Seit ein paar Tagen strahlt «Lucy» wieder. 23’100 LED-Lämpchen erhellen die Zürcher Bahnhofstrasse. Die Weihnachtsbeleuchtung der Extraklasse zieht das Shoppingvolk in Massen an. Mit solchen Aktionen sorgen Prestigeeinkaufsstrassen weltweit für Aufsehen und wecken Emotionen und Einkaufslust. Das kann Online-Shopping nicht. Grossaktionen wie «Lucy» sind also auch ein Mittel, Shoppingmeilen attraktiv und begehrenswert zu halten. Das scheint den Bahnhofstrassen dieser Welt zu gelingen. Seit der Pandemie konnten die meisten grossen Einkaufsstrassen dieser Welt ihre Spitzenmieten halten oder sogar übertreffen. Das zeigt der jüngste Report des weltweit tätigen Immobilienberatungsunternehmens Cushman & Wakefield (Cushwake).

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Bahnhofstrasse Zürich ist die Nummer sieben der Welt

Die Untersuchung «Main Streets Across the World» sieht weiterhin die New Yorker Upper 5th Avenue als teuerstes Shoppingpflaster der Welt. Spitzenmieten von über 20’000 Euro pro Quadratmeter und Jahr werden dort auf dem Abschnitt zwischen der 49. und 60. Strasse erzielt.

Die Bahnhofstrasse Zürich hält ihren siebten Platz vom Vorjahr; hier werden in der Spitze 9243 Euro pro Jahr und Quadratmeter fällig, 1 Prozent mehr als vor der Pandemie: «Die Lage zeigt sich stabil, Branchen wie Luxus und Schönheit fallen weiterhin durch die grosse Nachfrage für Ladenflächen auf», sagt Gabriela Brandenberg, Head Office and Retail Services bei SPGI Zurich. Der Zürcher Immobiliendienstleister ist seit 1993 Schweizer Allianzpartner von Cushman & Wakefield.

Was Brandenberg aber auch sagt: «Die Anforderungen werden höher. Gesucht ist die perfekte Fläche.»

Die perfekte Location schildert Brandenberg so: «Als Optimum gilt eine ebenerdige Lage mit breiter Schaufensterfront, hohen Decken und einer Grösse von hundert Quadratmetern oder leicht darunter. Wenn das Begehren danach gross ist, die Location absolut stimmt und verfügbar ist, wird an der Bahnhofstrasse Zürich bei Neuabschlüssen die Topmiete von 9243 Euro pro Quadratmeter und Jahr bezahlt.» 

In der Höhe stürzen die Mietpreise ab

Bei ebenerdiger Lage gelingt es am besten, Kundinnen und Kunden in den Laden zu locken. Schwieriger wird es, wenn man sie dazu bewegen will, auf tiefere oder höhere Etagen zu steigen, sagt Brandenberg: «Ebenerdig ist Trumpf. Gegen unten und oben nimmt die Zahlungsbereitschaft stark ab.»

Was sich dann auch bei den Mieten klar zeige: «Im Untergeschoss rechnen wir anhand einer Faustregel noch mit einem Drittel der Erdgeschossmiete; im ersten Obergeschoss sind es 50 Prozent. Und im zweiten und dritten Obergeschoss nimmt das noch einmal rasant ab.»

Höhere Energiepreise setzen Massenmarktanbietern zu

Die Zinswende habe sich an der Bahnhofstrasse Zürich und an der Genfer Rue du Rhône bisher noch nicht stark in steigenden Mietpreisen manifestiert, sagt Brandenberg: «Viele Anbieter an den Schweizer High Streets sind in langen Mietverträgen drin, da wirken sich allfällige Veränderungen erst bei der Verlängerung aus.» 

Einen Effekt aber sehe man bei gestiegenen Energiepreisen, die sich auf die Nebenkosten auswirken: «Abnehmendes Interesse verspüren wir bei Anbietern in der Mittelpreislage. Hier sind Händler und Brands sehr preissensibel geworden.» Massenmarktanbieter, sagt Brandenberg, «haben mit steigenden Energiekosten härter zu kämpfen als Luxuslabels, die sich solche Aufschläge offenbar weiterhin leisten können.»

Einkaufsstrassen in Europa: Milano mit Sprung nach oben

In der europäischen Perspektive sieht Cushwake die Genfer Rue du Rhône auf Rang 22. Auffällig auf dem alten Kontinent: Die Via Monte Napoleone in Mailand macht einen grossen Sprung nach oben. 

 

 

 

In Mailand zeigt sich ein Muster, das auf den wertvollsten Shoppingstrassen dieser Welt oft zu beobachten ist. Wenn Bewegung in den Markt kommt, wenn eine Luxusmarke neue Flächen bezieht oder vergrössert, kann das grossen Einfluss haben. 

Im Fall der Via Monte Napoleone geben die Cushwake-Profis in Mailand ein einziges Stichwort: «Chanel». Das französische Luxushaus ist dort neu mit einem Geschäft eingezogen und zeigt auf 520 Quadratmetern in edlem Ambiente Schuhe, Schmuck, Brillen und Lederwaren. Damit hat Chanel die Strasse noch attraktiver gemacht und deren Wert gesteigert – was dann die nächsten Neumieter preislich wohl zu spüren bekommen werden.

Cushwake jedenfalls sieht die Spitzenmieten an dieser Mailänder Location um 31 Prozent höher als vor der Pandemie und auch um 20 Prozent höher als vor einem Jahr.

Digitalisierung im Laden einbauen

Bewegungen wie jene von Chanel in Mailand zeigen: Markenstarken Händlern und Herstellern ist eine superbe Offline-Lage weiterhin wichtig. Brandenberg verspürt das an der Zürcher Bahnhofstrasse auch von einer Branche, die man an hiesigen High Streets bisher weniger sah: «Im Bereich der Autobrands ist die Nachfrage weiterhin hoch. An der Bahnhofstrasse zeigt sich, dass hier nach Genesis und General Motors weitere Anbieter neue Flächen eröffnen möchten.»  

Gewinnen im Rennen um die Gunst der Konsumentinnen und Konsumenten und der durch «Lucy» angelockten Besucher und Besucherinnen würden zum Schluss jene, die an der High Street offline und online perfekt verzahnt haben, sagt Brandenberg: «Retailer wollen und brauchen weiterhin Flächen, um sich zu zeigen. Ihre Herausforderung ist es dann, die Digitalisierung in ihre Offline-Konzepte einzubauen.»

Andreas Güntert
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