Für das Thuner Solarunternehmen Meyer Burger geht die Sonne definitiv unter. Das Unternehmen befindet sich in Nachlassstundung. In der Schweiz wurde den verbliebenen 45 Mitarbeitenden gekündigt, in Deutschland den 600 Mitarbeitenden. Die 300 Angestellten in den USA wurden schon im Mai entlassen. Die Aktien werden an der Schweizer Börse dekotiert.
Das Ende kommt nicht ganz überraschend. Dennoch türmen sich die Fragen. Was ist falsch gelaufen? Hat man mit der Abwicklung zu lange zugewartet? Wer trägt Verantwortung?
Explosives Wachstum in den 2000ern
Meyer Burger wird 1953 von Hans Meyer und Willy Burger in Hünibach BE gegründet. Zunächst baut sie Maschinen für die Uhrenproduktion. Als diese nicht mehr gefragt sind, werden Trennschleifmaschinen zum Kerngeschäft. Das führte zu Berührungspunkten mit der Solarindustrie und ab 1983 zum Einstieg ins Photovoltaik-Business.
Der langjährige CEO Peter Pauli erlebte mit Meyer Burger Höhenflüge – und einen jähen Absturz.
Mit Beginn des Solarbooms in den 2000er-Jahren kommt es zum explosiven Wachstum. Unter der Ägide von Peter Pauli (63), CEO von 2002 bis 2016, kann Meyer Burger deutlich expandieren und in mehrere ausländische Märkte eintreten. 2006 geht Meyer Burger erfolgreich an die Börse. Der Umsatz steigt von 82 Millionen Franken im Jahr 2006 auf 1,315 Milliarden Franken im Jahr 2011. Hierzu tragen die Übernahmen des deutschen Maschinenherstellers Roth & Rau sowie der 3S Swiss Solar in Lyss BE bei, die Pauli verantwortet.
Doch danach verschlechtert sich die Lage rapide. 2013 beträgt der Umsatz noch 202 Millionen Franken. China, zuvor von Meyer Burger mit Solarmodulmaschinen versorgt, kopiert die Technologie und setzt verstärkt auf eigene Produktion. Die deutsche Photovoltaikindustrie, in die Meyer Burger stark investiert, bricht zusammen – weil die deutsche Regierung die Photovoltaik-Einspeisetarife drastisch senkt. Es kommt erstmals zu Entlassungen.
Trotzdem bleiben die Verluste hoch. Pauli versichert stets, das Geschäft komme wieder, argumentiert noch im Frühjahr 2016, eine Rückkehr zu 1,3 Milliarden Franken Umsatz sei möglich. Doch Ende 2016 wird er abgesägt.
Hans Brändle machte vor allem wegen seines Kampfs mit Grossinvestor Piotr Kondraschew Schlagzeilen.
Sein Nachfolger Hans Brändle (64) soll das Unternehmen in eine «neue Phase» führen. Nach anfänglichen Wachstumserfolgen – auch beim Börsenkurs – kommt aber auch er nicht zurück in die schwarzen Zahlen. In Erinnerung bleibt vor allem die gehässige Auseinandersetzung mit dem Grossaktionär Sentis Capital unter Führung des russischen Investors Piotr Kondraschew (76), die Brändle zermürbt.
Transformation ohne Erfolg
So kommt es erneut zum Managementwechsel. Gunter Erfurt (51) übernimmt im April 2020 und transformiert Meyer Burger vom reinen Maschinenbauer hin zu einem Hersteller von Solarzellen und -modulen. Er schafft es, Investoren noch mal zum Einschiessen von Kapital zu bewegen – nach zehn Jahren in Folge in den roten Zahlen!
Aufs Konto von Gunter Erfurt geht der wenig erfolgreiche strategische Umbau vom Maschinenbauer hin zu einem Hersteller von Solarzellen und Solarmodulen.
Die Herstellung der Solarzellen wird von Thun BE nach Deutschland verlegt. Doch wieder bleibt der Erfolg aus. 2020 resultieren 91 Millionen Franken Umsatz, 2021 gar nur noch 40 Millionen. Die Verluste steigen in Rekordhöhen. Erfurt skizziert dennoch die Möglichkeit, 2027 wieder 2 Milliarden Franken Umsatz erzielen zu können.
Fantasterei! Als Meyer Burger 2023 bei einem Umsatz von 135 Millionen Franken ein Minus von 164 Millionen verbucht, Fabriken schliesst und ein Projekt in den USA scheitert, muss Erfurt gehen. Ebenso wie 200 entlassene Mitarbeitende.
Franz Richter, der aktuelle Verwaltungsratspräsident und Interim-CEO, schaffte es nicht, das Steuer herumzureissen.
Der deutsche Verwaltungsratspräsident Franz Richter (70) übernimmt 2024 als CEO. Er kämpft, sieht aber bald ein, dass er nur noch die Abwicklung der Firma leiten kann.
Der Solarboom spielt jetzt anderswo
Häufige strategische Richtungswechsel, Marktdruck und wenig politischer Rückhalt für die Solarindustrie zermürbten Meyer Burger. Als Management-Fehler dürfte man allenfalls zu ambitionierte Ausbaupläne, deren Finanzierung teils wacklig war, bezeichnen. Ebenso wiederholte Versprechen, wonach man zur Stärke der 2000er Jahre zurückfinden würde, was nie eintraf.
Die dominanten Player im Solarmarkt sind jetzt, wie andernorts auch, in Asien zu finden.
Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick.