Erstmals gibt es in der Schweiz ein Disease-Management-Programm, das mehr ist als ein Pilotprojekt: Der Gesundheitsanbieter Medvantis und der Ärzteverbund MediX rekrutieren derzeit Patienten mit chronischer Herzschwäche (Herzinsuffizienz) für ein spezielles Betreuungsprogramm.

Disease Management (siehe Fachwort) ist in den USA ein verbreitetes Geschäftsmodell, das gut belegte Einsparungen im Gesundheitswesen bringt. Einige amerikanische Anbieter garantieren ihren Vertragspartnern, den Krankenversicherungen, einen Return on Investment in der Höhe von zwei bis vier Mal den Kosten.

*Massive Kosteneinsparungen*

Auch in der Schweiz muss den beiden Pionieren, den Krankenkassen Helsana und CSS, die Teilnahme am Herzinsuffizienzprogramm von Medvantis und Medix leicht gefallen sein. Denn pro Patient und Jahr dokumentiert ein Pilotversuch Kosteneinsparungen von 4377 Fr. Wieso mit diesem Betreuungsprogramm so viel Geld gespart werden kann, ist schnell erklärt: Herzinsuffizienz-Patienten werden besonders häufig ins Krankenhaus eingeliefert. Und Disease-Management-Programme können diese Spitaltage massiv senken: Gemäss dem von MediX durchgeführten Pilotprojekt von 2001 bis 2002 resultierten Spitalkosten von 5530 Fr. pro betreuten Herz-Patienten. Ohne Disease Management hätten diese Kosten aber bei 11399 Fr. gelegen.

Wie funktioniert das Programm? «Der schwierigste Schritt ist die Rekrutierung der Patienten», sagt Christian Simonin, der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Medvantis. Denn die Partner-Krankenkassen kennen die Diagnose ihrer Versicherten nicht. Die in Frage kommenden Personen können nur anhand der konsumierten Medizindienstleistungen identifiziert und zur Teilnahme am Programm eingeladen werden.

In einem ersten Schritt will Medvantis die von den Krankenkassen empfohlenen Patienten schulen. Sie sollen wissen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen können, wieso sie welche Medikamente einnehmen müssen und welches die Alarmsignale sind, bei denen sie dringend einen Arzt beiziehen müssen. «In der normalen ärztlichen Sprechstunde bleibt zu wenig Zeit für solche Aufklärungsarbeit», sagt Simonin. Anschliessend bekommen die Herzpatienten eine Hotline-Telefon-Nummer, unter der sie rund um die Uhr beraten werden. Medvantis nimmt auch ihrerseits regelmässig Kontakt mit den Patienten auf, um sich nach dem Wohlergehen zu erkundigen und abzuklären, ob weitere Schulungen durchgeführt werden müssen. «Zu einem späteren Zeitpunkt werden wir wohl auch telemedizinische Applikationen einführen, wo das Sinn macht», sagt Simonin. So könnten die betreuten Herzpatienten etwa zu Hause ihren Blutdruck oder ihr Gewicht messen und diese Werte auf regelmässiger Basis elektronisch an das Servicecenter von Medvantis übermitteln.

*Für einen Durchbruch braucht es gesetzliche Änderungen*

Der unternehmerische Erfolg von Disease-Management-Firmen im Ausland ist belegt. Doch funktioniert das Geschäftsmodell auch in der Schweiz? Simonin spricht von einem Potenzial von ein paar Hundert Personen für das Herzinsuffizienz-Programm.

Die nicht bezifferten Zahlungen der Krankenkassen an Medvantis dürften deutlich unter den eruierten Einsparungen von 4377 Fr. pro Jahr liegen. Angenommen die Vergütung betrage 2500 Fr., so läge das Umsatzpotenzial bei 1000 Teilnehmern lediglich bei 2,5 Mio Fr. Dass sich Medvantis dennoch auf das Abenteuer Disease Management einlässt, hängt mit den absehbaren Änderungen im Schweizer Gesundheitswesen zusammen. «Es ist nicht eine Frage, ob diese kommen werden, sondern wann», sagt Simonin (siehe Text unten).

Wenn endlich auch im Schweizer Gesundheitssystem die richtigen Anreize gesetzt werden, könnte das Geschäft mit der Betreuung von Chronischkranken abheben. Statt einem Potenzial von ein paar Hundert sieht Simonin in diesem Fall «Tausende von Personen» in einem Disease-Management-Programm wie jenem für Herzinsuffizienz-Patienten. Zusammen mit ande-ren Chroniker-Programmen käme man dann auf ein ansehnliches Umsatzvolumen: Medvantis führt derzeit auch einen Pilotversuch zur Betreuung von Diabetes-Kranken durch.

*Konkurrent Medgate ist in den Startblöcken*

Das Potenzial von Disease Management hat man auch anderswo erkannt: Der Basler Konkurrent Medgate führt derzeit einen zwei-jährigen Pilotversuch bei der Betreung von COPD-Patienten (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) durch. Die Versuchsphase wird dieses Jahr zu Ende gehen. Obwohl Serge Reichlin, Leiter des Forschungs- und Entwicklungscenters, die Endresultate noch nicht kennt, zeigt er sich überzeugt, dass das Programm weitergeführt wird. Schwierigkeiten seien primär bei der Rekrutierung der geeigneten Patienten aufgetaucht. «Ein Problem, mit dem die meisten Betreuungsprogramme kämpfen.»

Medvantis und Medgate stehen sich heute schon als Konkurrenten bei der telefonischen Beratung von Krankenkassen-Versicherten gegenüber.

Partner-Inhalte