Rund 600 Mitarbeitende der Post-Tochter Notime zittern um ihren Job. Die Post hat heute angekündigt, dass der Betrieb ihrer Tochtergesellschaft per Ende September eingestellt wird.
Das Geschäftsmodell ist gescheitert: Notime liefert Kunden Pakete noch am Tag der Bestellung. Die Nachfrage sei «unter den Erwartungen geblieben», begründet die Post das baldige Ende. Dazu sei die Zahlungsbereitschaft für das Angebot gering gewesen.
Auf den ersten Blick scheint das überraschend. Die landläufige Meinung war, dass in der Schweiz wegen des Trends zu E-Commerce und schnellen Lieferungen ein wachsender Bedarf für Zustellungen am selben Tag – sogenannte «Same-Day-Deliveries» – besteht.
Wenig Zahlungsbereitschaft für Schnelllieferungen
Dagmar Jenni (57) vom Detailhandelsverband Swiss Retail Federation sieht das anders: «Das Aus von Notime hat mich nicht überrascht», sagt sie gegenüber Blick.
Für Dagmar Jenni von der Swiss Retail Federation war schon länger klar, dass der Schweizer Markt für Same-Day-Deliveries wenig hergibt.
Sie stützt ihre Aussage auf eine vom Verband gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Oliver Wyman im November 2021 erstellte Studie. Diese untersuchte das Einkaufsverhalten von Schweizerinnen und Schweizern. Dabei wurde auch die Zahlungsbereitschaft von Kunden für Schnelllieferungen analysiert. Das Ergebnis: Die Kundschaft zeigte sich bereits damals sehr zurückhaltend.
«Die Liefergebühren galten bei vielen Befragten als eine Haupthürde, die gegen Online-Käufe sprach», so Jenni. Für Schnelllieferungen waren Schweizer laut der Studie bereit, im Schnitt maximal 10 Franken zu bezahlen.
«Seit damals hat sich unserer Einschätzung nach die Preissensitivität noch erhöht», führt Jenni aus. Konsumenten gäben zwar oft an, dass sie Zusatznutzen wie schnelle Heimlieferungen aus Bequemlichkeit gerne beanspruchen. Doch dafür zahlen wollen die wenigsten. «Wenn ein Anbieter dann nicht genügend grosse Liefermengen hinkriegt, kommt er nie in die Gewinnzone und legt drauf», schliesst Jenni.
Die Nachfrage nach Same-Day-Zustellungen sei unter den Erwartungen geblieben.
Post fokussiert wieder aufs Kerngeschäft
Das Ende von Notime nach acht Jahren folgt auf die Ankündigung vor einem Jahr, dass 170 Poststellen schliessen. 2023 hatte die Post schon ankündigen müssen, dass ihre Vertriebstochter Direct Mail Company 2024 eingestellt wird.
Nun will sich die Post künftig wieder stärker auf ihre Kernkompetenzen in der Brief- und Paketlogistik, im Zahlungsverkehr sowie im öffentlichen Verkehr konzentrieren.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «‹Das Aus von Notime hat mich nicht überrascht›».