Die Idee der dritten Kraft stammt von Karl Schweri: Der Denner-Gründer hatte die Vision, neben Migros und Coop einen starken dritten Marketplayer aufzubauen, und verhandelte mehrmals mit dem damaligen Konkurrenten Beat Curti, der die Usego und Pick Pay beherrschte. Doch die Vision wurde nie Realität. Zwar übernahm im November 2005 Schweris Enkel Philippe Gaydoul Pick Pay doch noch von Rewe. Denner war trotz dieser Akquisition weit davon entfernt, eine dritte Kraft zu bilden.

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Dieses Image von der dritten Kraft, das sich gegenüber den Konsumenten PR-wirksam verkaufen liess, könnte sich bei der laufenden Prüfung der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko), welche die Übernahme von Denner durch die Migros unter die Lupe nimmt, als Bumerang erweisen. Im Zentrum der Weko-Untersuchung steht die Frage, ob mit dem Denner-Kauf möglicherweise keine dritte Kraft mehr neben Migros und Coop bestehe und ob durch den Zusammenschluss die Markt-eintrittsschranken für neue Konkurrenten im Schweizer Detailhandel verstärkt werden.

Denner lebt von Alkohol und Tabak

Die Analyse zeigt, dass Denner aufgrund der Grösse im Alleingang nie in der Lage ist, zu den Branchenleadern aufzuholen. Mit einem Umsatz von 2,6 Mrd Fr. folgt Denner weit abgeschlagen hinter Migros und Coop, die es 2006 auf Verkäufe im Umfang von 20,64 Mrd Fr. und 15,6 Mrd Fr. brachten.

Weit wichtiger ist die Tatsache, dass Denner fast die Hälfte des Umsatzes mit Alkohol und Tabak erwirtschaftet. Für die Antwort auf die Frage, ob ohne Denner keine dritte Kraft mehr vorhanden sei, ist somit nur der Umsatzanteil nach Abzug der Suchtmittelverkäufe relevant. Ohne Alkohol und Tabak ist Denner eher ein Nischenplayer als ein mächtiger Wettbewerber. Insbesondere im Falle der Migros, aber auch bei der Coop-Gruppe unterscheiden sich die Sortimente stark von jenem von Denner. Daraus lässt sich ableiten, dass die Überschneidung bei Lieferanten nicht gross sein kann, zumal Migros und in geringerem Umfang Coop stärker als Denner auf Eigenmarken setzen.

Aldi und Lidl lösen Preiskampf aus

Da Volg oder die Schweiztochter von Carrefour ebenso wie Denner im Vergleich zu Migros und Coop viel zu klein sind, um den beiden Riesen ernsthaft die Stirn zu bieten, kann eine echte dritte Kraft im Schweizer Detailhandel nur aus dem Ausland kommen, und diese Entwicklung findet seit dem Markteintritt von Aldi mit hoher Dynamik statt. Nur schon die Ankündigung, dass die europäischen Marktführer Aldi und Lidl den Schweizer Markt erobern wollen, hatte in den letzten zwei Jahren dafür gesorgt, dass Migros und Coop mehrfach die Preise auf zahlreichen Artikeln senkten und eigene Tiefpreis-Linien wie M-Budget oder Prix Garantie entweder forcierten oder neu einführten.

Mit dem Markteintritt von Aldi hat sich der Preiswettbewerb verschärft. Noch mehr angeheizt wird dieser mit dem Start von Lidl. Denner hatte dies nicht geschafft, Carrefour auch nicht und schon gar nicht Volg. Die Eröffnung der ersten 33 Filialen durch Aldi und das sich in der Zwischenzeit bereits in der Bauphase befindende Lidl-Netz haben im Schweizer Detailhandel ein Erdbeben ausgelöst, dessen Auswirkungen den Lebensmittelhandel in den nächsten Jahren substanziell verändern.

Kaum alternative Käufer

Selbst wenn die Weko – um politisch das Gesicht zu wahren – entscheidet, die Übernahme von Denner durch Migros nur unter Auflagen zu bewilligen, würde dies an den effektiven Marktverhältnissen nur wenig ändern. Eine Illusion wäre es zu glauben, dass Aldi und Lidl Denner aufkaufen würden, wenn die Weko den Zusammenschluss von Denner und Migros verbieten würde.

Recherchen belegen, dass die beiden deutschen Riesen ihre internationale Expansion kaum je mittels Akquisitionen vorantrieben, sondern vielmehr im Alleingang ein dichtes Filialnetz mit jeweils mehreren tausend Filialen aufzogen. Ermöglicht wird dies beiden Unternehmen durch ihre im europäischen Detailhandel wohl einzigartige Finanzkraft, die sich aus weit überdurchschnittlichen Erträgen und einem enormen Liquiditätsüberschuss speist. Markteinschätzungen zufolge ist es beiden Unternehmen möglich, pro Jahr zwischen 2,5 und 4 Mrd Fr. in die organische Expansion ihrer Ladennetze zu investieren. Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass beide Giganten weder in Expansiongeschwindigkeit noch Standortqualität grosse Kompromisse eingehen und überall in Europa absolute Spitzenpreise für geeignete Einzelhandelsimmobilien zahlen. Auch sind die Konzepte von Aldi und Lidl in den wesentlichen Aspekten wie Lage, Grösse und Sortiment im Vergleich zum historisch gewachsenen Denner höchst verschieden. Eine Integration von Denner erwiese sich als schwierig, wenn nicht als unmöglich.

Nestlé braucht keinen Schutz

Keine dritte Kraft ist Denner auch gegenüber den Lieferanten, schon gar nicht im Bereich der Frischprodukte. Unabhängig vom Weko-Entscheid wird sich die Einkaufsmacht der grossen in- und ausländischen Detailhändler verstärken. Um das Image zu fördern, bezieht Aldi zwar einen Teil der Frischprodukte bei Schweizer Lieferanten. Sobald aber die Öffnung des Schweizer Agrarmarktes im Jahr 2011 erfolgt, wird Aldi ebenso wie Lidl einen Grossteil der Frischprodukte auf den internationalen Märkten und kaum in der Schweiz beziehen. Rücksicht auf Schweizer Bauern oder Lebensmittelproduzenten wird spätestens dann bei den meisten Detailhändlern ein Fremdwort. Keinen Schutz durch die Weko benötigen hingegen die international tätigen Markenartikelkonzerne wie Nestlé, Coca-Cola oder Procter&Gamble.