«Swiss zum Verscherbeln freigegeben» und «Ausverkauf nach Deutschland», giftete der «Blick», FDP-Nationalrat Johann Schneider-Ammann geisselte die Übernahme als «kapitalen Fehler»: Die Schweiz brauche eine «eigenbestimmte Verkehrsinfrastruktur». Die Wahrnehmung der angeblich so aggressiven und zentralistisch denkenden Deutschen überlagerte die Realität. Denn die sah anders aus: Der österreichische Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber wollte den Standort Schweiz nicht schwächen, sondern stärken.

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Heute decken sich Wahrnehmung und Realität. Die Swiss ist zur Vorzeige-Airline im Lufthansa-Verbund aufgestiegen, die Furcht vor einer Frankfurter Dominanz ist geschwunden. «Ein weltweiter Botschafter für die Schweiz» sei die Fluglinie heute, betont Mayrhuber im BILANZ-Interview – und deklariert den Zusammenschluss sogar als «Paradebeispiel für die lernende Organisation». Nicht einer integriere den anderen und arbeite nach der Hausmethode weiter, sondern «jeder kann für den anderen Vorreiter und Inkubator sein».

Bei einem anderen Botschafter der Schweizer Unternehmensszene klaffen Wahrnehmung und Realität dagegen besonders weit auseinander. Die Migros glänzt mit Rekordzahlen und liegt mit einer Gewinnmarge von 4,5 Prozent deutlich vor dem Rivalen Coop und sogar im europäischen Vergleich weit vorn – nur die britische Tesco steht mit einem Wert von 5,5 Prozent besser da. Doch die Wahrnehmung ist eine andere: Coop-Chef Hansueli Loosli gilt als Branchenstar mit stetiger Wachstumseuphorie, Migros-Lenker Herbert Bolliger als Schattenmann mit Neigung zu ungeschickten Äusserungen. Gewiss, ein Chef muss sich zuerst an den Zahlen messen lassen – und da steht Bolliger exzellent da. Doch dass die Migros Ladehemmungen beim Platzieren der eigenen Story hat, ist in der Führung ein offenes Geheimnis. Einer Firma, die als grösster Werbetreibender der Schweiz letztes Jahr fast 200 Millionen Franken in die Aussenwahrnehmung investiert hat, kann das nicht egal sein.

Dirk Schütz
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