Die Fifa und ihre Milliarden-Anlagen: Finanzchef Thomas Peyer wehrt sich gegen Kritik

Schweizer Gemeinden finanzieren sich über die Fifa. Nun regt sich Widerstand. Überrascht? Thomas Peyer: Wir gewähren seit 2018 Kredite an Schweizer Kommunen. Das ist also nichts Neues. Ich bedaure diese Kritik, da die Fifa ihre Anlagen auf diese Weise auch in ihrem Sitzland investiert. Weshalb gibts gerade jetzt Kritik, immerhin haben das in der Negativzinsphase auch viele Schweizer Firmen gemacht? Einerseits kann man einem politischen Anliegen immer viel Aufmerksamkeit sichern, wenn man es mit der Fifa verknüpft, anderseits haben wir vielleicht zu wenig gut kommuniziert, dass sich bei der Fifa tatsächlich vieles zum Guten verändert hat. Der Stadt Bern haben Sie über die Jahre regelmässig kurzfristige Darlehen vorgeschossen. Dabei hat die Gemeinde wegen der Negativzinsen daran Millionen verdient. Das ist richtig – und eine Folge der Negativzinsen, welche wir in der Schweiz in den letzten Jahren gesehen haben. Weshalb vergeben Sie überhaupt Kredite an Schweizer Gemeinden? Wir verdienen unser Geld mit der Weltmeisterschaft der Männer, die alle vier Jahre stattfindet. Das heisst, im WM-Jahr erwirtschaften wir unsere Einnahmen, und in den übrigen Jahren unterstützen wir den globalen Fussball, wie in unseren Statuten definiert, mit diesem Überschuss. Und das ist auch der Grund, weshalb wir eine Zeit lang sehr hohe Reserven haben, die es anzulegen gilt. Seit 2016 werden diese Aufwendungen strikt kontrolliert und transparent in den Fussball investiert. An der WM in Katar haben Sie 7,5 Milliarden eingenommen, wie es heisst. Der Finanzzyklus 2019 bis 2022 ist mit der WM in Katar zu Ende gegangen, und wir erwarten Umsätze von 7,5 Milliarden Dollar. Das sind Einnahmen, welche die Fifa durch den Verkauf von Fernseh-, Lizenz-, Sponsoring- und Hospitality-Rechten sowie mit dem Verkauf der Match-Tickets einnimmt. Das ist übrigens Geld, das unter strengen internen Richtlinien und immer über unsere Schweizer Bankkonten fliesst. Sprich: Das sind alles bestens dokumentierte und kontrollierte Geldflüsse. Aktuell haben wir bei der Fifa ein Investitionsvolumen von knapp 5 Milliarden. Das heisst, Sie können 5 Milliarden anlegen? Einen Grossteil davon. Wir halten uns da strikt an unsere Assetmanagementregulatorien mit klaren Vorgaben: Das Kapital muss sicher, diversifiziert und nachhaltig angelegt werden. Wir legen unsere Gelder nach verschiedenen Kriterien und in verschiedenen Anlagekategorien an. Ein Teil davon, ausschliesslich kurzfristige Anlagen, gingen auch an Schweizer Gemeinden. Gemäss Fifa-Finanzberichten betrug das Volumen in der Vergangenheit 2 bis 3 Milliarden. Sie nehmen Bezug auf unsere Finanzanlagen, welche wir in unserem Geschäftsbericht ausweisen. In den letzten Jahren sind diese kontinuierlich gestiegen. Zum einen fliessen diese Fussballgelder heute kontrolliert und nicht mehr hauptsächlich im WM-Jahr. Zum anderen haben wir seit 2016 den Umsatz jedes Jahr übertroffen und gehen sehr haushälterisch mit den Kosten um. Wie legt die Fifa ihre Milliarden an? Ähnlich wie eine Pensionskasse, auch wir sind ein professioneller Anleger. Wir haben zwei Portfolios: ein strategisches, das eher mittelfristig orientiert ist und als Rücklage dient. Und ein operationelles Portfolio, welches wir im Money Market mit einer Laufzeit von bis zu zwölf Monaten führen. Alle diese Portfolios sind klar definiert und unterliegen unseren Assetmanagementregulatorien. Wir arbeiten beim Anlegen unserer Mittel mit qualifizierten Vermögensverwaltern zusammen. Das sind alles hoch professionelle und regulierte Organisationen. UBS? Wir nennen keine Namen, bestätigen kann ich nur, dass unsere Hausbank eine solide Schweizer Bank ist. Unser Anlageausschuss mit CFO, Treasurer und Leiter Strategische Planung überprüft anhand von Benchmarks laufend, wie gut die Vermögensverwalter arbeiten. Hier werden wir durch einen externen Investment-Controller zusätzlich unterstützt und beraten. Die Gemeinden refinanzieren sich über Loanboox und andere Plattformen wie Cosmofunding der Bank Vontobel. Unsere Vermögensverwalter halten auch über solche Kreditplattformen nach Anlagemöglichkeiten Ausschau. Die Stadt Bern platziert da ihre Fremdkapitalbedürfnisse? Das sind gut strukturierte Prozesse, die Verträge sind von vornherein klar definiert und es findet immer eine Preisfindung über die Plattform statt. Die potenziellen Kreditnehmer können ihren Bedarf platzieren, die Anleger können ihre Angebote stellen, und so kommen dann vielleicht vier Angebote, aus denen der Kreditnehmer jenes auswählt, das ihm entspricht. Das ist ein kompetitives und transparentes Verfahren. Wie vielen Gemeinden und Kantonen haben Sie Geld geliehen? Es dürften ein Dutzend Gemeinden plus der Kanton Zürich sein. Diese Zahl schwankt immer wieder mal, im Moment sind es etwas mehr als ein Dutzend. Die Fifa ist ein risikobewusster Investor, und Gemeinden sind gute Gegenparteien mit Topratings wie AA+ und zum Teil sogar besser. Aus Risikoüberlegungen ist das für uns sehr attraktiv. Aktuell haben wir mit rund 15 Gegenparteien solche Kreditgeschäfte, die alle im 2023 auslaufen werden. Abschreiber? Hatten wir nie. Wieso legt die Fifa ihre Milliarden nicht in dividendenstarke Blue Chips – Nestlé, Zurich, Swisscom? Unser Equities-Portfolio ist sehr klein, etwa 2 Prozent, weil wir konservativ anlegen. Schliesslich verwalten wir diese Gelder im Sinne der Statuten und wollen das Geld in den globalen Fussball zugunsten unserer Mitgliedsländer investieren. Blue Chips sind auf längere Frist eine sichere Wette. Klar wäre eine höhere Aktienquote über eine lange Frist ziemlich sicher die bessere Anlage. Aber wir haben einen relativ kurzen Anlagehorizont. Wenn ein Fussballturnier unerwartet verschoben werden muss, brauchen wir unter Umständen kurzfristig Hunderte Millionen. Aktien sind in einem solchen Umfeld nicht die richtige Anlagekategorie, weil wir dann unter Umständen diese Aktien zur Unzeit verkaufen müssten. Dafür entgeht Ihnen Rendite. Vielleicht ist das so, aber das wäre mit unserem eher kurzfristigen Anlagehorizont spekulativ. Wir spekulieren nicht. Der Berner Finanzvorstand, SP-Mann Michael Aebersold, hat die Kreditgeschäfte mit der Fifa damit verteidigt, der Verband sei «bisher» nicht wegen Korruption verurteilt worden. Die Fifa wurde nie wegen Korruption angeklagt, geschweige denn verurteilt. Die Korruption wurde von einzelnen Personen ausserhalb der Fifa begangen, und diese Personen wurden verurteilt und bestraft. Was viele vergessen: Die Fifa war in den US- und Schweizer Verfahren eine geschädigte Partei. Ich möchte auch festhalten, dass das Departement of Justice (DoJ) aus den Verfahren in den USA und Lateinamerika insgesamt 201 Millionen Dollar an die Fifa zurückfliessen lässt. Die US-Justiz hat die Bedingung gestellt, dass diese Gelder über die Fifa Foundation zurückfliessen und administriert werden müssen und dass die Fifa-Standards in Bezug auf Governance, Compliance und Integrität angewendet werden. Und wer kriegt die 201 Millionen Dollar? Begünstigte sind die Fifa als Weltverband sowie die Fussballverbände von Latein-, Nord- und Mittelamerika. Selbstverständlich werden bei der Verteilung dieser 201 Millionen höchste Revisions- und Compliance-Vorschriften eingehalten. Dass diese Gelder über die Fifa abgewickelt werden, sehe ich als klares Vertrauensvotum des DoJ in unsere gute Governance. Übrigens, die US-Justiz hat das Recht, jederzeit einen Revisionsbericht zu verlangen. Das Kreditgeschäft mit Schweizer Gemeinden steht unter Druck: politisch, aber auch weil die Zinsen nicht mehr im Negativen sind. Die Kreditnehmer müssen aufgrund ihrer Situation selbst entscheiden. Für uns ist dieses Geschäft mit recht viel Aufwand verbunden, unter dem Strich haben wir auch vergleichbare Alternativen. Das heisst, Sie wollen aussteigen? Wie gesagt, wir haben andere Anlagemöglichkeiten, deshalb überprüfen wir dieses Kreditgeschäft an Schweizer Gemeinden. Sie wollen in der Schweiz aussteigen? Das ist eine Option. Könnten Sie auch in andere Länder ausweichen? Das wäre theoretisch möglich, allerdings wäre es mit einem Zusatzaufwand verbunden. Einen Anlagenotstand haben wir nicht. Wir erhalten reichlich Anlagevorschläge auf den Tisch. Offenbar werden wir in globalen Finanzkreisen geschätzt.Von 82 auf 546 Millionen Dollar Die Fifa ist eine gigantische Umverteilungsmaschine. Milliarden, die aus den Weltmeisterschaften als Einnahmen fliessen, werden den Mitgliederverbänden in aller Welt für die Entwicklung des Fussballs weitergegeben. Etwa zur Förderung von Jugend- und Frauenfussball, für Stadionbauten, zur Behebung von Corona-Schäden, für Ausrüstung. In der Ära Sepp Blatter erhielten die Verbände im Rahmen dieses Forward-Programms insgesamt 82 Millionen Dollar im Jahr, in den letzten Jahren schwollen die Beträge sukzessive an, auf 546 Millionen im Jahr 2023. Für den Finanzzyklus 2023 bis 2026 werden im Rahmen von Forward 3.0 total 2,183 Milliarden investiert. Fifa-Finanzchef Thomas Peyer: «Wir haben die Fussballförderung überproportional steigern können.» Gleichzeitig wurden Monitoring und Controlling des Forward-Programms verbessert. Heute überprüfen externe Revisionsfirmen, dass die Gelder sinnvoll und effizient eingesetzt werden.

Die Fifa und ihre Milliarden-Anlagen: Finanzchef Thomas Peyer wehrt sich gegen Kritik

«Wir überprüfen das Kreditgeschäft mit Schweizer Gemeinden»

Schweizer Gemeinden finanzieren sich über die Fifa. Nun regt sich Widerstand. Überrascht?

Weshalb gibts gerade jetzt Kritik, immerhin haben das in der Negativzinsphase auch viele Schweizer Firmen gemacht?