Am Anfang war Tyler Brûlé. Als der Zürcher Werber und Fernsehmann Frank Baumann zum ersten Mal dessen Swiss-Kampagne sah, platzte dem 45-jährigen Selfmademann der Kragen. Sein Befund: zu banal – und viel zu teuer. Geschätzter Kostenpunkt der brûléschen Anstrengungen für die neue Airline: rund 80 Millionen Franken. «Für ein Viertel wäre dasselbe auch machbar – ohne Tyler Brulé vielleicht, aber mit einer soliden Schweizer Agentur!», so Baumann.

Der Funke war gesprungen, seither mischt der ehemalige TV-Ventilator die Werbe- und Marketingwelt mit einem neuartigen, Kosten sparenden Projekt auf. «Es gibt nirgendwo mehr Scharlatane als in der Kommunikation», analysiert Baumann seinen Berufsstand. «Nicht selten sind die Autftraggeber von den farbenfrohen Präsentationen der Werber und Marktforscher überfordert.» Damit rüttelt er an den Grundfesten der Branche: «Warum müssen Werbeaufnahmen in Südafrika oder San Francisco gemacht werden?», hinterfragt er ketzerisch. «Emmental und Toggenburg sind genauso schön und viel günstiger. Warum muss eine Homepage über eine Million Franken kosten?»

Das Prinzip ist einfach: Mit seiner neu gegründeten Wörterseh Second Opinion analysiert und überprüft der Querdenker kompromisslos bereits bestehende Marketingkonzepte nach ihrer Tauglichkeit, ein Viertel der so eingesparten Kosten bleiben dem «gnadenlosen Spielverderber» (Baumann über Baumann) als Lohn. Weiter entwirft er neue Werbekampagnen lediglich mit einem Bleistift und ohne den Stab von zwei Werbeberaterinnen und fünf Assistenten.

Rezessionsgewinnler und Berufssparer Baumann spielt einmal mehr den Trendsetter. Bereits gehören die Mineralfirma Elmer Citro, der Mosthersteller Big Apple und ein international bekannter Softdrink, dessen Name der Meister noch nicht nennen möchte, zu seinen Kunden. Für den Süssmosthersteller Ramseier produziert er eine viel beachtete Kampagne mit nackten Models – statt teurer Superkörper in gleissendem Sonnenlicht zeigt er dickbäuchige Naturisten aus der Alltags-Schweiz. Kostenbewusst und erst noch spektakulärer. «Ich operiere an einer offenen Wunde, bin gleichzeitig Hofnarr und unbestechlicher Querdenker», sagt Baumann.

«Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren vom Schein und weniger vom Sein gelebt.» Der Zürcher weiss, wovon er spricht: Als ehemaliger Creative Director der TBWA GGK Zürich produzierte er früher selbst aufwändige Kampagnen für Nestlé, Nivea oder Novartis. Doch weniger ist mehr: Seine heutige Agentur hält Baumann bewusst klein, lediglich sieben Mitarbeiter stehen auf der Lohnliste. «Am liebsten arbeite ich mit Freelancern», so die Erfahrung, «zum einen haben die selbst eine unternehmerische Ader, zum andern kann ich einen Grossteil der Sozialkosten abwälzen.»

Sein Fazit: Die Zeiten für kreative Kleinunternehmer sind hart geworden, der Markt übersättigt, die Nachfrage gestillt: «Der Mittelstand steht vor schweren Zeiten.» Und zaghaft gibt er – als Unternehmer – jenem Milliardär Recht, den er in seinen Fernsehsendungen auch schon verspottete: Christoph Blocher. «Die Steuerlast ist viel zu hoch!»

Doch auch Privatmann Baumann zahlte in den letzten Monaten teures Lehrgeld. Mehrere Hunderttausend Franken haben der zweifache Familienvater und Ehefrau Gabriella – selbst Journalistin und erfolgreiche Buchautorin – an der Börse verloren. Da ist selbst für Baumann fertig lustig. Zu Baumanns Favoriten gehörten Aktien der Zürich-Versicherungen und amerikanischer Internetfirmen. Die Wut ist gross, nicht zuletzt wegen des eigenen Unvermögens. «Da verar… man die ganze Nation – und letztlich glaubt man einem pickligen Anlageberater mit grosser Klappe.»

Und die Erkenntnis? Nach der geplatzten Seifenblase ist Baumann wieder ganz Biedermann und investiert lieber in seine Zweitwohnung im bündnerischen Vals, in seine Werbe- und Produktionsfirmen oder in teure Uhren. Privat zahlt er sich den Lohn eines Sekundarlehrers, doch genau wissen das nur der Buchhalter und das Steueramt: «Mein Business ist ein ständiges Up and Down.»

Als passionierter Bergsteiger hat er gelernt, Risiken einzuschätzen. «Wenn du an einem Seil und drei Fingern hängst, siehst du die Welt anschliessend gelassener.» Finanziell enger wurde es im vergangenen Jahr, als Baumanns Fernsehsendung «Doppelmoppel» vom Schweizer Fernsehen kurzfristig abgesetzt wurde. Für den erfolgsverwöhnten TV-Profi ein nicht nachvollziehbarer Affront. Die Vorschläge für ein neues Projekt wurden im Leutschenbach mit schnoddrigen Standardbriefen zurückgewiesen. «Auch der Fernsehmarkt ist eng geworden», meint Baumann, «gefragt ist wieder sanftere Kost.»

Als Fernsehekel erlangte er in den Neunzigerjahren nationale Popularität, böse Briefe – und eine Spezialauszeichnung anlässlich der «Goldenen Rose von Montreux», den wichtigsten TV-Preis überhaupt. Zurzeit verhandelt er mit dem deutschen Privatsender SAT 1 und japanischen Fernsehstationen über neue Shows.

Schon seine journalistische Karriere startete Frank Baumann nach dem Zürcher Wirtschaftsgymnasium mit einem Dumpingangebot. So bot er dem damaligen Verleger des «Badener Tagblatts», Otto Wanner, seine Fähigkeiten als Journalist, Zeichner und Fotograf im Multipack an nach dem Motto: drei Jobs ausüben, zwei bezahlt bekommen.

Wanner willigte ein. Wenig später wechselte er als Moderator zum damals illegalen Radio 24. Von Como aus berieselte er die Schweiz erstmals mit frechen Sprüchen. «Lohnmässig bescheiden», erinnert sich Baumann, «jedoch mit grossem Enthusiasmus, denn Glück ist nicht eine Frage des Reichtums!» Lehrmeister Roger Schawinski führte ihn nicht nur in die Welt des Mikrofons, sondern auch in die Welt des Portemonnaies ein. «Zum einen: Probleme erst lösen, wenn sie da sind. Zum andern: Gute Ideen sind Geld!» Doch erst der Wechsel in die Werbung brachte den grossen Reibach. Als Produzent und Regisseur bei der Werbefilmfirma Condor Commercials gewann Baumann zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen.

Später gestaltete er als Creative Director und Geschäftsleitungsmitglied von Cash RSCG Kampagnen für Air France und den Club Med. Ende der Achzigerjahre gründete er mit Ernst Meier seine eigene Werbeagentur, Edelweiss, die er acht Jahre später seinem ehemaligen Partner verkaufte. «Doch die goldenen Neunzigerjahre kommen nicht mehr», weiss Baumann. Er hat wohl Recht: Erstmals seit 1995 schmilzt das Werbevolumen um rund 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für Einzelkämpfer Baumann eine Chance für das ganz grosse Geschäft. «Nur Tyler Brûlé kassiert so, als wäre nichts geschehen!»


So spart Frank Baumann privat
1. «Nur hochwertige Produkte kaufen. Lieber ein teures Gerät anschaffen als ein billiges. Die Erfahrung zeigt, dass man damit in den meisten Fällen besser fährt.»

2. «Keine Aktiengeschäfte. Ich habe, wie viele andere, an der Börse viel Lehrgeld bezahlt. Seitdem investiere ich wieder in das biedere Sparkonto oder Immobilien. Und wenn Aktien: niemals mehr Zürich-Versicherung. Rolf Hüppi bin ich für das ganze Desaster persönlich sehr, sehr nachtragend.»

3. «Es tönt banal – ist aber der Wichtigste: sparsam leben. Es müssen nicht immer Fünfsternehotels oder Ferien in Amerika sein. Ich gehe seit Jahren nach Vals und schätze die hohe Lebensqualität der Schweizer Alpen. Von Zeit zu Zeit leiste ich mir aber eine teure Uhr oder eine neue Harley-Davidson. Ganz Mutter Theresa bin ich auch nicht. Und zur Not würde ich mich vielleicht auch von einem meiner Motorräder trennen. Aber nur zur Not. – Und es muss nicht immer Kaviar sein; Brot u Chäs u Radio DRÄs tun es auch.»
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