Liebe Leserin, lieber Leser

Die Szene spielt im Zürcher «Savoy» im Herbst 2004. Das Präsidium der Schweizerischen Bankiervereinigung parliert mit Chefredaktoren über Probleme im Schweizer Banking. Die Stimmung ist aufgeräumt, wie meist bei diesen Tête-à-Têtes zwischen Bankern und Journalisten. Zumindest bis einer eine berechtigte Frage stellt. Warum ZKB-Chef Hans Vögeli nach der Bluttat am Zürcher Tessinerplatz zwei Tage gebraucht habe, um sich der Öffentlichkeit zu stellen, will der Journalist wissen. Im Juli hatte ein Kadermann der Staatsbank mit einer Faustfeuerwaffe zwei Bankmanager getötet und sich danach selbst gerichtet. Vögeli, der Generalstabsoberst, ging auf Tauchstation und speiste eine geschockte Öffentlichkeit mit vorgestanzten Floskeln seiner Pressestelle ab. Den fragenden Journalisten im «Savoy» kanzelt der ZKB-Chef in schneidendem Ton ab: «Ich lasse mir nicht von den Medien vorschreiben, was ich zu tun habe.» Darauf der Journalist: «Diese Haltung kann Sie einmal Ihren Job kosten.»

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Dies ist nun geschehen. Anfang Mai ist der ZKB-Chef zurückgetreten. Gestolpert über eine Affäre innerhalb der Derivateabteilung. Die ZKB hatte als Kreditgeberin und Hausbank des Winterthurer Maschinenbaukonzerns Sulzer fungiert und gleichzeitig in der Handelsabteilung an Geschäften mitgewirkt, die dem Russen Viktor Vekselberg und dem Österreicher Ronny Pecik den Aufbau einer 30-prozentigen Beteiligung an Sulzer ermöglichten. Seither ist Sulzer ein Übernahmeobjekt. Wenn Hans Vögeli nun darauf hinweist, dass subalterne Stellen seine schriftlichen Weisungen bewusst umgangen hätten, mag das ja stimmen. Mit der Aussage, er übernehme die formelle Verantwortung für diese Vorfälle, will er der Öffentlichkeit freilich anderes mitteilen: Mich, Vögeli, trifft keine Schuld. Mein Leistungsausweis ist intakt. Ich habe Rekordergebnis um Rekordergebnis präsentiert, und die ZKB muss mir dafür endlos dankbar sein. Ich, Vögeli, gehe erhobenen Hauptes.

Ein Manager, der so gestrickt ist, wird immer überdurchschnittliche Leistung erbringen wollen. Und diese misst sich für einen wie Vögeli ausschliesslich in Zahlen. Die sind eindeutig, unverrückbar und erklären sich von selbst. Gut ist, wer die Zahlen bringt. Punkt. Dass eine solch eindimensionale Sicht für einen erfolgreichen Bankchef nicht ausreicht, das hat Hans Vögeli auch bei seinem Abgang nicht wirklich begriffen. Er ist es schliesslich gewesen, der das Derivategeschäft innerhalb der einst betulichen ZKB hochgezüchtet hat. Er hat es getan, weil er sich davon sprudelnde Gewinne erhoffte. Sprudelnde Gewinne ergeben in der Logik des Hans Vögeli blendende Zahlen, und blendende Zahlen bringen die Lorbeeren, nach denen ein Hans Vögeli so dürstet. Dass er in seinem Drang nach dem ultimativen Erfolg den Nährboden für die nun ans Licht gekommenen Verfehlungen seiner Bankkader selber bereitet hat, ist Vögeli auch bei seinem Abgang nicht bewusst. Genauso wenig sieht er ein, dass der eingetretene Reputationsschaden für die Bank mitunter schwerer wiegt als die kommerziellen Erfolge des Hans Vögeli. Darum ist gut, dass er jetzt geht.

In eigener Sache: Unser Redaktor Albert Steck hat den renommierten Medienpreis für Finanzjournalisten gewonnen, der von PRIVATE, dem Magazin für Vermögensberatung und Private Banking, verliehen wird. Ausgezeichnet mit 10 000 Franken wurden die BILANZ-Artikel «Das Einmaleins des Börsenerfolgs» (10/06) und «So wird das Jahr 2007» (22/06). Wir gratulieren herzlich.

René Lüchinger, Chefredaktor BILANZ