Grossaufmarsch an der Generalversammlung von Sika in Baar ZG: Zahlreiche Kleinaktionäre sind gekommen, um dabei zu sein, wenn sich die Kontrahenten des Machtkampfes gegenüber stehen. Entscheiden dürfte sich der Streit um Sika indes an diesem Dienstag aber nicht.

Die Züge nach Baar waren gut besetzt. Vom Bahnhof aus fuhren eigens Shuttle-Busse in die Waldmannhalle, wo die Generalversammlung ausnahmsweise stattfindet. In der Mehrzweckhalle finden üblicherweise Sportveranstaltungen statt.

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Viele Fragen

Und genauso könnte man die Stimmung im Vorfeld verstehen: «Ich lese nochmals die Traktandenliste», sagte eine Kleinaktionärin im Zug von Luzern nach Baar. «Werden die Chefs von Saint-Gobain da sein?», fragt eine andere. Die Frauen sind gespannt, in welchen Sprachen an der Generalversammlung gesprochen wird. Es wird Deutsch sein, mit englischer Übersetzung.

«Wenn Frau Burkard noch lebte, wäre das hier nicht», sagte ein Mann im Shuttle-Bus zum Sitznachbar. Das hier, das ist die Generalversammlung, die zwar ordentlich heisst, aber in der Geschichte von Sika eben doch sehr ausserordentlich ist. Denn wie auch immer die Beschlüsse ausfallen: Sie sind Wegbereiter in der Zukunft von Sika, wohl aber nicht Wendepunkte.

Entscheidende Wahlen

Mit Spannung erwartet werden die Entscheide zu den Wahlen im Verwaltungsrat. Darum dreht sich der Machtkampf, denn die Familien-Erben wollen den Verwaltungsrat so besetzen, dass sie ihren geplanten Verkauf durchbringen. Ohne die Macht im Verwaltungsrat bleiben die Pläne blockiert.

Auf der anderen Seite des Machtkampfs stehen der unabhängige Sika-Verwaltungsrat sowie Minderheitsaktionäre. Der Präsident Paul Hälg sowie die bisherigen Mitglieder stellen sich zur Wiederwahl. Allerdings werden Hälg sowie Monika Ribar, Frits van Dijk, Daniel Sauter, Ulrich Suter und Christoph Tobler die Wahl nur annehmen, wenn alle von ihnen wieder gewählt werden. Zudem steht die Annahme der Wahl unter der Voraussetzung, dass Hälg erneut Präsident wird.

Langwieriger juristischer Kampf droht

Der Verwaltungsrat will aber die Stimmrechte der Familie auf 5 Prozent beschränken. Möglich ist dies durch eine Interpretation der Vinkulierungsbestimmungen in den Statuten. Durch die Beschränkung würden die Familien-Erben also nicht mit ihrem 52 Stimmenanteil entscheiden, sondern nur mit 5 Prozent. Noch offen blieb bis zuletzt, bei welchen Traktanden diese Beschränkung angewendet wird.

Doch das letzte Wort ist auch dann noch lange nicht gesprochen. Das Zuger Obergericht wird nämlich nachträglich entscheiden müssen, ob die Stimmrechtsbeschränkung, sofern angewendet, überhaupt rechtens war.

Zudem wollen die Familien-Erben die Entscheide dann nicht hinnehmen. Das haben sie bereits angekündigt. Sie werden alle Beschlüsse anfechten, bei denen ihre Stimmkraft begrenzt war. Weiter werden sie auch Verantwortlichkeitsansprüche gegen aus ihrer Sicht fehlbare Verwaltungsräte geltend machen. Es droht damit ein langwieriger juristischer Kampf.

Vergütungen und Anträge

Weiter wird die Generalversammlung über die Vergütungen entschieden. Die Familien-Erben werden hier wohl ihre Zeichen setzen. Weiter beantragt die Anlagestiftung Ethos die Streichung der Opting-Out-Klausel. Diese Klausel ist für Sika ein heisses Eisen, denn dadurch können die Familien-Erben ihren Anteil exklusiv an Saint-Gobain verkaufen.

Ohne diese Klausel gilt, dass ein Investor, der mehr als ein Drittel der Stimmrechte übernimmt, ein öffentliches Kaufangebot machen muss. Im Sika-Streit haben sich auch prominente Minderheitsaktionäre zu Wort gemeldet. Die Stiftung um Bill Gates etwa verlangt eine Sonderprüfung zu spezifischen Fragen, wie den Informationsfluss während der Verkaufsverhandlungen, und den Einsatz von Sachverständigen.

Burkard spricht unter Buhrufen

Urs Burkard, Sika-Verwaltungsrat und Vertreter der Erben-Familie im Gremium, hat den unabhängigen Verwaltungsrat an der Generalversammlung scharf kritisiert. Er warf ihnen den Versuch einer Enteignung vor und sprach von Bevormundung, wurde dabei aber mehrfach von Aktionären ausgebuht.

Es sei das gute Recht der Familien-Erben, ihren Anteil zu verkaufen. Auch die Opting-Out-Klausel sei seit Jahren Bestandteil der Statuen. Der Verwaltungsrat flüchte sich in die Illegalität, sofern er sich nicht entscheide, die Stimmrechtsbeschränkung aufzuheben. Sofern die Beschränkung gelte, «sind wir darauf vorbereitet», sagte Burkard.

Saint-Gobain sei keine Heuschrecke, sondern ein verlässlicher Partner, versuchte Burkard die Aktionäre zu beruhigen. Die Arbeitsplätze seien sicher. An der Profitabilität der Sika werde sich nichts ändern. Sika bleibe eine Schweizer Firma, sagt er - und bekam als Antwort ebenfalls Buhrufe.

Verwaltungsratspräsident Paul Hälg sagte unmittelbar nach dem Votum, dass der Verwaltungsrat nicht davon absehe, die Stimmrechtsbeschränkung für jene Traktanden, die die Wahlen betreffen, aufzuheben. Urs Burkard appellierte also vergeblich an «deine Vernunft, Paul.»

(sda/ccr)