Wie ein Maharadscha wird Jürg Peritz in Mogargaon empfangen, einem kleinen Dorf mitten im indischen Baumwollgürtel des Bundesstaates Madhya Pradesh. Vom Kleinbus steigt der Marketingchef von Coop zusammen mit seiner Frau Eliane und Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger auf einen Holzkarren um, der von einem geschmückten Ochsen gezogen wird. Eine Gruppe von festlich gewandeten Bauern tanzt auf der vom Regen aufgeweichten Strasse. Am Wegrand stehen scheu Frauen im Sari, junge Burschen hüpfen neben dem Karren auf und ab. Die Inder führen die Besucher aus der Schweiz auf den Dorfplatz. Dort wird Peritz mit einem Turban geschmückt. 13 Journalisten und Fotografen aus der Schweiz begleiten den Tross - darunter auch eine Vertreterin der «Handelszeitung».

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Marketingchef Peritz ist die treibende Kraft hinter Coops Biobaumwolloffensive (siehe Kasten). Dank seinem Engagement wurde der Detailhändler zum Pionier im Verkauf von Kleidern aus fair hergestellten Fasern. Seit 1994 bezog Coop 11500 Tonnen fair gehandelte Biobaumwolle und ist heute weltweit die Nummer eins in diesem Geschäft. «Unsere zentrale Botschaft ist eine nachhaltige Marke, die Wirtschaftlichkeit und Ökologie unter einem Hut vereint. Und dafür steht Naturaline», sagt Peritz.

Über die wirtschaftlichen Aspekte des Projekts gibt der Coop-Manager weniger gerne Auskunft. «Wir schreiben schwarze Zahlen. Zu Beginn war das allerdings noch nicht so», sagt er kurz. Tatsächlich ist Naturaline dank massiver Werbeanstrengungen heute ein bekanntes Ökolabel. Der Textilumsatz mit Biobaumwolle ist bei Coop in den letzten Jahren stetig gewachsen - auf zuletzt 55 Millionen Franken (siehe Grafik). Im Gesamtmarkt fristet die Marke freilich weiterhin ein Nischendasein. Sie steht gerade mal für 0,5 Prozent des schweizerischen Bekleidungsmarktes und auch lediglich knapp 16 Prozent des gesamten Textilienumsatzes von Coop.

Doch Geld ist nicht alles. Mit der Biobaumwolle möchte Coop in erster Linie das Image als Vorreiterin für Nachhaltigkeit im Detailhandel pflegen. Dafür setzt Peritz schon mal den einen oder anderen Promi ein. So rühren etwa Rapper Stress und seine Partnerin Melanie Winiger für Coop die Werbetrommel - unter anderem mit Bildern des Starfotografen Michel Comte.

Positive Medienberichte

Wie viel Coop für die Imagepolitur von Naturaline zahlt, gilt als Verschlusssache. Zweimal im Jahr erscheint ein Werbeprospekt mit Winiger als Naturaline-Model. Dazu schaltet Coop regelmässig Inserate in der Presse. «Wegen unseres Engagements verlangen Winiger und Comte sehr moderate Honorare», sagt Peritz. Insider schätzten, dass sich das Marketingbudget für Naturaline auf rund 1,5 Millionen Franken pro Jahr belaufen dürfte.

In der Zahl ist die jüngste Indienreise allerdings nicht inbegriffen. Allein dieser Trip für eine 21-köpfige Gruppe von Journalisten und Coop-Mitarbeitenden wird mindestens 100000 Franken verschlingen. Ein Investment, das sich offenbar lohnt: Wenn Journalisten von der «Weltwoche» über «Das Magazin» bis zur «SI Grün» über die Projekte berichten, klingt das oft überzeugender und ist preiswerter als eine Inserateseite.

In der Tat ist es beeindruckend zu sehen, wie im indischen Dorf einfache Bauern lernen, wie man aus Knoblauch, Zwiebeln, Bohnen und Gewürzen ein Bio-pestizid herstellt und auf die Felder für Biobaumwolle ausbringt. Und es ist ein Segen, wenn diese Bauern dann von der Schweizer Stiftung Biore als Partnerin von Coop für fünf Jahre eine Abnahmegarantie für ihre Baumwolle erhalten, ergänzt durch einen Preiszuschlag von 15 Prozent auf den Marktpreisen von konventionell angebauter Baumwolle.

Doch die harte Realität des Weltmarkts wirft Schatten auf das Projekt. Gegenüber dem Vorjahr hat Biore zahlreiche Bauern verloren. Verkauften letztes Jahr noch 6455 Farmer ihre Baumwolle an Biore, sind es dieses Jahr nur noch 4800. Viele von ihnen setzen auf genmanipulierte Pflanzen, da diese eine kürzere Reifezeit haben. Das ermöglicht Bauern, die genügend Wasser zur Bewässerung besitzen, eine zusätzliche Weizenernte. Die Kombination beider Ertragsquellen wirkt verlockender als der Anbau von Biobaumwolle, der mühsame Kleinarbeit verlangt.

Die Gentech-Offensive in Indien und die weltweite Wirtschaftsflaute bedrohen die Kette zwischen den indischen Biobauern und Schweizer Konsumenten - und damit die Nachhaltigkeit des Coop-Projektes. Patrick Hohmann, der mit seiner Firma Remei und der Stiftung Biore auch in Tansania Biobaumwolle produzieren lässt, musste letztes Jahr ein Minus im «siebenstelligen» Bereich verkraften. Das hänge auch mit der Rezession zusammen, wie er meint. Und das bei einem Umsatz von 27 Millionen Franken.

«Die erwartete Expansion stellte sich nicht ein, so mussten schwerwiegende Entscheide gefällt werden», schreibt Hohmann im Geschäftsbericht. Das hiess konkret: Lager- und Personalabbau. «Eines Tages habe ich zu Peritz gesagt, ich kann nicht mehr. Da hat er mir geantwortet, der Baumwollhandel sei nicht die Aufgabe von Coop.»

Aber mit Coop als Abnehmer im Rücken hat Hohmann immerhin eine gewisse Sicherheit - auch die Bauern. Denn dank ihrer Marktmacht kann Coop bei den Textillieferanten durchsetzen, dass diese ausschliesslich Biobaumwolle von Biore verwenden. Und Hohman sorgt dafür, dass die Bauern genügend Biobaumwolle produzieren. So wird eine zusammenhängende Kette zwischen Biobaumwoll-Bauern, Textilverarbeitung und Detailhandel geschaffen.

Mit Naturaline ins Ausland expandieren

Peritz und Hohmann wollen am Wachstumskurs festhalten. Bereits überlegen sie sich, wie man das Label Naturaline auch in andere Länder Europas exportieren könnte. «Wir brauchen dafür einen Partner, etwa eine Warenhauskette», sagt Peritz.

Für die Umsetzung der schönen Vision braucht es allerdings bald neue Macher. Die umtriebigen Pioniere nähern sich dem Pensionsalter.