben zwei Partner in China, BAIC und BYD. Wäre ein dritter denkbar?
BAIC ist unser Hauptpartner in China, und das bleibt auch so. Mit BYD haben wir eine gute Kooperation bei unserer gemeinsamen Elektromarke Denza. Ob das erweitert werden kann, muss man sehen.

Li gilt als grosser Mercedes-Fan. Er hat versucht, Ihre E-Klasse nachzubauen...
Dazu weiss ich nichts. Wir selber sind extrem begeistert von Mercedes und freuen uns, wenn das auch andere sind (lacht).

Mercedes wird immer wieder vorgeworfen, in der E-Mobilität zu langsam zu agieren. Stimmt der Vorwurf?
In gewisser Weise waren wir vielleicht sogar zu schnell. Wir waren die Allerersten, die ein Volumenprodukt in den Markt gebracht haben.

Den E-Smart 2007.
Mittlerweile fährt er in der vierten Generation. Wir hatten mit dem Vito als Erste einen elektrischen Transporter im Markt und haben auch sehr früh die B-Klasse elektrifiziert. Also: Elektromobilität als Trend haben wir sehr früh erkannt. Es ist aber richtig, dass der Markt in den ersten Jahren noch nicht so stark gewachsen ist.

Ändert sich das jetzt?
Ja. Wir spüren, der Markt ist kurz davor, stark ins Positive zu drehen. 2015 haben wir entschieden, zehn Milliarden Euro in eine Elektrofamilie EQ zu investieren. Das erste Auto, ein SUV, präsentieren wir dieses Jahr, 2019 geht es in den Markt. Dann werden in schneller Folge mehr Produkte dazukommen. Vom Timing her, glaube ich, liegen wir also ziemlich gut.

Gilt immer noch die Einschätzung, dass Elektrifizierung vor allem ein Thema für kleine Autos und Pendlerverkehr ist, weniger für grosse Limousinen, ländliche Regionen und Langstreckeneinsätze?
Das war wohl am Anfang, vielleicht vor zehn Jahren, die herrschende Meinung. Doch heute haben wir damals kaum vorstellbare Energiedichten in den Batterien erreicht. Heute sind auch grosse Reichweiten sehr interessant, können Batterien auch grosse SUVs und Limousinen antreiben. Da gibt es von der Logik her keine Begrenzung mehr.

EQ-Concept Daimler

Concept EQ: Mit der Baureihe EQ setzt Daimler voll auf Elektromobilität.

Quelle: Daimler AG

Sie und Zetsche lieben den Dieselmotor, heisst es. Wie sehen Sie seine Zukunft?
Wir sind vom Diesel überzeugt. Unsere Diesel der neuesten Generation, mit der wir 2016 gestartet sind, haben vorbildliche Emissionswerte – auch auf der Strasse. Bei vielen Fahrten nach dem Messverfahren Real Driving Emissions liegen sie deutlich unter dem Laborgrenzwert von 80 mg/km – obwohl sie für die entsprechende Norm bis zu 168 mg/km ausstossen dürften. Und in Sachen CO2 haben Diesel einen unbestrittenen Vorteil von etwa 15 Prozent gegenüber vergleichbaren Benzinern. Für Leute, die viel und lange Strecken fahren müssen, ist das eine sehr gute Lösung.

Trotz allem – Diesel als Patentlösung?
Wir sehen den Diesel für Europa als eine von mehreren Säulen. Natürlich entwickeln wir die Benziner weiter, und natürlich wird die ganze Palette elektrifiziert, es wird Hybride, Plug-in-Hybride und die vollelektrischen EQ-Modelle geben. Also: Verbrenner werden elektrifiziert, Diesel und Benziner bleiben attraktiv.

Sie gelten als Kronprinz für die Nachfolge von Dieter Zetsche, der 2019 als CEO ausscheidet. Eine gefährliche Rolle?
Das wird bei uns nicht diskutiert, deswegen gibt es dazu nichts zu sagen.

Aha, okay. Sie haben einmal die Mobilität der Zukunft als «Ökosystem» bezeichnet. Was wird in Zukunft rund um das Auto an Dienstleistungen gebaut?
Vor allem über die Konnektivität haben wir die Chance, das Auto zum Smartphone on wheels zu machen. Mobility als Service wird stark wachsen. Deshalb haben wir Carsharing über Car2go aufgebaut, unsere App Mytaxi ist heute Europas grösster Anbieter für Taxidienste, wir sind am Limousinenservice Blacklane beteiligt, haben uns mit Via im On-demand-Mitfahrgeschäft engagiert, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir sehen solche Angebote als Wachstumsfeld und wollen die Branche mitgestalten – über gute Produkte, aber auch als Plattformbetreiber.

Ein Mercedes im Carsharing, passt das zum Premium-Anspruch?
Auch bei Mobilitätsdienstleistungen wird es Premium- und Luxussegmente geben und Angebote für den Volumenmarkt. Wir haben seit über einem Jahr Mercedes-Modelle bei Car2go – und das ist der volle Hit!

Das Interview erschien in der April-Ausgabe 04/2018 der BILANZ.

Dirk Ruschmann
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