Mit dem Model 3 von Tesla lässt sich derzeit Profit machen. Dank der bisher geringen Lieferzahlen sind die neusten E-Autos von Tesla fast noch Einzelstücke. Kein Wunder, versuchte ein findiger Besitzer sein frisch geliefertes Fahrzeug im Internet zu verkaufen – für 150'000 Dollar. Das entspricht ungefähr dem Dreifachen des Originalpreises bei maximaler Ausstattung.

Andere bieten nicht einmal das Auto, sondern sogar ihren Platz in der Warteliste für das Model 3 an. So gibt es auf dem US-Portal Craigslist zahlreiche Annoncen, bei denen Käufer ihre Reservation für ein Model 3 veräussern wollen. Der geforderte Preis liegt bei bis zu 4000 Dollar, das Vierfache der eigenen Anzahlung.

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Noch ist Tesla sexy

Der Hype hält also an, Tesla ist nach wie vor sexy. Alles gut also im Hause Elon Musk? Mitnichten. «Der Tesla-Chef hat zu viele Bälle in der Luft», sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer, Direktor vom CAR-Center Automotive Research in Duisburg. Dudenhöffer weiss, wovon er spricht: Er gilt als grösster Autoexperte im deutschsprachigen Raum. «Musk muss aufpassen, sich nicht zu verzetteln.»

Denn fast täglich gibt es derzeit eine neue Katastrophenmeldung. Der Rückruf von 11'000 Tesla X, weil sich bei Vollbremsungen die Sitze der zweiten Reihe lösen können, zählen da schon zu den kleineren Baustellen. Andere Probleme sind dringlicher.

Hunderte Kündigungen bei Tesla

Wichtig: Für Tesla ist es zentral, seine Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Denn sonst droht dem derzeitigen Innovationstreiber, zum Gejagten der Branche zu werden. Vergangene Woche reagierte das Unternehmen bereits: Tesla entliess nun rund 400 Mitarbeiter. Betroffen seien etwa Führungskräfte, Team-Chefs und Vorarbeiter, sagte am Freitag gemäss Nachrichtenagentur Reuters ein früherer Beschäftigter, der namentlich nicht genannt werden wollte. Tesla bestätigte Entlassungen, nannte aber keine Zahl. Als Grund für die Kündigungen gab Tesla mangelnde Leistungen an.

Autoexperte Dudenhöffer ist optimistisch, dass Musk das Ruder herumreissen wird. Er macht aber deutlich, dass dies bald geschehen müsse: «Tesla muss es schaffen, bis zum Jahr 2020/2021 stabile Gewinne einzufahren. Dann werden andere Hersteller im E-Auto-Markt aufholen und Musk wird nicht mehr im gleichen Masse von seinem Vorsprung profitieren.»

Dafür muss Tesla-Chef Musk folgende Probleme in den Griff bekommen:

1) Die Lieferprobleme beim Model 3

Drei Model 3 pro Tag hat Elon Musk im dritten Quartal produziert – 260 Fahrzeuge statt der ursprünglich anvisierten 1500 Stück. Viel Häme gab es deshalb vom «Wall Street Journal». Dort hiess es, die langsame Produktion sei der Tatsache geschuldet, dass das Auto in Teilen von Hand zusammengebaut werde. Tesla-Chef Elon Musk setzt dem Bericht ein Video entgegen, in dem er die vollautomatische Produktion des Model 3 zeigte. Er ergänzte dazu, die Produktion sei derzeit auf ein Zehntel des üblichen Tempos gedrosselt, damit Mitarbeiter jederzeit eingreifen könnten, wenn es ein Problem gäbe.

Ursprünglich hatte Tesla angegeben, im Frühjahr 2018 rund 10'000 Model 3 pro Monat liefern zu wollen. Allerdings gehören solch fantastische Prognosen zum Geschäftsmodell von Tesla – und Lieferprobleme haben dem Interesse an den Fahrzeugen bisher nicht geschadet. Experte Dudenhöffer ist denn auch überzeugt: «Lieferprobleme hat es bei jedem Tesla-Modell gegeben. 500'000 Autos zu produzieren, ist kein Hexenwerk. Elon Musk ist zuzutrauen, dass er die Produktion in sechs bis zwölf Monaten stabilisiert.»

2) Der E-Laster kommt mit Verspätung

Das gleiche Schema wie beim Model 3 zeichnet sich beim E-Laster ab. Elon Musk hat für den vollelektronischen Truck Grosses versprochen: 500 Kilometer Reichweite und eine leistungsstarke Batterie. Präsentiert werden sollte der Laster erst im September, dann im Oktober, jetzt im November.

Elon Musk kann also seine Zusage – wieder einmal – nicht einhalten. Doch ist das überhaupt tragisch? Der Sattelzug erfährt derzeit eine Menge Aufmerksamkeit, weil der Name Tesla darauf steht. Anders als bei Elektroautos ist Tesla in diesem Bereich allerdings nicht wirklich Taktgeber. Zum einen rangiert der Laster mit einer Reichweite von 500 Kilometern am unteren Ende bei Langstreckenfahrzeugen, wie das «Manager Magazin» anmerkt.

Zum anderen ist hier der Vorsprung von Tesla nicht so weit wie bei anderen Produkten. Die Schweizer Firma Lithium Storage zum Beispiel hat das grösste Elektrofahrzeugt der Welt gebaut, den E-Dumper. Bisher ist der elektrische Muldenkipper ein Einzelstück - aber er zeigt, dass sich in der Sparte Industriefahrzeuge nicht nur Tesla anschickt, Rekorde zu brechen.

3) Auch der Autopilot lässt auf sich warten

Vorauskasse ist bei Tesla ein gern praktiziertes Geschäftsmodell – auch wenn es künftige Features für das Auto geht. Zum Beispiel das Versprechen auf den künftigen Autopiloten: Tesla hat vor einem Jahr den Autopiloten 2.0 lanciert und eine Selbstfahrer-Version angekündigt.

Käufer konnten die künftige Aufrüstung mit dem ausgereiften Autopiloten erwerben, für 3000 Dollar Aufschlag beim Erwerb eine Tesla. Von den rund 90'000 Käufern vor einem Jahr machten gut 77 Prozent der Käufer Gebrauch davon, wie das Portal «Electrek» berichtet. Sie erwarben damit das Update auf den Selbstfahrer-Modus, sobald Tesla ihn einführt.

Absehbar war allerdings, dass der autonome Autopilot kein simples Zusatz-Feature sein würde – und viele regulatorische Fragen noch ungeklärt sind, abgesehen von den technischen Hürden. Die Autofahrer, die für den Autopiloten gezahlt haben, warten bis heute darauf – und Tesla hat kein Datum kommuniziert, wann das Update absehbar ist.

4) Elon Musk riskiert seine Glaubwürdigkeit

Tesla-Anhänger haben Konzernchef Elon Musk bisher verziehen, wenn dieser seine Versprechen gebrochen und jede Lieferfrist überzogen hat. Allerdings gibt es auch hier eine Gegenbewegung. Die «Bestellungen» für das Model 3, wie Elon Musk sie gerne nennt, sind tatsächlich Reservationen. Tesla gewährt damit jedem potenziellen Käufer jederzeit, seine Reservation zu stornieren und die Anzahlung zurückzuerhalten.

Gut 63'000 Käufer haben von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht, wie Tesla im August bekannt gab. Die Rückgabezahlen sind der Grund, warum die Bestellungen wieder weit unter 500'000 Stück sanken. Angesichts der Lieferprobleme ist das allerdings eine Entwicklung, die Tesla-Chef Musk mit Gelassenheit betrachtet.

Ausserdem ist dieser bereits in anderen Sphären unterwegs: Noch bevor das Versprechen für das Model 3 ansatzweise eingelöst war, versprach Musk bereits 2016 Grossartiges für das Model 4 – das kleiner, vollständig autonom und nochmals deutlich günstiger werden soll als das erste Massenfahrzeug von Tesla. Die Frage ist, wie lange sich Tesla-Anhänger noch mit fantastischen Versprechungen für die Zukunft begeistern lassen – und wann auch sie konkrete Ergebnisse mit vier Rädern sehen wollen.

Testfahrt mit dem Tesla X: