Produkte werden austauschbar, und die Preise gleichen sich immer mehr an das gilt nicht nur für Industriegüter, sondern auch für Dienstleistungen. Wodurch kann sich das einzelne Angebot also noch von der Konkurrenz abheben? Durch die Qualität ihrer Dienstleistungen, behaupten Marketing-Spezialisten. Die Dienstleistung an sich ist aber ein äusserst schwieriges Produkt, denn: Sie ist immateriell und sie wird jedesmal ad hoc produziert.

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Eine missglückte Dienstleistung kann nicht korrigiert werden bzw. erfordert einiges an Bemühungen, um den enttäuschten Kunden wieder zu gewinnen. Grund genug, dafür zu sorgen, dass der Kunde nicht nur vom Produkt, sondern auch von der Art und Weise, wie er behandelt wird, überzeugt ist. Nicht zufällig ist Kundenorientierung gegenwärtig ein Trendbegriff. Kaum ein Unternehmen, das nicht von sich behauptet: «Wir tun alles für unsere Kunden.» Wirklich alles?

Was wollen Kunden wirklich?

Esther Knaus, Inhaberin der gleichnamigen Beratungsfirma in Meilen, hat in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen ein Modell entwickelt, mit dem Dienstleistungen umfassend analysiert werden können. «Eine fundierte Bestimmung des Istzustandes ist Voraussetzung für alle nachfolgenden Aktivitäten», erklärt Esther Knaus. Die schroffe Antwort eines Kundenberaters sei nicht zwingend auf tiefe Dienstleistungskompetenz oder ungenügende Soft Skills zurückzuführen. Es seien auch andere Ursachen denkbar: Beispielsweise ein Vorgesetzter, der primär auf Verkaufszahlen setze, eine ungenügende Ausbildung auf den Produkten oder ein zu kleiner Handlungsspielraum des Kundenberaters.

Sehr oft stehe hinter einer schlechten Dienstleistungsqualität aber die Überzeugung: «Wir wissen schon, was unsere Kunden wünschen.» Eine falsche Annahme, weiss Esther Knaus. Kunden würden so gut wie nie darüber befragt, wie sie die Dienstleistung und den Kontakt mit dem Anbieter tatsächlich erlebten. Aus Angst, es werde etwas von ihnen verlangt, was sie nicht leisten können, fragen die meisten Unternehmen lieber erst gar nicht nach. Oder sie fürchten, Fehler eingestehen zu müssen. «Dabei», weiss Knaus aus Erfahrung, «würden die meisten Kunden ihr Know-how gerne zur Verfügung stellen, wenn sie nur danach gefragt würden.» In ihren Beratungern analysiert sie deshalb Kundenwünsche systematisch.

Keine vagen Absichtserklärungen

Sind die Bedürfnisse der Kundschaft einmal eruiert, stellt sich die Frage, was man mit den Erkenntnissen macht. Mithilfe ihres Stufenmodells definiert Knaus die anzustrebende Optimierung der Dienstleistung ihres Kunden und setzt mit ihm gemeinsam die Benchmarks fest. «Die Absichtserklärung ist zu vage», konkretisiert René Isler. «Es ist wichtig, dass alle Beteiligten genau wissen, was darunter konkret zu verstehen ist und welche Standards für Freundlichkeit gelten.» Isler hat sich von Knaus beraten lassen, als er als Leiter der Repräsentation am Hauptsitz von Swiss Re vor einiger Zeit damit beauftragt war, das Dienstleistungsdesign für die Rezeption und die Fahrdienste neu auszurichten.

«Unser Unternehmen hat sich von einem mehrheitlich aus dem Hintergrund operierenden Rückversicherer zu einem Unternehmen mit täglichem, direktem Kundenkontakt entwickelt, unser Haus wurde offener.» Was zur Folge hatte, dass sich die Aufgaben in den Bereichen Rezeption und Fahrdienste stark veränderten. Der Rezeptionist etwa früher Portier wurde zur ersten Anlaufstelle für Kunden. Zu derjenigen Person also, die den ersten Eindruck des Unternehmens vermittelt. Die Verantwortlichen bei Swiss Re wollten nicht abwarten, bis sich die Anpassungen an die neuen Anforderungen von selbst ergaben, sondern entschieden sich dafür, die Dienstleistung der betroffenen Mitarbeitenden aktiv und von Grund auf neu zu gestalten.

Esther Knaus erhob gemeinsam mit René Isler und den betroffenen Mitarbeitenden eine Bestandesaufnahme der Dienstleistungen, die in ihrem Bereich anfielen. Die Art, wie diese Dienstleistungen erbracht wurden, wurde hinterfragt und die eigene Wahrnehmung derselben protokolliert. «Wenn Mitarbeitende erzählen, was sie genau machen, ergibt sich daraus ein ganz anderes Bild als aus der Erzählung des Kunden, wie er diese Tätigkeit wahrnimmt», beobachtete Isler.

Istzustand und Sollzustand

Aufgrund der detaillierten Protokolle wurde dann der Idealzustand für den «Gast» festgelegt. Konsequenterweise wurde dabei nicht zwischen internen und externen Kunden unterschieden, denn, so Isler: «Wer immer an die Rezeption kommt, ist Gast.» Die Folgefrage war: «Was könnte uns daran hindern, die Dienstleistung auf diese Art zu erbringen?» Antworten darauf wurden intensiv erforscht, einige Interaktionen der Beteiligten mit Videoaufnahmen festgehalten und gemeinsam besprochen. Das Team stellte einen Service-Design-Ordner zusammen, eine Art Herstellungsanleitung für die zu erbringenden Dienstleistungen.

Wichtig dabei sei, betont Knaus, dass eine solche Anleitung die Werthaltung hinter der Dienstleistung zum Ausdruck bringe und nicht im Detail vorschreibe, wie sich der einzelne Mensch zu verhalten habe. René Isler ist überzeugt, durch Knaus' Methode ein Instrument in die Hand bekommen zu haben, mit dem die Dienstleistungsqualität gemessen werden kann. Messen, gibt der professionelle Gastgeber zu bedenken, sei allerdings nur ein Aspekt des Ganzen: «Es geht vor allem darum, dass man die einzelnen Dienstleistungen überhaupt einmal aufzeichnet und miteinander bespricht. Damit alle wissen, wovon die Rede ist, und allen klar ist, auf welche Art die Leistungen erbracht werden sollen.»

Erhöhte Professionalitätdient allen

Dass Neuerungen dieser Art nicht immer auf allseitige Begeisterung stossen, erfährt Esther Knaus regelmässig bei ihren Beratungen. Auch bei Swiss Re waren die Mitarbeitenden am Anfang skeptisch. Isler hat dafür Verständnis. Für viele sei es schwierig gewesen, so unvermittelt zu sehen, wie sie wirkten. «Als wir ihnen aber den Nutzen des Ganzen klar machen konnten, gab es einen Stimmungsumschwung. Die Motivation stieg rapide.» Und: «Wir haben wirklich einen Quantensprung gemacht und sehr viele Komplimente bekommen.»

Der Dienstleistungsbereich als Ganzes habe durch die Massnahmen eine Aufwertung erfahren, meint Knaus: «Die Dienstleistenden haben nicht nur neue Aufgaben, sondern auch sehr viel mehr Kompetenzen erhalten. Aus einem Portier wurde jemand, der die Möglichkeit hat, zu agieren.» Dadurch hätten die Betroffenen erfahren, dass sie durch ihre Leistung unmittelbar zum Erfolg beitragen. Die Erkenntnis, dass durch die erhöhte Professionalität auch ihr eigener Marktwert gestiegen ist, dürfte die Motivation zusätzlich gefördert haben.

Dienstleistungsbewusstsein

Guter Service ist nicht angeboren

Im Dienstleistungsdesign steckt sehr viel Potenzial dieser Meinung ist Adrienne Schäfer, Studienleiterin des Nachdiplomstudiums für Dienstleistungsmarketing an der Hochschule für Wirtschaft, Luzern. «Dienstleistungsdesign kann eine Art Vertrauensanker schaffen für Konsumenten, die in der heutigen Konsumlandschaft zunehmend die Orientierung verlieren.»

Die ganzen Anstrengungen rund um Corporate Identity und Corporate Design, Kundenbindung und -kommunikation nützten allerdings nichts, wenn die Personen, die im Kundenkontakt stehen, nicht wüssten, worauf es wirklich ankomme: «Man muss eine Dienstleistungskultur schaffen im Unternehmen, eine klare Denkhaltung.» Die allgemeine Annahme, fürs Dienen müsse man lediglich Flair haben, sei falsch. «Hier kann Ausbildung sehr viel bewirken.»

Personen, die in ihrem Unternehmen für die Gestaltung, die Erstellung und die Vermarktung von Dienstleistungen zuständig sind, können sich in einem berufsbegleitenden Nachdiplomstudium qualifizieren.