In Birmingham ist er ein Held. Seit Nassef Sawiris die Mehrheit an Aston Villa F. C. gekauft hat, läuft es rund beim Fussballclub. Zuletzt gewann die Mannschaft elf Spiele in Folge. Das ist Vereinsrekord. Das Team liegt an der Spitze der zweiten englischen Liga, Sawiris ist ein Gefeierter.

Die Bilanz des 58-Jährigen bei Lafarge Holcim fällt durchzogener aus. Der ägyptische Unternehmer gilt als Strippenzieher hinter der Grossfusion der schweizerischen Holcim und der französischen Lafarge. Seine Rolle war essenziell, als es um die Installation von Jan Jenisch als Chef des weltgrössten Zementkonzerns ging. Und doch bleibt er selbst für Industrieveteranen nur schwer greifbar. Der langjährige Holcim-Präsident Rolf Soiron sagt, er kenne Sawiris eigentlich kaum. Und Mitglieder des obersten Lafarge-Kaders haben den Ägypter teilweise über Jahre nicht gesehen.

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Seit einer Dekade ist der Bruder von Andermatt-Investor Samih Sawiris schon bei Lafarge und Lafarge Holcim dabei. 2018 erhielt er für sein Amt als Verwaltungsrat ein Salär von 285 000 Franken. Das Entgelt war der Lohn für die Teilnahme an sechs Sitzungen. An vier von fünf ordentlichen Meetings war Sawiris dabei. Ausserdem nahm er an zwei von vier Treffen des Nominationsausschusses teil.

Vielbeschäftigter Milliardär

Niemand im obersten Gremium des Zementherstellers glänzte öfter durch Abwesenheit. Sawiris bestätigt damit Befürchtungen des Stimmrechtsberaters Ethos. Die von Schweizer Pensionskassen gegründete Stiftung verwehrte dem Unternehmer im letzten Jahr die Wiederwahl, weil seine zeitliche Verfügbarkeit fraglich gewesen sei, sagt Ethos-Chef Vincent Kaufmann. Neben dem Mandat bei Lafarge Holcim sitzt Sawiris auch noch im Aufsichtsrat des Sportausrüsters Adidas und leitet einen 3 Milliarden Dollar schweren Düngemittelkonzern mit 3000 Angestellten.

«Was mich immer beeindruckt hat, sind seine Schnelligkeit und sein unternehmerisches Flair.»

Thomas Schmidheiny über Nassef Sawiris

Gewählt wurde Sawiris trotz dem Ethos-Nein. 94 Prozent der Aktionäre hielten dem Absolventen der University of Chicago die Stange. An der kommenden Generalversammlung Mitte Mai tritt er aber nicht mehr an. Kaufmann begrüsst dies grundsätzlich, zumal zwei unabhängige Frauen als Ersatz vorgeschlagen sind. Lafarge Holcim-Grossaktionär Thomas Schmidheiny aber bedauert, dass ein langjähriger Gefährte das Geschäft verlässt. «Was mich immer beeindruckt hat, sind seine Schnelligkeit und sein unternehmerisches Flair», sagt der Zementbaron, der knapp über 11 Prozent an der Firma hält. Das habe Sawiris auch im Verwaltungsrat von Lafarge Holcim eingebracht. «Diese unternehmerische Komponente gepaart mit seinem Zementwissen wird sicher fehlen», so Schmidheiny.

Die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Sie haben gemeinsam eine der weltgrössten Zementfabriken aus dem ägyptischen Wüstenboden gestampft. Sie befindet sich 100 Kilometer südwestlich von Kairo und war eine der Perlen, die Sawiris 2008 für eine Milliardensumme an den französischen Lafarge-Konzern veräusserte. Es war zweifelsohne der Deal seines Lebens. Für zehn Werke mit einer kumulierten Kapazität von 35 Millionen Tonnen Zement und einem Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar löste der gewiefte Unternehmer eine Summe von umgerechnet über 13 Milliarden Franken.

Deal des Lebens

Einen Teil erhielt Sawiris in Cash, einen anderen Teil in Form von Lafarge-Aktien. Der Wert seiner Beteiligung lag in den Folgejahren je nach Wechselkurs und Aktienkurs stets zwischen 1,5 und 3,5 Milliarden Franken. Im letzten Jahr verkaufte er schliesslich Papiere im grossen Stil (siehe Grafik).

Der Deal mit Lafarge hat Sawiris zu einem der reichsten Männer des Planeten gemacht. Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» schätzt sein Imperium auf über 7 Milliarden Franken. Für Lafarge und die spätere Lafarge Holcim war der Kauf aber ein Debakel. Ein Werk in der Türkei hat Lafarge 2009 bereits wieder verkauft. In Pakistan kam es 2014 zu einem Divestment. In Saudi-Arabien wurde 2016 veräussert. Und für die Minderheitsbeteiligung in Nordkorea erarbeitete die Rechtsabteilung eine Sprachregelung, sollten Journalisten oder Investoren nach dem Geschäft im sanktionierten Land fragen.

Mittlerweile ist auch dieses Kapitel geschlossen, die Position verkauft. Was vom Sawiris-Deal geblieben ist, entwickelt sich schleppend. In Ägypten und Nigeria sorgen Währungsprobleme und konjunkturelle Dellen für ein Auf und Ab. In Algerien herrscht Überversorgung und Preisdruck. Und in Irak spielt der Konzern mit dem Feuer.

Grossbaustelle Syrien

Das grösste Problem ist aber Syrien. Ein Werk aus dem Sawiris-Porfolio hat Lafarge Holcim in ein Strafverfahren geführt. Hintergrund sind mutmassliche Zahlungen an terroristische Organisationen. Seit Juni 2018 ist der Konzern Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens. Lafarge Holcim musste eine Kaution in der Höhe von 30 Millionen Euro hinterlegen.

Lafarge-Werk in Syrien

Lafarge-Werk in Syrien: Der Konzern hat Versäumnisse eingestanden.

Quelle: Keystone

Lafarge erwarb zunächst 80 Prozent an der Anlage, die seinerzeit im Bau war. Der Rest gehörte dem syrischen Geschäftsmann Firas Tlass, wie Unterlagen aus dem Strafverfahren zeigen. In der Folge investierten die Franzosen, die Anteile von Tlass verwässerten sich. Der Sohn eines ehemaligen syrischen Ministers blieb aber eine zentrale Figur. Er soll Mittelsmann zum Islamischen Staat gewesen sein und monatlich Zehntausende Franken zu den Gotteskriegern getragen haben. Zwischen Tlass und Nassef Sawiris soll es im Mai 2014 zu einem Treffen gekommen ist. Die Pariser Justiz interessiert sich dafür. Was besprochen wurde, ob es überhaupt dazu kam und in welchem Zusammenhang das mit den Zahlungen stehen könnte, ist offen.

Das Datum fällt in eine heikle Phase. Lafarge und Holcim verhandelten über eine Fusion, derweil sich Mord und Totschlag in Syrien ausbreitete. Im Lafarge-Zementwerk wurden Autos gestohlen, Büros verwüstet, Personen bedroht. Das ganze Ausmass des Syrien-Skandals wurde 2016 ruchbar und säte Zwietracht in der Chefetage des frisch fusionierten Zementkonzerns. Management und Verwaltungsrat kommunizierten zeitweise nur noch in Anwesenheit ihrer Anwälte.

Kapitel geschlossen, dürfte Nassef Sawiris sagen, wenn er Mitte Mai in der Samsung Hall in Dübendorf seinen Rücktritt aus dem Verwaltungsrat gibt. Er darf zufrieden sein: Zum Phantasiepreis konnte er seine Zementfirma an Lafrage verkaufen, anschliessend profitierte er bei der Fusion von LafargeHolcim vom vorteilhaften Austausch-Verhältnis. Die Knochenarbeit aber – die Sanierung oder der Verkauf seiner diversen Fabriken – blieb anderen überlassen.

Tourismus, Zement, Industrie: Der Sawiris-Clan

Den Grundstein für das ägyptische Imperium legte Vater Onsi Sawiris. In jungen Jahren erlebte er, wie das Königreich Ägypten die britische Herrschaft abschüttelte, das faschistische Italien im Zweiten Weltkrieg das Nil-Land zu erobern versuchte, Ägypten den Palästinakrieg verlor und Nasser zum Präsidenten aufstieg. Seine erste Baufirma gründete er 1950 – mit 20 Jahren.

Das Geschäft florierte, Onsi baute Strassen und Kanäle und erzielte so die ersten Millionen. 1961 verstaatlichte Nasser die Firma. Onsi Sawiris blieb als Staatsangestellter bis 1966 in Kairo, setzte sich dann nach Libyen ab, wo er eine neue Firma gründete und abermals enteignet wurde. 1972 kehrte er zurück nach Kairo und gründete mit fünf Angestellten die Firma Orascom.

Die Kinder Naguib, Samih und Nassef – geboren 1954, 1957 und 1961 – blieben die ganze Zeit über mit der Mutter in Kairo. Die drei Sprösslinge schlossen die Deutsche Evangelische Oberschule ab. Der älteste, Naguib, ging anschliessend nach Zürich, um an der ETH Maschinenbau zu studieren. Samih zog es für ein Studium der Ingenieurwissenschaften nach Berlin. Nassef erwarb einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften an der University of Chicago.

Nassef Sawiris ist mittlerweile der Vermögendste im ägyptischen Familienclan. Samih Sawiris leidet unter der ägyptischen Tourismuskrise. Sie hat sein Vermögen schmelzen lassen, ihn aber auch vorsichtiger gemacht. Mehr zu seiner Person lesen Sie hier. Und mehr zu seinem Unternehmen Orascom und dem Geschäft in Andermatt hier.