Die Dividendenausschüttungen finden bei vielen Anlegern nur mässig Beachtung. Entweder, weil ihnen die Dividende als zu gering erscheint, oder weil sie vor allem vom Kurspotenzial profitieren wollen, nicht von den jährlichen Ausschüttungen. Attraktiv ist, was grosse Kursgewinne verspricht. Doch dies alleine ist, mit Verlaub, ein Denken, das zu kurz greift. Denn im langfristigen Durchschnitt liegt der Dividendenanteil am Gesamtertrag einer Aktienanlage bei rund der Hälfte.
Unternehmen, die regelmässig eine hohe Dividende relativ zum Kurs ausschütten, stammen meist aus eher defensiven Sektoren wie beispielsweise Finanzen, Energie, Versorgung und Telekommunikation. Defensive Sektoren erscheinen aber vielen als zu wenig attraktiv.
Doch gerade wegen des defensiven Charakters dieser Sektoren erweisen sich die dort tätigen Unternehmen bei allgemeinen Marktschwächen als stabil. Damit wird ein Portfolio, das aus Aktien mit hohen Dividendenrenditen besteht, stabiler in der Wertentwicklung als ein indexnaher Aktienfonds. Und vor allem: Titel mit hohen Dividenden sind bei Aufwärtsphasen der Börsen ganz und gar keine «lahme Enten». Im Gegenteil: Die Chance, dass sie die Aufwärtsbewegung des Marktes mitmachen, oder diese sogar übertreffen, ist mehr als nur gegeben. Denn im langfristigen Vergleich schlagen dividendenstarke Titel den Gesamtmarkt, sodass in einer Betrachtung über die Zeit das Rendite/Risiko-Verhältnis von Aktienfonds mit dividendenstarken Titeln günstiger ausfällt als das von indexnahen Aktienfonds.
Alternative zu Obligationenfonds
Dividendenstarke Aktienfonds eignen sich keineswegs nur für defensiv orientierte Aktieninvestoren. Aktien mit hoher Dividendenrendite in der Vergangenheit lassen auch in Zukunft höhere Erträge erwarten. Investitionen in dividendenstarke Titel sind daher auch ideal für einen einkommensorientierten Investor, der nicht auf die Partizipation an den Aktienmärkten verzichten will. Für diesen Anleger stellt die Investition in Aktien mit hohen Dividendenrenditen gegenwärtig eine attraktive Alternative zu einer Investition in einen Obligationenfonds dar. Denn beim aktuell schwachen europäischen Wirtschaftwachstum bewegen sich die Marktzinsen auf einem tiefen Niveau. Deshalb haben sich in Europa die Dividenden- den Anleihenrenditen angenähert. Viele europäische Unternehmen schütten heute so hohe Dividenden aus, dass die Dividendenrendite auf deren Aktien die Anleihenrenditen übertrifft.
Geht man in nächster Zukunft von steigenden Marktzinsen und den damit verbundenen Kursverlusten bei Anleihen aus, kann sich eine Investition in Aktien mit hohen Dividenden erst recht auszahlen, denn ein Einstieg in einen Aktienfonds, der den Schwerpunkt auf hohe Dividenden legt, ist gerade auch vor dem Hintergrund der aktuell tiefen Anleihenrenditen interessant.
Dividenden sind derjenige Teil der jährlichen Gewinne einer Aktiengesellschaft, der an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Die Dividendenrendite ist das Verhältnis der ausgeschütteten Dividende zum aktuellen Kurs.
Aktionäre können doppelt profitieren
Weil sich Unternehmen mit stabilen, hohen Dividendenrenditen üblicherweise in reiferen Märkten befinden, ist es für die Unternehmen schwierig, in ihren Märkten neue Investitionsmöglichkeiten ausfindig zu machen. Deshalb schütten diese Gesellschaften einen beträchtlichen Teil des Gewinnes als Dividende an die Aktionäre aus. Da sich zugleich diese Gesellschaften in ihren entsprechenden Märkten etabliert haben und sehr kompetitiv sind, werden deren Aktien meist sehr geschätzt. Die Nachfrage nach Dienstleistungen von Unternehmungen in reiferen Märkten ist auch in einer schwachen Wirtschaftsphase relativ beständig. Auf Länderebene fallen hauptsächlich Grossbritannien, die Niederlande sowie Finnland mit traditionell hohen Dividendenrenditen auf. Diese Länder sind dementsprechend stark in einem Aktienfonds mit hohen Dividenden vertreten.
Aktiver Selektionsprozess
Die Dividendenrendite beruht auf Vergangenheitswerten. Der Auswahlprozess der Aktien darf aber nicht nur auf historische Daten abstellen, sondern muss die Frage beantworten, ob die bisherige Dividendenpolitik einer Unternehmung aufrechterhalten wird oder ob eine Unternehmung beabsichtigt, in Zukunft ihre Gewinnausschüttung in Form von Dividenden zu erhöhen bzw. zu reduzieren. Es ist wichtig, die Selektion der dividendenstarken Aktien als dynamischen Prozess zu verstehen. Macht beispielsweise ein Titel eine Aufwärtsbewegung des Marktes mit, sinkt bei gleich bleibender Dividende die Dividendenrendite. Diese Aktie wird dementsprechend unattraktiv für einen dividendenorientierten Fonds und wird durch einen anderen adäquaten Titel ersetzt werden. Andererseits sind Wachstumstitel, für die in Zukunft erhöhte Dividendenausschüttungen erwartet werden, deshalb nicht grundsätzlich im Voraus vom Portfolio ausgeschlossen.
Diese Kriterien sind für eine Selektion von dividendenstarken Aktien im Raum Europa wichtig:
- Fundamentaldaten der Unternehmung: Eine hohe Dividendenrendite allein genügt nicht. In die Anlageentscheidungen des Fondsmanagements fliessen zusätzliche fundamentale Bewertungskriterien ein. So müssen die Unternehmen hinsichtlich Bilanzqualität, Qualität des Managements, Profitabilität, Wettbewerbsposition und Börsenbewertung überzeugen.
Die Fokussierung auf dividendenstarke Titel und der damit verbundene aktive Selektionsprozess bringen es mit sich, dass die Abweichungen zur Benchmark (MSCI Europe) grösser ausfallen als bei einem Fonds, der sich stark an der Benchmark orientiert. Die absolute Kursentwicklung eines Dividendenfonds dürfte aber trotzdem eine leicht tiefere Volatilität aufweisen. Die Umsetzung eines derart umfangreichen Selektionsprozesses ist komplex. Anleger sind deshalb gut beraten, dabei vom Know-how ausgewiesener Fachspezialisten zu profitieren. Genau hier liegt die Stärke von Anlagefonds.
Peter Stenz, Senior Portfolio Manager Aktien Europa und Mitglied der Direktion, Swisscanto Asset Management AG, Zürich.