Massiv männerlastige Branche. Tonnenweise schweres Gerät in der Bilanz. Tendenziell unsexy: Mit diesen Vorurteilen sieht sich die Logistikbranche in der Regel konfrontiert.

Dass es auch ganz anders geht, zeigt ein erfolgreiches Startup aus Winterthur. Luckabox ist von Frauen gegründet und geführt. Beim Fuhrpark gilt die Devise «zero asset»: keine Trucks, Cargo-Bikes oder sonstige Vehikel in der Garage.

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Und punkto Branchenerotik hat Luckabox-Co-Gründerin und CEO Aike Festini ihr ganz eigenes Credo: «Logistik ist nur sexy, wenn man die richtige Technologie hat.»

Wichtigstes Asset von Festini und Luckabox-Mitgründerin Maite Mihm ist ein selbst entwickelter Algorithmus, der in Echtzeit den bestpassenden Spediteur findet. Das im September 2017 gegründete Winterthurer Jungunternehmen funktioniert ähnlich wie ein Dating-Service und wird in der Branche deshalb auch das Tinder des Transports genannt.

Aike Festini kann gut leben damit: «Das hat schon was. Als Matchmaker verkuppeln wir im Frachtgeschäft in Echtzeit Verkäufer und Käufer.»

Der Name: Tür und Paket

Bislang lief das Unternehmen, das aktuell mit über fünfzig Spediteuren zusammenarbeitet und auf rund dreissig Kunden, darunter Jelmoli und Franz Carl Weber, zählen kann, noch weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit. Bei Spezialisten aber konnte sich Luckabox – der Name kommt vom schwedischen Wort «Lucka» für Türe und «Box» für Paket – in kurzer Zeit einen Namen machen.

«Logistik ist nur sexy, wenn man die richtige Technologie hat.»

Aike Festini, Co-Gründerin und CEO Luckabox

Patrick Kessler, Präsident des Verbands Schweizer Versandhändler (VSV), hat die Jungunternehmerinnen auf dem Schirm: «Indem sie die in die Jahre gekommenen Kurierlösungen technologisch ablösen oder ergänzen, erarbeiten sie einen Zugang zu Kuriernetzwerken für jedermann.»

Dieser Tage wurde das Startup, das 15 Leute beschäftigt und weiter aufbaut, mit Frischgeld versorgt. Luckabox ist ein tiefer siebenstelliger Betrag zugekommen.

Bertrand Mueller, Partner bei der Genfer Private-Equity-Firma DAA Capital Partners, welche die aktuelle Luckabox-Finanzierungsrunde leitete, sieht drei attraktive Punkte beim Startup: «Die Firma löst die grössten Friktionen in der Logistikbranche, ohne selber teure Assets zu haben.»

Copycats im Rückspiegel?

Ferner sei das Team mit ehemaligen Cracks von Firmen wie Ebay, UPS und DB Schenker «sehr erfahren und agil» aufgestellt. Und Mueller lobt den Speed von Luckabox: «Die Firma ist sehr schnell beim Abschluss neuer Deals und in der Markteinführung zusätzlicher Partnerschaften.»

Speed kann die Firma brauchen. Denn im Matchmaking-Algorithmus steckt auch eine Gefahr, sagt Logistikspezialist Kessler: «Die Frage ist natürlich, ob und wie leicht der Algorithmus kopierbar ist. Deshalb muss die Jungfirma jetzt schnell expandieren und das Feld besetzen.»

Die Kopiergefahr hat auch Luckabox-Chefin Aike Festini auf dem Frachtzettel: «Das ist das grösste Risiko. Und auch der Grund, weshalb wir jetzt so schnell vorwärtsmachen.» Konkret expandiert Luckabox von der Schweiz nach Deutschland und Österreich.

Ein Trumpf sei, dass man das Angebot sehr schnell hochfahren könne: «Jüngst wurden wir in Utrecht aktiv – in drei Tagen stand unser Dienst.»

Europaweite Ambition

Auch wenn der E-Commerce weiter boomen wird, will Luckabox nicht nur auf diesen Bereich abstellen. Das Jungunternehmen sieht ein weiteres Wachstumsfeld, sagt Festini: «Wir bewegen uns vom E-Commerce vermehrt in die Notfalllogistik hinein.

Also beispielsweise in die Lieferung von Baustoffen und Werkzeugen auf Baustellen.»Zunächst aber hat Luckabox eigene Baustellen zu bewirtschaften: Schnelles Wachstum schaffen, allfällige Copycats ausbremsen, neues Personal finden und einschwören.

Immerhin ist die Firma mit einer Mission unterwegs: «Luckabox soll zum Synonym werden für urbane On-Demand-Lieferung», sagt Festini, «zunächst in der Schweiz, in fünf Jahren in ganz Europa

Wachstums-Champions und andere Durchstarter-Startups

  • Die «Financial Times» hat – zusammen mit der Datenfirma Statista – eine Liste von Europas Wachstums-Turbos erarbeitet. Dabei ging es nicht um hurtige Kleinst-Startups, sondern um Firmen von einer gewissen Grösse: Im Ausgangsjahr 2014 mussten die Kandidaten mindestens 100'000 Euro an Umsatz aufweisen – oder im Schlussjahr der Erhebung, 2017, mindestens 1,5 Millionen Euro. Mehr hier
     
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Andreas Güntert
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