Gezerre um die Überreste von Air Berlin: Der irische Billigflieger Ryanair will die Aufteilung der Start- und Landerechte der zweitgrössten deutschen Fluggesellschaft unter den Rivalen Lufthansa und Easyjet nicht einfach hinnehmen. Vorstandschef Michael O'Leary legte Beschwerde bei der EU-Kommission ein. «Das ist ein völlig abgekartetes Spiel», sagte er am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Ryanair habe kaum eine Chance, sich attraktive Start- und Landerechte (Slots) aus der Konkursmasse zu sichern.

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Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann sagte der Wochenzeitung «Die Zeit», die Gespräche mit möglichen Partnern seien «sehr weit gediehen». Er glaube, einen Grossteil der 8500 Arbeitsplätze sichern zu können. «Das kriegen wir hin.»

Karten werden neu gemischt

Die Gespräche mit der Lufthansa und - Insidern zufolge - mit Easyjet liefen bereits Monate, als Air Berlin am Dienstag einen Insolvenzantrag stellen musste. Dabei geht es vor allem um die Start- und Landerechte. «Die Slots sind das einzig Werthaltige. Die Ideallösung wäre, das so zu filetieren, dass nichts übrig bleibt», sagte ein mit den Überlegungen Vertrauter. «Lufthansa und Easyjet ergänzen sich dabei gut.» In der Insolvenz werden aber die Karten neu gemischt. Denn nun geht es darum, für die Gläubiger das Maximale herauszuholen und die Slots meistbietend zu verwerten.

Ryanair-Chef O'Leary glaubt aber nicht an eine faire Chance. Dazu werde der Verkauf zu schnell über die Bühne gehen. Ryanair habe Schwierigkeiten, attraktive Landerechte an Drehkreuzen wie Frankfurt, München und Berlin zu bekommen. «Es geht nur darum, Ryanair daran zu hindern, in Deutschland weiter zu wachsen, aber das wird uns nicht aufhalten.»

Mit einer Übernahme der Nummer zwei unter den deutschen Fluggesellschaften könne die Lufthansa nach O'Learys Berechnungen ihren Marktanteil bei Inlandsflügen auf 95 von 68 Prozent ausbauen, insgesamt käme sie damit in Deutschland auf 60 statt wie bisher 47 Prozent. Air Berlin fliegt vor allem von den Flughäfen Berlin und Düsseldorf ab.

«Vorwürfe sind abwegig»

Die Bundesregierung wies die Kritik an der Hilfe für Air Berlin zurück. «Die Vorwürfe von Ryanair, es handele sich um einen inszenierten Insolvenzantrag, sind abwegig», sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die Ankündigung von Grossaktionär Etihad, die finanziellen Zusagen nicht einzuhalten, sei völlig überraschend gekommen.

Damit Air Berlin - anders als die meisten insolventen Fluglinien - den Betrieb für zunächst drei Monate aufrechterhalten kann, hat die Bundesregierung ihr eine 150 Millionen Euro schwere Finanzspritze gewährt. «Wir gehen davon aus, dass sie beihilferechtlich konform ist», sagte die Sprecherin. Die EU-Kommission erklärte am Mittwoch, sie sei «in konstruktiven Kontakten» mit der Bundesregierung. «Wir sind zuversichtlich, Lösungen im Rahmen des EU-Rechts zu finden.»

Der Steuerzahler soll nicht bluten

Wenn der Bund nicht eingesprungen wäre, hätte Air Berlin direkt nach dem Insolvenzantrag den Betrieb einstellen müssen. Damit hätten Zehntausende Urlauber keinen Rückflug mehr gehabt. Der Überbrückungskredit wird aus den Erlösen, die der Verkauf der Slots bringen soll, vorrangig zurückgezahlt. «Wir können mit grosser, grosser Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Steuerzahler das nicht bezahlen muss», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, Michael Fuchs, widersprach: «Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen», sagte er dem «Handelsblatt». Doch sei es richtig gewesen, die deutschen Urlauber nicht von heute auf morgen an den Flughäfen festsitzen zu lassen.

Etihad schaut bei Niki wohl in die Röhre

Die Zeit für eine Auffanglösung für Air Berlin drängt. Denn das Geld vom Staat reicht nur dann für drei Monate, wenn die Buchungen nicht einbrechen. «Wenn die Passagiere nicht bei der Stange bleiben, kann es sein, dass man früher den Gürtel enger schnallen muss», sagte ein Insider zu Reuters. Am Dienstag seien die Buchungen zurückgegangen, aber nicht dramatisch. Die Löhne der 7200 Air-Berlin-Mitarbeiter in Deutschland werden bis Ende Oktober von der Arbeitsagentur bezahlt. Bis dahin muss ihre Zukunft wenigstens ansatzweise klar sein. «Die Zukunftsfrage von Air Berlin wird nun zügig gelöst», sagte Winkelmann. «Wer Teile haben will, muss jetzt bieten.»

Gute Chancen, bei der Lufthansa oder Easyjet unterzukommen, haben wohl nur Piloten und Stewardessen, aber zu den Konditionen der Billigtochter Eurowings. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo machte die Pleite von Air Berlin dafür verantwortlich, dass die Schlichtung im Tarifkonflikt bei Eurowings gescheitert sei. Dadurch komme Lufthansa billig an Flugzeuge und Personal.

Der Reisekonzern Thomas Cook erklärte, er und seine Ferienflug-Tochter Condor stünden ebenfalls für eine «aktive Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin bereit». Air Berlin und die österreichische Tochter Niki befördern bereit Gäste von Thomas Cook in den Urlaub. Die TUI-Tochter TUIfly fliegt sogar für Niki und hat ebenfalls Passagiere auf Air Berlin gebucht. Der arabische Grossaktionär Etihad hatte für die Übernahme der Niki-Anteile zwar bereits 300 Millionen Euro an Air Berlin gezahlt, muss diese aber wohl abschreiben. Nach dem Insolvenzrecht gehört Niki immer noch Air Berlin.

Keine Hektik in der Schweiz

Bei Schweizer Reiseveranstaltern hat die Insolvenz von Air Berlin wenig Hektik ausgelöst. «Der Flugbetrieb ist nicht betroffen. Das wurde so kommuniziert und das Versprechen wurde gehalten. Alle Gäste, die Tickets gebucht haben, konnten bisher fliegen», sagte TUI Suisse-Sprecherin Bianca Schmidt auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.

Ins selbe Horn stiess Hotelplan-Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir: Es hätten sich noch keine besorgten Kunden gemeldet. Kunden mit einer Pauschalreise könnten sowieso beruhigt sein. Denn wenn Air Berlin nicht mehr fliegen würde, müssten die Reiseveranstalter einen Ersatz suchen.

Marcel Schlatter von Kuoni Reisen sagte: «Kurzfristig ändert nichts. Die Flüge werden alle durchgeführt. Alles andere ist völlig offen.» Die Kunden könnten noch Flüge mit Air Berlin bis Ende April buchen.

Der Insolvenzantrag von Air Berlin hat auch keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Flughafen Zürich, wo die Deutschen mittlerweile nur noch die drittgrösste Airline sind, wie Flughafen-Sprecherin Sonja Zöchling sagte. Air Berlin fliege gemäss Flugplan.

(reuters/ccr)

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