Die Globalisierung macht auch vor Juristen nicht Halt. Vor allem unter Wirtschaftskanzleien hält der Trend an, sich zu international agierenden Konglomeraten zusammenzuschliessen. Die Bedürfnisse der Kundschaft, Spezialisierung und die Internationalisierung werden unter Schweizer Anwaltskanzleien zu weiteren Fusionen auch über die Landesgrenzen hinaus führen.

Die grossen Schweizer Anwaltskanzleien wachsen schnell. Seit Mitte der 90er Jahre um 6 bis 7% pro Jahr. So, wie sich die Bedürfnisse der Klienten verändert haben, wandelt sich der Berufsstand. Spezialisierung und «full service» sind gefragt. Vor allem in der Wirtschaftswelt. Der Kunde will es so, lautet das Argument der Wirtschaftsanwälte, die gemerkt haben: Grösse verkauft sich besser. Es gilt: Big is beautiful auch bei den Anwälten. Die Branche selbst spricht von der so genannt kritischen Grösse, die nötig ist, um an die wichtigen Mandate überhaupt noch heranzukommen. Die internationalen Konzerne wollen beraten sein, rund um den Globus, 24 Stunden lang. Dazu bieten britische und amerikanische Kanzleiunternehmen wie Baker & McKenzie ihre Dienste auch in der Schweiz immer offensiver an.

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Der Trend zu grossen internationalen Kanzleizusammenschlüssen wird anhalten. Zu diesem Befund ist man bei der Kanzlei von Erlach, Klainguti, Stettler und Wille (EKSW) schon vor zwei Jahren gekommen. Im Mai 2000 sorgten die Zürcher für Aufsehen, als sich ihr Büro mit acht Partnern und 20 Anwälten als erste Schweizer Kanzlei mit einer internationalen Grosskanzlei zusammenschloss. Heute ist EKSW Teil von CMS, welcher unter ander-en die Londoner Firma CMS Cameron McKenna und die deutsche Hasche Siegel angehören. Dieser Verbund beschäftigt mittlerweile rund 1800 Anwälte in 24 Ländern. «Damit haben wir einen Vorteil, wenn uns andere folgen werden», sagt Patrick Sommer, zuständig für Marketing bei CMS EKSW. Für den Zürcher Anwalt gibt es verschiedene Gründe, wieso der Trend zu Grosskanzleien sich auch in der Schweiz fortsetzen wird, doch entscheidend sei vor allem einer: «Es entspricht ganz einfach den Bedürfnissen vieler Klienten.»

Hauptstadt der wirtschaftsAnwälte

Der Zürcher Anwaltsverband sieht dies allerdings anders. Zusammenschlüsse haben zwar auf nationaler Ebene stattgefunden, seit unter den Kantonen die Freizügigkeit gilt. Innerhalb der letzten Jahre haben mehrere grosse Fusionen stattgefunden. Zu den grössten interkantonalen Zusammenschlüssen gehören: Lenz & Staehelin sowie Pestalozzi Lachenal Patry oder Schellenberg Wittmer. Sie alle haben ihren Sitz in Zürich, was übrigens für 14 der 15 grössten Schweizer Kanzleien gilt. Hier ist der Banken- und Versicherungsplatz, sitzen die internationalen Konzerne und halten ihre Vertreter ihre Meetings ab. Entsprechend hat sich die Zahl der Anwälte, die in den Zürcher Grosskanzleien beschäftigt sind, seit Mitte der 90er Jahre mehr als verdoppelt. In den grössten Büros arbeiten heute auch in der Schweiz über 100 Juristen. Dennoch will Kurt Zollinger, Sekretär des Zürcher Anwaltsverbandes, einen Trend, über die Landesgrenzen hinaus zu wachsen, nicht ausmachen.

Da ist man bei EKSW anderer Meinung. Auf Effizienz getrimmte Organisationen mit Unternehmensstrukturen und Marketingstrategien werden in den Kanzleien Einzug halten, ist sich Sommer sicher. Ein Indiz dafür sei der Konzentrationsprozess, der vorgängig im Auditing-Bereich stattgefunden hat. Im internationalen Treuhandgeschäft bestimmen heute vier Revisionsgesellschaften, PwC, Ernst&Young, KPMG und Deloitte den Markt.

«Solange der Kunde daran glaubt, werden die Kanzleien wachsen», sagt auch Bruno Pellegrini, Verantwortlicher Kommunikation beim Schweizerischen Anwaltsverband (SAV). Allerdings müsste man sich überlegen, ob Grösse vom Klienten auf Dauer bezahlt werde. Um den «full service» bieten zu können, braucht es Spezialisten, die ausgelastet sein müssen. Dabei nehmen nicht nur die Juristen zahlenmässig zu, es braucht auch mehr Mitarbeiter, womit Managementstrukturen und neue Hierarchiestufen geschaffen werden. Die Kostenstrukturen verändern sich, und es entstehen hohe Fixkosten. «Der Anwalt als Unternehmer wer soll das bezahlen», fragt ein Zürcher Anwalt und schiebt einen Witz über die Grosskanzleien nach: «Jeder Kunde, der mit einem Problem reinkommt, geht mit zweien raus.»

Interessenkonflikte

Je mehr Unternehmensstrukturen in der Juristenbranche Einzug halten, desto stärker geraten regionale Anwaltskanzleien unter Druck. Der unabhängige Jurist und Generalist als Qualitätssiegel ist am Verschwinden. Fachanwälte sind auf dem Vormarsch. Durch ihren Spezialisierungsgrad eignen sie sich bestens dazu, unter dem Dach grosser internationaler Anwaltskonzerne dem länger werdenden Fliessband der Paragraphen zu zuarbeiten.

Das rasche Wachstum birgt allerdings auch Gefahren. Durch die Fusionitis ist das Potenzial an Interessenkonflikten eindeutig gestiegen. «Ein ganz heisses Eisen», sagt der SAV-Vertreter Pellegrini. Eigentlich müssten durch die Zusammenschlüsse der Grossen viele Mandate auf kleinere Kanzleien abfallen, was in der Praxis jedoch nur selten passiert. Dagegen häufen sich die Fälle, wo es zu Interessenkonflikten kommt. So geschehen beim Übernahmekampf um den Sulzer-Konzern im letzten Jahr. Damals liess sich der Industriekonzern in der Abwehrschlacht gegen den Financier René Braginsky von der Anwaltskanzlei Bär & Karrer beraten. Doch dann musste Sulzer schleunigst die Kanzlei wechseln, nachdem sich herausgestellt hatte, dass ausgerechnet im Verwaltungsrat von Braginskys Beteiligungsgesellschaft Incentive Capital ein Anwalt von Bär & Karrer sass.