Nach dem Abschluss seiner Önologieausbildung am Weinbautechnikum in Changins und nach diversen Praktiken in Kellereien in Neuenburg und im Wallis wollte Christian Vessaz eigentlich 2002 zur beruflichen Horizonterweiterung nach Neuseeland reisen. In die Quere kam ihm jedoch ein Inserat der Burgergemeinde der Stadt Murten, die für ihr 9-ha-Weingut Cru de lHôpital in Môtier einen neuen Betriebsleiter suchte. Der damals 25-jährige Vessaz bewarb sich, erhielt prompt die Zusage und trat die Stelle sogleich an. «Ich bekam die Schlüssel überreicht, bekam Budgetvorgaben, und seither lässt man mich hier machen», erzählt Vessaz, der das ihm entgegengebrachte Vertrauen auf beeindruckende Weise zu nutzen versteht.

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Einst das Spital finanziert

Die Domäne Cru de lHôpital, die 1464 von der Burgergemeinde der Stadt Murten zur Finanzierung des Spitals gegründet wurde, liegt am nordwestlichen, zum Kanton Freiburg gehörenden Ufer des Murtensees, am Fuss der gegen Süd bzw. Südosten ausgerichteten Rebhänge des Mont Vully. Die Weinbauregion Vully umfasst insgesamt 150 ha Rebland, das sich im Verhältnis 1:2 auf die beiden Kantone Waadt und Freiburg verteilt. Das Klima ist niederschlagsarm und vergleichsweise warm, dank des ausgleichenden Einflusses des Murtensees und des Mont Vully, der das Gebiet vor kalten Westwinden schützt. Die aus molassehaltigem Sandstein bestehenden Böden sind mehrheitlich leicht und eher trocken. «Wir haben hier ausgezeichnete Voraussetzungen für die Erzeugung von eleganten, finessenreichen Weissweinen», kommentiert Vessaz beim Rundgang durch die Reben.

Klumpenrisiko Chasselas

Doch die Realität, die Vessaz bei seinem Stellenantritt vor nunmehr sieben Jahren vorfand, war eine andere. Rund drei Viertel der Rebfläche waren mit Chasselas bestockt - und Chasselas-Weine gab es damals eher zu viel als zu wenig. Die Expo 02 half ihm zwar die Bestände abzubauen, doch das Klumpenrisiko war damit nicht beseitigt. Vessaz war klar, dass er den Chasselas-Anteil drastisch zugunsten von anderen weissen Sorten reduzieren musste. Immerhin hatten seine Vorgänger bereits in Ansätzen vorgespurt, indem sie bereits 1972 in kleinen Mengen die weissen Spezialitäten Traminer - wie der Gewürztraminer hier genannt wird - und Pinot gris und später auch Chardonnay, Sauvignon blanc und Viognier gepflanzt hatten.

Vessaz entschloss sich, auf Kontinuität zu setzen und vorab mit den Sorten zu arbeiten, die er bei Stellenantritt vorfand. Er vergrösserte den Flächenanteil der weissen Spezialitäten und reduzierte jenen des Chasselas auf heute 35%. Einzig bei den roten Varietäten erweiterte er die Sortenpalette, indem er dem Pinot noir, der 30% der Rebfläche belegt, noch die bewährten helvetischen Neuzüchtungen Gamaret, Diolinoir und Garanoir zur Seite stellte. Mit diesen vier Sorten erzeugt er die kräftige, im Barrique ausgebaute Cuvée «Réserve des Bourgeois».

Nicht nur Oechslegrade zählen

Vessaz, der aus dem südlichen, waadtländischen Teil der Weinbaugebiets Vully stammt, setzte von Beginn an auf Qualität. Er intensivierte die Rebbergpflege, reduzierte die Erntemengen drastisch und achtet bei der Bestimmung des Erntezeitpunkts nicht mehr auf die Oechslegrade, sondern bei den weissen Sorten vorab auf die aromatische, bei den roten auf die phänologische Reife. Und im Keller lässt er den Weinen Zeit, sich auf der Hefe zu entwickeln. «Ich suche in meinen Weinen nicht die Üppigkeit, sondern die Komplexität und die Eleganz. Sie sollen sich vor allem als Essensbegleiter bewähren.»

Der Erfolg liess nicht lange auf sich warten. Besondere Aufmerksamkeit erregte der Traminer, dem Vessaz zusammen mit dem Pinot gris das grösste Potenzial attestiert. Der Traminer, der sich als duftige, facettenreiche und langlebige Kreszenz präsentiert, heimste bereits diverse Auszeichnungen ein und wurde dieses Jahr als 30. Wein in die prestigeträchtige Weinbibliothek des Mémoire des Vins Suisse (www.mdvs.ch) aufgenommen. Einziger Wermutstropfen: Die Produktion von jährlich 4000 Flaschen ist jeweils schnell ausverkauft.

Trotz seines Erfolgs ist Vessaz bescheiden geblieben: «Mich interessiert nicht der schnelle Erfolg, sondern der auf die Zukunft ausgerichtete Fortschritt. Erfolg ist kurzlebig, Fortschritt dagegen lang anhaltend», meint er und macht damit klar, dass er nicht gedenkt, sich auf den bislang eingeheimsten Lorbeeren auszuruhen. «Ich möchte in Zukunft noch mehr die Terroirprägung der verschiedenen Weine herausarbeiten und vielleicht auch gewisse Lagen separat abfüllen», verrät er. Zudem gedenkt er, nächstes Jahr 2 ha versuchsweise bio-dynamisch zu bewirtschaften.