Elon Musk: Der Milliarden-Influencer

Es ist wieder passiert: Mit einem einzigen Tweet schickte Elon Musk den Bitcoin auf Talfahrt. Innert Stunden vernichtete er ein paar Milliarden an Buchwert. Und diesmal war es nicht einmal eine direkte Aussage des Tesla-Milliardärs selbst, sondern lediglich ein Kommentar zu einem anderen Tweet. Ein Nutzer namens @CryptoWhale hatte am Sonntag getwittert: «Bitcoiners werden sich im nächsten Quartal ohrfeigen, wenn sie herausfinden, dass Tesla den Rest ihrer Bitcoin-Bestände abgestossen hat». Und doppelte nach: «Bei der Menge an Hass, die Elon Musk bekommt, würde ich es ihm nicht verübeln.» Worauf Musk etwa eine Stunde später antwortete: «In der Tat.» Dieses eine Wort genügte, um den Bitcoin in der Nacht auf Montag unter 45'000 Dollar rasseln zu lassen. Der Markt folgerte nämlich aus jenem «Indeed», dass Tesla den Rest seiner Bitcoin-Bestände bereits verkauft haben könnte – oder dass der Konzern zumindest diesen Schritt plant. Inzwischen hat Elon Musk den Spekulationen ein Ende gesetzt und klargestellt, dass Tesla keine Bitcoins verkauft hat. Mit der Episode hat der Einfluss von Elon Musk eine neue Dimension angenommen. Ende Januar schon hatte der zweitreichste Mann der Welt den Preis von Bitcoin um 20 Prozent ansteigen lassen, indem er lediglich #bitcoin zu seiner Twitter-Bio hinzugefügt hatte. Wieder: ein Wort. So etwas gab es noch nie. Gewiss, auch Notenbanker können mit einem Halbsatz sinkende Kurse schlagartig nach oben treiben (Mario Draghi: «Whatever it takes»). Und Regierungschefs können durch einen Tweet die Börsen erschüttern: Donald Trump hat es mehrfach gezeigt. Aber hier ist es jeweils das Amt, das der Aussage die Macht verleiht. Manchmal auch – sehr selten – können einzelne Investmentgurus mit langem Erfolgsausweis leichte Bewegungen an den Finanzmärkten auslösen. Allen voran: Warren Buffett. Doch das «Orakel von Omaha» erlangte seine grosse Ausstrahlung eben auch, weil es seine Prognosen nur sehr zurückhaltend aussandte und seinen Einfluss nie in einem kurzfristigen Interesse zu missbrauchen schien. Keiner käme auf die Idee, Warren Buffett als Kursmanipulator zu bezeichnen. Legal oder illegal? Elon Musk aber spielt in einer anderen Liga: Als Finanz- oder Währungs-Analytiker hat sich der Tesla-Gründer nie hervorgetan. Und kaum jemand findet wohl, dass der 50jährige ein speziell vertrauenserweckender Anlageberater sei. Doch der Techie-Messias ist ein Image-Vorbild für Millionen von Klein- und Alternativanlegern, und in dieser Rolle kann er plötzliche Bewegungen in spekulativen Märken auslösen. Was dort wiederum nervöse Stampeden nach sich ziehen kann. Wie soll man umgehen mit diesem neuen Phänomen? Inzwischen werden Stimmen laut, die dieser Preisbeeinflussung durch einen einzelnen Mann Einhalt gebieten wollen. Das Muster ist immer gleich, egal ob bei Bitcoin oder Dogecoin, der inzwischen eine astronomische Marktkapitalisierung von über 60 Milliarden Dollar erreicht hat. Elon Musk twittert zuerst voller Optimismus über eine Anlage und treibt damit den Preis nach oben. Nach einer gewissen Zeit beginnt sich der Tesla-Chef negativ über den Coin zu äussern: Mit einer fadenscheinigen Argumentation wie etwa beim Bitcoin, bei dem er die Klimabilanz anprangerte (was er schon zu Beginn hätte wissen können). Es gibt zwar keine Beweise, dass der Tesla-Chef mit einer manipulativen Absicht solche Hinweise streut. Aber es ist auch nicht ausgeschlossen, dass er im Interesse seines Unternehmens den Bitcoin «shorten» möchte, also mit fallendem Kurs demnächst wieder Gewinn machen wird. Der CEO von Tesla würde damit jedenfalls dem CFO von Tesla direkt in die Karten spielen.Tesla vergoldet heisse Luft Tesla verdient sein Geld mit Abgaszertifikaten und Kryptodeals: Das wird immer offensichtlicher. Heikel dabei: Diese Geldquellen sind unsicher. Musk hat sich mit seiner Twitterei bereits einmal ein blaues Auge geholt: 2018 schrieb der Tesla-Chef, er habe sich eine Finanzierung gesichert, um die Aktie vom Markt zu nehmen, also wieder zu privatisieren. Der Kurs damals entspräche heute übrigens korrekterweise 84 Dollar. Die Aktie wurde 5 zu 1 gesplittet. Musk hatte die Aktien also zu einem Kurs von 84 Dollar vom Markt nehmen wollte. Der Kurs stieg rasant an, von der Finanzierung hörte man nichts mehr. Musk wurde aber von der amerikanischen Börsenaufsicht SEC bestraft. Es setzte 40 Millionen Dollar Busse, und er wurde aus seinem Amt als Tesla-Präsident gedrängt. Regulierung ist nicht möglich Der kleine, aber feine Unterschied: Führungskräfte müssen sich vielleicht an klare Richtlinien halten, um Insiderhandel zu verhindern. Aber wenn es um Kryptowährungen geht, ist Elon Musk beileibe kein Insider. Er ist ein Aussenseiter wie Du und ich. Die Krypto-Börsen sind zwar reguliert, aber die Währungen selbst nicht. Da sie dezentralisiert sind, werden sie nicht staatlich oder gesetzlich kontrolliert. Wer also könnte Musk für seine Tweets, die Milliarden erzeugen oder vernichten, zur Verantwortung ziehen? Und in welchem Interesse wäre es? Influencen ist nicht strafbar Die Schuld bei einer Person zu suchen ist falsch. Viele Anleger wünschen sich, dass Kryptowährungen noch massentauglicher werden. Elon Musk beschäftigt sich schon lange damit und ist damit glaubwürdig. Aber vor allem hat er 54 Millionen Follower auf Twitter – mehr als selbst Donald Trump jemals hatte. Diese Gemeinde soll den Investoren helfen, dass Krypto mehr Vertrauen und damit mehr Fundament gewinnt. Die Macht von Elon Musk ist inzwischen so gross, dass sogar aus Spass Millionen von Dollars erzeugt oder vernichtet. Seine Tweets über den unbedeutenden Dogecoin, den man für ein paar Rappen kaufen konnte, haben den Scherz-Token zu einer der grössten Kryptowährungen der Welt gemacht; zusammen sind die Dogecoins inzwischen mehr wert als Credit Suisse, UBS oder die Zurich-Gruppe. Wegen Elon Musk. Aber Elon Musk hat hier lediglich als Krypto-Influencer gedient. Denn letztlich hat der Markt seinen kryptischen Worte einfach irgendeinen Sinn gegeben. Doch die Weltall-Visionen und der Auto-Erfolg von Elon Musk alleine reichen noch nicht zur Erklärung, dass ihm Millionen von Anlegern quasi blind und indirekt ihr Vermögen anvertrauen. Elon Musk: Ist der Tesla-Chef genial oder verrückt? Der Tesla-Chef wirbelt die Mobilitätsbranche durcheinander. Liefert er? Oder ist vieles nur heisse Luft? Antworten im Podcast. Um Elon Musk besser zu verstehen, mag man sich seinen jüngsten öffentlichen Auftritt anschauen. Die Eröffnungsrede der «Saturday Night Live»-Show am 8. Mai 2021, auch das eine Spass-Sendung. Dort hat Musk das ausgesprochen, was viele schon vermutet haben: Er hat ein «Asperger Syndrom». Wie Umweltaktivistin Greta Thunberg auch. Damit hat Musk vor allem etwas bewirkt: Er hat der Welt gezeigt, dass autistische Menschen zu den erfolgreichsten und visionärsten der Welt gehören können. Mit seinem Charme und seiner entwaffnenden Ehrlichkeit hat Musk dem Millionenpublikum eröffnet: «Mein Hirn funktioniert anders. Oder habt ihr wirklich gedacht, ich sei ein normaler Typ?» Dass ein CEO eines Milliardenunternehmen und zweitreichster Mensch der Welt so etwas offenbart, zeigt das wahre Kapital von Elon Musk: Sein fast unvergleichliches Charisma und seine Persönlichkeit. Deshalb folgen ihm seine Fans in erster Linie auf Twitter und nicht ausschliesslich für Investitionstipps in Kryptowährungen. Dass durch die Person Elon Musk aber viel Geld verdient oder vernichtet werden kann, trägt zur Faszination für das Phänomen Elon Musk bei. Das wiederum nährt seine Macht bei Anlegern.