Berner Tafel», steht auf dem weissen Kühlwagen, in den zwei freiwillige Helfer Nahrungsmittel einladen Die Schweizer Tafeln mit dem ersten Stützpunkt in Bern sind ein Projekt der Stiftung «Hoffnung für Menschen in Not», die Yvonne Kurzmeyer vor zwei Jahren gegründet hat.

Die Inspiration dazu kam aus New York, wo die karitative Organisation «City Harvest» seit zwanzig Jahren in Restaurants, Betriebskantinen, Shoppingcenter und Gemüsemärkten überschüssige Nahrungsmittel sammelt und damit Tag für Tag Zehntausende Bedürftige speist. Um sich zu informieren, besuchte Yvonne Kurzmeier mit Geschäftsführer Urs Grossenbacher die 1993 gegründete «Berliner Tafel», aus der inzwischen 300 Tafeln in ganz Deutschland entstanden sind.

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«Brücken bauen zwischen Überfluss und Mangel», heisst für Yvonne Kurzmeier der Leitsatz. Die Bankiersgattin ohne finanzielle Sorgen ging mit dem guten Beispiel voran und spendete der Stiftung 600 000 Franken eigenes Geld. Dank guten Kontakten zur Wirtschaft konnte sie die Berater von McKinsey motivieren, ein für die Schweiz zugeschnittenes «Handbuch zum Betrieb einer Tafel» zu entwickeln, das auf einem vom selben Unternehmen erarbeiteten Leitfaden für die deutschen Tafeln basiert.

Die Berner Tafel kann gegenwärtig auf ein gutes Dutzend ständige Lebensmittelspender im Grossraum Bern und Murten zählen, ausser Migros sind es Bäckereien, ein Metzger, ein Biobauer und die Firma Wander. Auch die Migros Aare mit 140 Filialen in Bern, Aargau und Solothurn gehört zu den Donatoren der ersten Stunde. «Als Unternehmen mit sozialer Tradition interessierten wir uns für das Konzept und sahen sofort, dass das Projekt mit Herz und Professionalität umgesetzt wird», erklärt Pressesprecherin Andrea Müller, «unsere Mitarbeiter sind begeistert und sehen den Sinn, obwohl die überschüssigen Nahrungsmittel, welche die Migros den Mitarbeitern zu reduzierten Preisen abgibt, jetzt zum Teil an die Tafeln gehen.» Konkurrentin Coop zögerte anfangs, Nahrungsmittel zu spenden, will jetzt aber ebenfalls welche liefern, genauso wie der französische Grossverteiler Carrefour, der in der Schweiz zurzeit heftig expandiert.

Über ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze, darunter sind zunehmend «Working Poor», die zwar Arbeit haben, deren Einkommen jedoch für die einfachen Lebensbedürfnisse kaum ausreicht. Auf der andern Seite gehen viele einwandfreie Nahrungsmittel in Landwirtschaft, Produktion, Grosshandel, Einzelhandel und Gastronomie verloren. Pro Jahr liegt der Verlust pro Einwohner, gemäss der Dokumentation der Stiftung Hoffnung für Menschen in Not, bei 14 bis 36 kg. Rund 10% dieser Menge sind, wie Erfahrungswerte zeigen, für die Sammlung der Tafeln geeignet. In der Schweiz sind das jährlich 10000 bis 25000 t einwandfreie Nahrungsmittel vom Salat über abgepackte Spaghetti kurz vor dem Verfalldatum bis zur beschädigten Ovo-Büchse.

Die von der Berner Tafel eingesammelten Nahrungsmittel stammen derzeit von 49 Abnehmern in Bern, Thun, Freiburg, Murten, Biel und Solothurn. Die Nutzniesser der Tafel,Häuser für Drogenabhängige, Durchgangsheime für Asylbewerber oder Küchen der Heilsarmee, erhalten pro Woche insgesamt 3000 bis 4000 Mahlzeiten. «Esswaren gibt es genug, wir müssen aber das Geld aufbringen, um die Nahrungsmittel einzusammeln und zu verteilen», umreisst Schweizer Tafeln Geschäftsführer Urs Grossenbacher die Probleme. Für den Betrieb jeder Tafel sind pro Jahr rund 150 000 Franken für Organisation und Logistik nötig. Deshalb rief Yvonne Kurzmeyer so genannte Logen ins Leben, bei denen begüterte Frauen jährlich 5000 Fr. für das Projekt beisteuern können.

Zwei Dutzend Firmen Als sponsoren

«Vor zwei Jahren lancierten wir die Mitarbeiteraktion , bei der alle 150 Mitarbeiter in kleinen Teams einen Arbeitstag in einer selbst gewählten sozialen Einrichtung mithalfen», erklärt Thomas Gulich, Leiter der Credit Suisse Leasing, «als Yvonne Kurzmeyer mit dem Vorhaben der Schweizer Tafeln an uns gelangte, passte das Projekt ins Konzept.» Seither übernimmt CS Leasing alle Kosten inklusive Versicherungen und Benzin für zwei Transportwagen der Schweizer Tafel. Und Toyota überlässt der CS Leasing die Autos zu einem reduzierten Preis.

Die Liste der Finanz-, Dienstleistungs- und Nahrungsmittelspender umfasst bis anhin zwei Dutzend Firmen, darunter auch Roland Murten AG. Fredi Hinder, Leiter Verkauf Innendienst des Nahrungsmittel-Produzenten: «Die Idee der Schweizer Tafeln kam aus der Region Murten, wo unsere Fabrik arbeitet. So war es für uns selbstverständlich, mitzuhelfen.» Roland produziert unter anderem Knäckebrot und Salzgebäck und hat seit jeher überschüssige, aber noch einwandfreie Produkte gratis an Schulklassen und Vereine abgegeben. «Was wir tun, sollte für alle selbstverständlich sein. Es ist ein Wahnsinn, wie viele unverdorbene Nahrungsmittel in der Schweiz noch immer weggeworfen werden.»

Ziel der Stiftung Hoffnung für Menschen in Not ist es deshalb, in den kommenden fünf Jahren in jeder grösseren Schweizer Stadt mit einer Tafel vertreten zu sein. Im Dezember wird Zürich als nächste Stadt eine Tafel bekommen.