Rolex, die Krone der Uhrenschöpfungen, begnügt sich nicht mehr damit, die begehrtesten Armbanduhren der Welt herzustellen und zu verkaufen. Die Genfer Uhrenfirma will künftig auch die präzisesten Uhren der Welt herstellen.

Optische Atomuhren, die das, was bislang in Sachen Genauigkeit möglich war, um das Hundertfache übertreffen. Rolex Quantum, die neu gegründete Firma, die das Vorhaben unter der Führung von Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour vorantreibt, kann eine Sekunde in 750 Billiarden Einheiten unterteilen, in einen zeitlichen Hauch des Nichts. Denn eine Billiarde ist eine Zahl mit 15 Nullen.

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Die Atomuhren von Rolex Quantum haben nichts gemein mit Daytona und Co.

Natürlich darf man sich die künftigen Uhren von Rolex Quantum nicht einmal ansatzweise als entfernte Verwandte von Daytona, Datejust oder Submariner vorstellen. Diese Uhren sind weder für unsere Handgelenke gemacht noch dazu, unseren sozialen Status allgemein verständlich zu kommunizieren. Sie dienen der Wissenschaft, sind Apparate von beträchtlicher Grösse und unvorstellbarer Präzision.

Deshalb stellt sich die Frage: Warum tut Rolex das? Weshalb kümmert sich die Luxusuhrenmarke schlechthin ausgerechnet darum? Was genau soll diese Obsession mit der Präzision?

Es geht um Imagetransfer

Es dürfte in erster Linie um Imagetransfer gehen. Rolex investiert aus dem gleichen Grund in Rolex Quantum wie Ferrari in sein Formel-1-Team. In der Königsklasse des Motorsports erprobte Bremsen machen sich in abgespeckter Form auch in Serienmodellen gut, Siege auf der Rennstrecke verleihen auch gewöhnlicheren Autos eine Aura des Besonderen. Wenn es Rolex Quantum gelingt, die Welt der atomaren Zeitmessung auf das angestrebte Level der neuen Genauigkeit zu bringen, glänzen auch die Kronen auf den Rolex-Armbanduhren in einem neuen, mythischen Licht.

«Die Kundinnen und Kunden der Schweizer Uhrenindustrie kaufen Luxus, mechanische Magie, Distinktion, Lebensfreude. So etwas Profanes wie Ganggenauigkeit ist bestenfalls zweit- oder drittrangig.»

Aber macht diese Obsession, die nicht nur bei Rolex allgegenwärtig ist, sondern von weiten Teilen der Schweizer Uhrenindustrie zur Raison d'Être hochstilisiert wurde, Sinn? Nein, jedenfalls nicht in einer kommerziellen Perspektive. Würde Rolex eine Daytona weniger verkaufen, wenn sie keine branchenführende Präzision von plus/minus 2 Sekunden pro Tag aufweisen würde? Wohl kaum. Käuferinnen und Käufer von Schweizer Luxusuhren wissen, dass das, was sie kaufen, die Kernaufgabe – die Anzeige der Zeit – aufgrund mechanischer Restriktionen niemals so genau erfüllen kann wie eine billige digitale Plastikuhr. Sie kaufen Luxus, mechanische Magie, Distinktion, Lebensfreude. So etwas Profanes wie Ganggenauigkeit ist bestenfalls zweit- oder drittrangig.

Und doch bleibt Präzision für viele Marken ein Fetisch, den sie sich viel Geld kosten lassen. Sie forschen, testen, lassen doppelt und dreifach zertifizieren. An den Bedürfnissen der Kundschaft vorbei. Angesichts der Krise der Branche ist es höchste Zeit für einen präzisen Reality-Check.